Kristallblut. Patricia Strunk

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Kristallblut - Patricia Strunk Inagi

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umständlich seine Waffen zurecht. Sein Kinn bildete die vertraute harte Linie. In seinen wolkengrauen Augen lag auf einmal eine Leere, die ihr die Brust zusammenzog. „Wenn ich im Kampf falle, halte dich an Mebilor. Er wird sich um euch kümmern.“

      Die Beiläufigkeit, mit der er das sagte, ließ den Kloß in Ishiras Kehle zur Größe eines Eies anschwellen. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass dieser Moment der letzte sein könnte, der ihr mit ihrem Begleiter blieb. Hatte er immer noch vor, den Tod herauszufordern, um von seinen fehlgeleiteten Schuldgefühlen erlöst zu werden? In einem Anflug von Panik suchte sie nach den richtigen Worten, um ihm zu sagen, dass er überleben musste. Dass es auch für ihn eine Möglichkeit gab, noch einmal von vorne zu beginnen. Aber alles, woran sie denken konnte, war, dass sie ihn nicht verlieren wollte.

      „So leicht ziehst du dich nicht aus der Affäre, Yaren“, schimpfte Mebilor, bevor Ishira ihre Gedanken sortiert hatte. „Für deine Schützlinge sorgst du gefälligst selbst. Also wage es ja nicht, dich von den Drachen töten zu lassen!“

      Eine von Kiresh Yarens Brauen hob sich in bekannt spöttischer Weise. „Auch eine Art, jemandem Glück zu wünschen.“ Doch die Starre war aus seinen Zügen gewichen.

      Als er sich abwenden wollte, fand Ishira endlich ihre Sprache wieder. „Bitte, kommt heil zurück, Deiro.“

      Er bedachte sie mit einem langen, unergründlichen Blick. „Wenn es die Götter fügen.“ Damit drehte er sich um und folgte den Heerführern zum Waldrand, wo der Shohon bereits Befehle erteilte.

      Die Kireshi stellten sich in ihrer üblichen Formation auf, nur dass diesmal die Telani und die Proviantwagen fehlten – und dass alle zu Fuß waren, selbst die Befehlshaber und die Koshagi. Auf Helons Wink hin setzte sich die Armee in Bewegung. Ishira beobachtete mit angehaltenem Atem, wie die Gohari aus dem Wald strömten. Nichts veränderte sich. Selbst als die letzten Geschütze den Schutz der Bäume verlassen hatten, geschah nichts. Hatte sie sich geirrt? Oder hatten die Amanori Verdacht geschöpft? Waren sie intelligent genug um zu merken, dass die Armee nicht vollzählig war?

      Doch dann hörte sie es. Das Rauschen unzähliger Schwingen. Als würde von Osten ein Sturm heraufziehen. An der Art, wie die Köpfe der Telani um sie herum nach oben zuckten, erkannte sie, dass auch sie es hörten. „Sie kommen“, flüsterte jemand.

      Schatten schoben sich über den Wald wie eine schwarze Wolkenfront, die das Licht des Morgens schluckte. Entsetzte Rufe wurden laut. In die Kireshi kam Bewegung. Beinahe gleichzeitig zogen sie ihre Waffen und machten sich kampfbereit. Die Rohre der ‚Drachentöter‘ schwenkten nach oben, als die Schützen sie auf die anfliegenden Gegner ausrichteten. Der donnernde Kampfschrei der Amanori ließ Ishira das Blut in den Adern stocken. Er hallte von den umliegenden Bergen wider und schien sich wie etwas Stoffliches über die Gohari zu legen, erstickte die Stimmen der Kireshi und das angstvolle Wiehern der angepflockten Pferde. Die Wolke aus geschuppten Leibern senkte sich tiefer. In einem Gewitter aus Blitzen gingen die Amanori zum Angriff über. Als Antwort zündeten die Schützen die Sprengrohre. Ohrenbetäubendes Krachen übertönte selbst das Grollen der Echsen. Die ersten Amanori stürzten in die Tiefe. Aber auch von den Gohari lagen bereits etliche am Boden, hingestreckt von den Blitzen. Allein die Koshagi konnten das Blitzgewitter ignorieren, da das Blut der Echsen sie vor deren gefährlichster Waffe schützte.

      Rohin hatte die Fäuste geballt und lief einige Schritte zum Rand des Waldes vor, um besser zu sehen. Einen Augenblick lang glaubte Ishira sogar, er wollte sich selbst ins Schlachtgetümmel stürzen. Einige der anderen Telani folgten ihm, als würde das Geschehen sie magisch anziehen. Ishira kaute vor Aufregung an den Nägeln – etwas, das sie nicht mehr getan hatte, seit sie ein Kind war. Sie stand kurz davor, ebenfalls zum Waldrand zu laufen. Die Echsen schienen eine bestimmte Strategie zu verfolgen. Rund die Hälfte von ihnen kreiste in der Luft und spie Blitze, während die übrigen direkt auf die Menschen zuhielten und mitten zwischen den Gohari landeten, um mit Zähnen, Klauen und ihren stachelbewehrten Schwänzen über sie herzufallen. Ishira hielt Ausschau nach ihrem Begleiter, aber in dem wilden Getümmel war es unmöglich, jemanden auszumachen. Ein Geschoss zerfetzte einem der Amanori den Flügel. Wild mit der verbliebenen Schwinge schlagend, versuchte er sich in der Luft zu halten, doch vergeblich. Die Kireshi unter ihm schrien eine Warnung und wichen zurück, als er zur Erde trudelte. Dennoch wurden zwei Soldaten von dem peitschenden Schwanz erfasst und mehrere Schritte weit durch die Luft geschleudert. Der eine schlug inmitten seiner Kameraden auf und riss einen von ihnen mit sich zu Boden. Schaudernd sah Ishira, wie die Woge der kämpfenden Kireshi die Leiber unter sich begrub, als sie von den nachfolgenden Amanori attackiert wurden.

      Als jemand von hinten nach ihrem Arm griff, schrak sie zusammen. Kenjin. Ihr Bruder sah sie beschwörend an und nickte mit dem Kinn in die Richtung, aus der sie am vergangenen Abend gekommen waren. „Das ist unsere Chance“, raunte er ihr ins Ohr. „Lass uns verschwinden, solange die Gohari beschäftigt sind. Bis sie jemanden hinter uns her schicken können, sind wir über alle Berge.“

      Ishira sah sich hastig um, ob Mebilor oder einer der anderen Telani Kenjins Worte gehört hatte. Aber die Gelehrten hatten ihre Aufmerksamkeit sämtlich auf das Kampfgeschehen gerichtet – ebenso wie die Kutscher der Vorratswagen, die darüber hinaus noch mit ihren Zugtieren zu kämpfen hatten. Niemand schenkte ihnen Beachtung. Selbst Garulan hatte ihnen den Rücken zugekehrt. Kenjin hatte Recht. Wenn sie wirklich fliehen wollten, war jetzt die perfekte Gelegenheit. Hatte sie nicht auf genau solchen Moment gehofft? Auf einen Wink des Schicksals? Unschlüssig trat Ishira von einem Fuß auf den anderen. Wieso zögerte sie noch? Hatte sie sich nicht geschworen, alles zu tun, um ihren Bruder heil hier heraus zu bringen? Aber war dies wirklich der richtige Weg? Hin und her gerissen suchte ihr Blick zwischen all den Kämpfenden erneut nach ihrem Begleiter, obwohl sie nicht wusste, was sie sich davon versprach. Vergebens. Sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Vielleicht war es besser so.

      Kenjin zerrte an ihrem Arm. „Jetzt komm schon, Nira!“ zischte er. „Worauf wartest du noch?“

      Ja, worauf wartete sie? Sie schuldete den Gohari nichts. Kenjin und sie hatten auf diesem Feldzug nichts verloren. Dies war nicht ihr Kampf. Ihr eigener Kampf fand weit fort von hier statt – in Soshime, in den Minensiedlungen. Der Platz, an den sie gehörte, war an Kanhiros Seite. Nicht an der Seite der Gohari. Nicht an der Seite Kiresh Yarens. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, ließ Ishira sich von ihrem Bruder mitziehen.

      Langsam und vorsichtig entfernten sie sich von den Telani. Sie gingen halb gebückt und bemühten sich, nicht auf trockene Äste zu treten, obwohl diese Vorsichtsmaßnahme vollkommen überflüssig war, übertönte doch der Lärm des Kampfes jedes Geräusch, das einer von ihnen hätte verursachen können. Ishira ging leicht seitlich und blickte sich immer wieder über die Schulter um, ob jemandem auffiel, dass sie nicht mehr hinter Mebilor und Garulan standen. Doch niemand rief sie zurück und es rannte auch niemand hinter ihnen her. Die Gohari waren abgelenkt.

      Endlich erreichten Kenjin und sie den Engpass. Nach einem letzten Blick zurück bogen sie auf den Pfad ein, den das Heer am Vortag getrampelt hatte. Außer Sicht der Telani begannen sie zu laufen. Vor den Gohari in Sicherheit waren sie noch längst nicht. Es gab nur diesen einen Weg durch die Schlucht und die Hänge waren zu steil, um dort zu entkommen. Wenn die Gohari ihre Flucht zu früh bemerkten, hatten Kenjin und sie verloren.

      ***

      Donnerschläge rollten durch das Tal, als die nächsten Sprengrohre abgefeuert wurden, und überlagerten den übrigen Schlachtenlärm. Im Tal war das Chaos ausgebrochen. Die Drachen schienen überall zu sein. Noch nie hatte Yaren so viele von ihnen auf einen Haufen gesehen. Die Welt schien nur noch aus Blitzen, Schreien und durch die Luft wirbelnden Klauen und Klingen zu bestehen. Verbissen schwang Yaren sein Kesh gegen den Drachen vor ihm. Das Biest war bereits verletzt, aber noch immer stark. Sein langer biegsamer Hals schnellte vor und zwang Yaren zurückzuweichen. Dabei trat er beinahe auf einen der Verletzten, die den Boden übersäten.

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