Schwingen des Adlers. Anna-Irene Spindler

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Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler

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Aber nachdem sie heute den ganzen Tag putzmunter die Kinder betreut hatte, war das nicht unbedingt glaubwürdig. Also blieb ihr nichts Anderes übrig als zur Versammlung zu gehen, obwohl sie eigentlich keine große Lust hatte.

      Mit einem letzten Blick in den Spiegel überzeugte sie sich noch einmal davon, dass sie angemessen angezogen war. So hoffte sie wenigstens. Sie hatte schließlich noch nie zuvor an einer Dorfversammlung teilgenommen.

      Als sie die Holzstufen hinunterging knöpfte sie die Jacke zu. Jetzt, Ende August, wenn man in München im Sommerkleidchen unter den Kastanien im Biergarten sitzen konnte, wurde es hier abends schon kühl. Sophia schaute auf ihre Armbanduhr und legte einen Zahn zu. Die Versammlung war auf acht Uhr angesetzt. Sie wollte auf keinen Fall zu spät kommen.

      „Das ist aber schön, dass Sie auch kommen, Frau Römer!“

      Sophia drehte sich um. Frau Gestner, die Besitzerin des kleinen Ladens, hatte sie beinahe eingeholt.

      „Anna hat mich eingeladen“, sagte Sophia und streckte der rundlichen, rotwangigen Frau die Hand entgegen. „Ich weiß aber eigentlich nicht so recht, was ich bei der Versammlung soll.“

      „Sie werden sehen, dass es da Einiges gibt, was Sie interessiert. Außerdem ist es eine gute Gelegenheit die Eltern der Kinder näher kennenzulernen. Pfarrer Maierhofer und der Bürgermeister von Oberkirch, Ferdi Tobler, werden auch da sein. Da können Sie auch Dinge, die den Kindergarten betreffen gut vorbringen. Und im Übrigen“, Frau Gestner blieb stehen und sah sie eindringlich an „Sie wohnen in Saas Gurin, also gehören sie zu uns. Und es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass aus jedem Haus mindestens Einer zur Dorfversammlung kommen muss. Das ist schon immer so gewesen. Seit es unser Dorf gibt. Das ist auch gut so. Wenn etwas beschlossen wird, muss man es nicht extra öffentlich aushängen. Und trotzdem kann keiner sagen ‚ich hab nix gewusst‘.“

      Auf eine so klare Aussage blieb nichts weiter zu erwidern. Das letzte kurze Stück bis zum Gasthof gingen sie schweigend nebeneinander her. Sophia war heilfroh, dass sie sich entschlossen hatte zur Versammlung zu gehen. Ein Nichterscheinen hätten ihr die Dorfbewohner sicher sehr übel genommen.

      Der Gasthof ‚Mühle‘ lag nicht an der breiten Hauptstraße des Dorfes, sondern genau wie der Kindergarten am Ende einer Seitengasse. Direkt hinter dem Haus floss ein glasklarer, eiskalter Bergbach vorbei, der immer noch ein uraltes, verwittertes, mit Moos bewachsenes Mühlrad antrieb. Das hatte zwar keinerlei Funktion mehr, wirkte aber ungeheuer malerisch und verträumt. Es gab wahrscheinlich keinen einzigen Fremden, der während seines Aufenthaltes das historische Überbleibsel aus längst vergangenen Zeiten nicht fotografierte.

      Im Gasthof herrschte bereits geschäftiges Treiben und der Lärmpegel war schon entsprechend hoch. Als Sophia gemeinsam mit Frau Gestner eintrat, wurden sie sofort von allen Anwesenden umringt. Einige Leute kannte sie bereits. Es waren meistens Eltern oder Großeltern von Kindergartenkindern. Sie schüttelten ihr die Hand und jeder gab ihr deutlich zu verstehen, wie sehr er sich freute, dass sie gekommen war.

      Frau Gestner übernahm das Amt, sie den übrigen Anwesenden vorzustellen. Sophia schüttelte jedem artig die Hand. Krampfhaft versuchte sie sich die Namen zu merken und sie den jeweiligen Gesichtern zu zuordnen. Das war gar nicht so einfach. Bereits nach kurzer Zeit bemerkte sie, dass sich die einzelnen Namen immer wieder wiederholten.

      Im Kindergarten war ihr das auch schon aufgefallen. Von den sieben Kindern hatten drei den gleichen Familiennamen, obwohl es keine Geschwister waren. Ebenso häufig wurden Doppelnamen genannt. Diese setzten sich bis auf zwei oder drei Ausnahmen aus den schon bekannten Familiennamen zusammen. ‚Also doch Inzucht!‘ schoss es Sophia durch den Kopf, als sie die Hand eines alten Mannes schüttelte, den ihr Frau Gestner als Ruedi Michler-Anninger vorstellte. Zuvor hatte sie schon dreimal einem Herrn Michler und einer Frau Michler die Hand geschüttelt.

      „Schön, dass du auch da bist!“

      Ein Arm legte sich um ihre Schultern und ein ziemlich kratziger Kuss wurde ihr auf die Wange gedrückt.

      „Hallo Thomas!“ Sophia war ehrlich erfreut ihn zu sehen.

      In diesen drei Wochen, die sie jetzt hier in Saas Gurin wohnte, waren ihr der stets gut aufgelegte Mann und seine liebenswerte, herzensgute Frau Gina ans Herz gewachsen. Thomas gab ihr immer wieder den einen oder anderen hilfreichen Tipp im Umgang mit den Einwohnern. Er erteilte ihr auch stets bereitwillig Auskunft, wenn sie Fragen über die Familien und das Umfeld ihrer sieben Schützlinge hatte.

      Beim Einzug stand ihr Gina tatkräftig zur Seite. Kaum hatte sie den für ihren Umzug gemieteten Kleintransporter vor dem Kindergarten geparkt, war wie aus dem Nichts Gina aufgetaucht, hatte ihr die Hand entgegengestreckt und gesagt: „Ich bin Frau Anninger. Aber Sie können mich Gina nennen. Ich werde Ihnen helfen.“

      Ohne auf eine Antwort zu warten, hatte sie die Heckklappe geöffnet, sich die oberste Kiste geschnappt und war die Treppen zu Sophias neuem Zuhause hinaufgestiegen.

      Seither verging beinahe kein Tag, an dem sie nicht im Kindergarten auftauchte. ‚Zu einem kleinen Schwätzchen!‘ wie sie sich immer ausdrückte. Stets hatte sie ‚rein zufällig‘ ein Stück Kuchen, selbstgemachte Marmelade, ein Stück Ziegenkäse oder Eier dabei.

      „Hast du Gina nicht mitgebracht?“, fragend sah ihn Sophia an.

      „Nein. Sie hat sich eingebildet, sie muss alle Fenster im Haus auf einmal putzen. Jetzt hat sie Rückenschmerzen und kann die Arme kaum mehr bewegen. Sie hat sich auf das Sofa gelegt und verkündet, dass Nichts und Niemand sie heute abend noch zum Aufstehen bewegen könnte.“

      Thomas’ Arm lag immer noch um ihre Schultern. Mit einem sanften Druck schob er sie jetzt von den Umstehenden weg.

      „Komm mit! Ich muss dir noch Jemanden vorstellen.“

      Hinter einem Mann, der ihnen den Rücken zukehrte blieb er stehen. Thomas klopfte dem Mann auf den Rücken und sagte:

      „Du Mark, ich würde dich gern mit Jemandem bekannt machen.“

      Der Angesprochene drehte sich um und sah Sophia direkt ins Gesicht.

      Noch nie zuvor hatte sie so strahlend blaue Augen gesehen, wie im Gesicht dieses Mannes, den sie sofort wiedererkannte.

      „Das ist Sophia Römer, die neue Erzieherin. Und das ist Mark Suttner, mein bester Freund.“

      Thomas betrachtete aus den Augenwinkeln die Reaktion der Beiden, als sie sich die Hand schüttelten. Da seine Hand immer noch auf Sophias Schulter lag, war ihm das leise Zittern nicht entgangen, das über ihren Körper lief als sie Mark die Hand gab.

      „Es freut mich sehr Sie kennenzulernen, Frau Römer. Beat hat so von Ihnen geschwärmt, dass Ihnen die Ohren geklungen haben müssen von so viel Lob.“ „Ich bin nicht sicher, ob ich all diesen Vorschusslorbeeren überhaupt gerecht werden kann. Ich werde auf jeden Fall mein Möglichstes tun“, erwiderte Sophia.

      Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht, als sie ihn ansah.

      ‚Sie ist ja gar nicht so alt‘, ging es Mark durch den Kopf, als er die Frau vor sich überrascht musterte.

      Genau das hatte er nämlich erwartet. Wer, außer einer verschrumpelten, alten Jungfer, würde freiwillig hierher kommen? Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als zwei Gläser mit hellem Klang aneinandergestoßen wurden.

      „Wir wollen anfangen, damit es nicht wieder so spät wird wie beim letzten Mal“,

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