Schwingen des Adlers. Anna-Irene Spindler

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Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler

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Haken ist Saas Gurin. Auf meine Stellenanzeigen haben sich mehr als dreiundzwanzig Erzieherinnen und sechs Erzieher gemeldet. Aber als ich ihnen mitteilte, wo ihre neue Arbeitsstätte liegen wird, haben sie alle ohne Ausnahme abgelehnt. Sie sind die Erste, die überhaupt bereit war nach Saas Gurin zu kommen und sich den Kindergarten und die Wohnung anzusehen.“

      Jetzt war Sophia hellhörig geworden.

      „Was stimmt denn mit Saas Gurin nicht? Gibt es da etwas, das ich unbedingt wissen müsste? Sie wissen schon was ich meine: Fremdenhass, eine bestimmte Sekte, Inzucht - um was handelt es sich?“

      Pfarrer Maierhofer lachte schallend los. Als er sich wieder beruhigt und die Tränen abgewischt hatte, tätschelte er ihren Arm und meinte:

      „Nichts von alledem. Das dürfen Sie mir ohne Weiteres glauben. Es ist das äußere Umfeld. Keine Einkaufsmöglichkeiten. Nur ein winziger Tante-Emma-Laden. Kein Arzt. Keine Schule. Sie haben ja selbst gesehen, wie weit es bis nach Oberkirch ist. Von November bis Ende März liegt hier oben Schnee. Der Bus, der sechsmal am Tag fährt, kommt zwar auch im Winter herauf. Also so richtig eingeschneit und von der Welt abgeschnitten ist man hier höchstens ein oder zwei Tage im Jahr. Aber trotzdem ist es eine Tatsache, dass man ab und zu das Gefühl hat, die restliche Welt hätte Saas Gurin einfach vergessen. Da gibt es nur ganz wenige Menschen, die soviel Abgeschiedenheit und Einsamkeit auf Dauer ertragen können, vor allem wenn man es nicht von klein auf gewöhnt ist. Ich denke das ist der Grund, warum keiner hier arbeiten will.“

      Er musterte Sophia um zu sehen welche Wirkung seine Schilderung auf sie hatte. Aber er konnte in ihrem Gesicht keinerlei Regung feststellen.

      So sah er auf seine Uhr und sagte erschrocken:

      „Oje, ich habe die Zeit vergessen. Der Bus fährt in fünfzehn Minuten und ich muss vorher noch in der Kirche vorbei. Da muss ich mich ganz schön beeilen, wenn ich den Bus noch erwischen will. Soviel ich weiß hat Anna irgendwelche Sachen zum Essen in den Kühlschrank geräumt. Ansonsten können sie in dem kleinen Laden Brot, Semmeln und auch Wurst kaufen. Einen Gasthof gibt es auch und im Hotel finden Sie natürlich auch ein Restaurant. Ich möchte Sie bitten, sich alles in Ruhe anzusehen. Damit meine ich natürlich nicht nur den Ort, sondern auch den Kindergarten und das Büro.“

      Er gab ihr die Schlüssel und verabschiedete sich herzlich. Als er schon halb die Treppe hinuntergeeilt war, drehte er sich noch einmal um und rief:

      „Am Samstagnachmittag komme ich wieder herauf. Aber Sie können mich selbstverständlich auch schon vorher in Oberkirch erreichen.“

      Noch bevor sie etwas erwidern konnte, war er schon die restlichen Stufen hinuntergestiegen und marschierte im Eilschritt die schmale Straße zurück in Richtung Kirche.

      Sophia sah kurz auf den Schlüsselbund in ihrer Hand, schob ihn dann in die Hosentasche und stieg ebenfalls die Stufen hinunter, um ihre Tasche aus dem Auto zu holen.

      IX.

      „Hallo Beat! Was führt dich denn mitten in der Woche nach Saas Gurin?“ Pfarrer Maierhofer blickte suchend zur Seite.

      Mark Suttner schloss die Tür de Tourist-Information und kam mit einem Pack Blättern in der Hand auf ihn zu.

      „Ach du bist es, Mark! Stell dir vor, die Erzieherin, die sich auf meine Stellenausschreibung gemeldet hat, ist heute gekommen. Ist das nicht wunderbar?“, verkündete der Angesprochene. „Ich habe ihr Alles gezeigt und bin jetzt auf dem Heimweg.“

      „Und, gefällt ihr der Kindergarten?“

      Der Pfarrer nickte. Mit einem verschmitzten Lächeln fügte er hinzu:

      „Aber noch besser gefällt ihr die Wohnung. Ich habe das Gefühl, dass sie hierbleiben wird.“

      Mark klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.

      „Meinen Glückwunsch! Das wäre eine feine Sache für Saas Gurin. Die Leute werden begeistert sein, wenn der Kindergarten endlich wieder geöffnet ist. Dann hört hoffentlich auch das Gemaule auf, dass wir damals beim Bau des Kindergartens zu viel Geld ausgegeben hätten.“

      Beat Maierhofer musterte seinen Gegenüber aufmerksam.

      „Und wie geht es dir?“

      Ein leichtes Lächeln huschte über Mark Suttners Gesicht. Ihm war der besorgte Unterton in der Frage nicht entgangen.

      „Mir geht es gut“, antwortete er. „Ich habe gerade die restlichen Unterlagen für Kanada zusammengesucht.“

      Mark deutete auf die Zettel, die er in der Hand hielt.

      „Kanada?“ Fragend schaute ihn der Pfarrer an.

      „Habe ich dir das gar nicht erzählt? Ich fliege übermorgen für vier Wochen nach Edmonton. Zehn Tage lang leite ich Seminare an der Uni in Edmonton. Danach betreue ich noch Kurse für Park-Ranger im Banff-Nationalpark. Anscheinend haben meine Artikel über das Auswildern von Greifvögeln den Weg bis nach Kanada und in die USA gefunden. Sogar einige Ranger aus Kalifornien haben sich angemeldet. Sie haben an der Westküste offensichtlich massive Probleme mit ihrem Bestand an Kalifornischen Kondoren. Ich freue mich schon unheimlich. Das wird sicher eine tolle Sache werden.“

      Ein Leuchten erhellte Marks Gesicht und seine blauen Augen strahlten mit dem Blau des Himmels um die Wette.

      „Du und deine Geier!“, lachte der Pfarrer.

      Er wusste nur zu gut, dass Mark Suttner Greifvögel beinahe noch mehr liebte als die Berge.

      Der Bus fuhr die Dorfstraße herauf, wendete auf dem Marktplatz und hielt neben den beiden Männern.

      „Mach’s gut, mein Junge! Und komm nur nicht auf die Idee, dass es in Kanada eventuell schöner sein könnte als hier“, sagte Beat, klopfte Mark auf die Schulter und stieg in den Bus.

      Mark Suttner hob die Hand zum Gruß und machte sich auf den Heimweg.

      Als er seine Haustüre aufsperrte, wanderte sein Blick über die Fassade seines Hauses. Sie sah irgendwie kahl aus. Wirklich komisch, dass ihm das nicht schon längst aufgefallen war. Früher hatten immer Blumenkästen die Fenster geschmückt. Wenn er wieder aus Kanada zurück war, würde er Gina fragen, wo man diese typischen Balkonblumen kaufen konnte. Vielleicht half sie ihm ja sogar beim Einpflanzen.

      Seinen großen Trekkingrucksack hatte er gestern schon gerichtet. Als er im Geiste noch einmal kontrollierte, was er alles eingepackt hatte, beschloss er ganz spontan doch noch wenigstens eine Krawatte mitzunehmen. Zumindest am ersten Tag, wenn er sich in der Universität vorstellte, konnte es nichts schaden, gediegen und solide zu wirken. Seine Aufzeichnungen, die Reiseunterlagen und sein Notebook packte er in eine braune Ledertasche. Sie wirkte zwar schon reichlich schäbig, war aber ungeheuer praktisch.

      Erleichtert stellte er seine Sachen in den Hausgang. Das Packen war für ihn immer das Schlimmste.

      Er nahm eine abgewetzte Lederweste vom Garderobenhaken und zog sie an. Während er sie zuknöpfte ging er in die Küche. Aus dem Kühlschrank holte er eine kleine Plastikschüssel. Er öffnete sie und füllte den Inhalt - es waren kleingeschnittene, rohe Fleischstücke und Knochen - in eine kleine Ledertasche, die auf dem Kühlschrank gelegen hatte. Mit zwei Druckknöpfen befestigte er die Tasche an seinem Gürtel. Ein Fernglas und ein fester Lederhandschuh

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