Schwingen des Adlers. Anna-Irene Spindler

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Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler

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war eine attraktive Frau. Das enganliegende, nachtblaue, trägerlose Samtkleid, das sie sich für Katies Abiturball genäht hatte, stand ihr ausgezeichnet. Sehr zu Katies Beruhigung hatte sich ihre Mutter in keinster Weise affektiert und betont jugendlich albern benommen, wie es bei einigen anderen Müttern passiert war, die nach ein paar Gläsern Sekt hemmungslos mit jedem männlichen Wesen im Umkreis geflirtet hatten. Sophia war fröhlich, aufgekratzt und charmant gewesen, aber nie peinlich ordinär.

      Katie sah ihre Mutter über die beiden Kerzen hinweg an.

      „Hast du eigentlich nie daran gedacht wieder zu heiraten?“

      Es war nicht das erste Mal, dass Katie sich Gedanken darüber gemacht hatte. Aber bisher hatte sie nie mit ihrer Mutter darüber geredet.

      Überrascht musterte Sophia ihre Tochter.

      „Wie kommst du denn auf einmal darauf?“

      „Nur so. Es interessiert mich einfach.“

      „Nein! Ich habe nie daran gedacht wieder zu heiraten“, antwortete Sophia nach einem kurzen Zögern.

      „Warum nicht?“

      „Weil ich bisher noch keinem Mann begegnet bin, der mich so beeindruckt hätte, dass ich auf eine solche Idee gekommen wäre.“

      Ein leises Lächeln huschte über Katies Gesicht.

      „Du hast Papa sehr gern gehabt.“

      „Oh ja, das habe ich!“ Sophias Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.

      „Er hatte vermutlich genauso viele Fehler wie jeder andere Mensch. Aber wir waren nicht lange genug zusammen, dass sie mich aufgeregt hätten. Unsere Ehe war so furchtbar kurz. Gewohnheit und Alltag konnten ihr noch nichts anhaben.“

      Katie nahm einen Schluck aus ihrem Glas.

      „Kann es sein, dass du seit fünfzehn Jahren mit keinem Mann mehr geschlafen hast?“ Neugierig musterte sie ihre Mutter.

      Eine leichte Röte huschte über Sophias Gesicht, als sie ihrer Tochter fest in die Augen sah und antwortete:

      „Richtig! Ein paar Mal war ich zwar nahe dran, aber im letzten Augenblick habe ich dann doch jedesmal einen Rückzieher gemacht.“

      „Und das kann man aushalten?“

      Ungläubiges Staunen schwang in Katies Frage mit.

      „Wie du siehst.“ Sophia musste über das entsetzte Gesicht ihrer Tochter lachen. Nach einer kurzen Pause, in der sie mit gerunzelter Stirn nachdachte, war sie in der Lage ihre Gefühle und Gedanken in Worte zu fassen.

      „Gleich nach Stefans Tod war der Verlust einfach übermächtig. Ich verspürte diese Leere nicht nur wenn ich nachts allein in unserem Ehebett lag, sondern sie umgab mich jede einzelne Sekunde des Tages. Dann irgendwann fing ich an von ihm zu träumen. Ich gewöhnte mir an, meine Hand auf das leere Kopfkissen neben mir zu legen, die Augen zu schließen und mir vorzustellen, er wäre da. Und wenn ich dann einschlief, war er tatsächlich in meinen Träumen bei mir. Ich konnte die Wärme seines Körpers spüren und seine Zärtlichkeiten. Die Träume waren so real, dass ich am nächsten Morgen, nach dem Aufwachen, wirklich das Gefühl hatte eine Liebesnacht hinter mir zu haben. Ich weiß nicht mehr genau wie lange das so ging. Ein halbes Jahr, ein Jahr, zwei Jahre. Auf jeden Fall wurden diese Träume dann immer seltener. Schließlich hörten sie ganz auf. Im letzten dieser Träume hatte der Mann, der mir einen Höhepunkt nach dem anderen schenkte, nicht mehr das Gesicht deines Vaters. Es war ganz einfach irgendein Mann. Der Gedanke, dass mich ein anderer Mann auch nur anfassen oder gar küssen könnte, war mir eigentlich unerträglich. Und doch hatte ich von hemmungslosem Sex mit einem x-beliebigen Kerl geträumt. In den darauffolgenden Wochen hat mich das schlechte Gewissen beinahe aufgefressen. Ich wurde das Gefühl, Stefan verraten und betrogen zu haben, nicht los. Aber auch das ging vorbei. Und jetzt ist es so, dass ich mich kaum noch daran erinnern kann, wie es ist, mit einem Mann zu schlafen. Ich habe auch nicht wirklich das Gefühl etwas zu vermissen. Und wie gesagt, ich habe bisher auch keinen getroffen, der mir wieder Schmetterlinge im Bauch verursacht hätte.“

      Ein erleichterter Ausdruck trat in Katies Gesicht.

      „Dann bin also nicht ich der Grund, dass du dir keinen neuen Mann gesucht hast?“

      „Aber natürlich nicht, mein Schatz! Wie kommst du nur auf eine so absurde Idee? Im Gegenteil! Als ich Stefans Tod nach einigen Jahren endlich akzeptiert hatte, hätte ich dir liebend gern einen Ersatzvater präsentiert, damit du in einer richtigen Familie aufwachsen kannst. Aber der Passende ist mir einfach nicht über den Weg gelaufen.“

      „Was nicht ist, kann ja noch werden“, neckte Katie ihre Mutter.

      „Vielleicht findest du in Gabun im Urwald einen vergessenen Tarzan, den kannst du mir ja dann vorbei schicken“, lachte Sophia und nahm einen tiefen Schluck aus dem Rotweinglas.

      Der nächste Morgen brachte eine so hektische Betriebsamkeit, dass für ausgedehnten Abschiedsschmerz gar keine Zeit blieb.

      Erst als sich Katie an der Passkontrolle noch einmal umdrehte, ihr zuwinkte und dann durch den Metalldetektor verschwand, wurde Sophia bewusst, dass sich in diesem Augenblick der Hauptinhalt ihres Lebens für immer verabschiedet hatte. Selbst wenn Katie in einem Jahr wiederkäme, würde es nie mehr so sein wie früher. Ihr kleines Mädchen war soeben auf Nimmerwiedersehen aus ihrem Leben hinaus gegangen. Mit ein wenig Glück würde sie vielleicht als Freundin wieder zu ihr zurückkommen. Aber auch nur vielleicht! Und was jetzt?

      Wie hatte Schwester Marie-Agnes so schön gesagt:

      ‚Neue Aufgaben und Herausforderungen werden auf dich zukommen!‘

      Die hatte leicht reden. Was konnte das Leben schon noch Aufregendes für eine achtunddreißigjährige, verwitwete Erzieherin bereit halten?

      Mit einem tiefen Seufzer drehte sie sich um und trottete mit hängenden Schultern zum Ausgang des Flughafens.

      VII.

      Sophia behielt recht. Die folgenden zwei Wochen waren entsetzlich trostlos. Weder das Lachen der Kinder in ihrer Gruppe, noch der strahlende Sonnenschein konnten ihren Trübsinn vertreiben. Selbst Marie-Agnes` spöttische Bemerkungen ob ihrer Trauermiene, ließen nur kurz ein schiefes, zaghaftes Grinsen über ihr Gesicht huschen. Die Tage kamen ihr allesamt gleichförmig, grau und freudlos vor.

      Am schlimmsten war immer die Rückkehr in ihre leere Wohnung.

      Kein fröhliches ‚Hi Mum, wie war es denn?‘ hallte ihr entgegen. Im Bad lagen keine stinkenden Socken und schmuddeligen Unterhosen mehr auf dem Boden. Nirgends standen pappige, verkrustete Müslischüsseln herum. Und die Fernbedienung des Fernsehers war immer dort wo sie hingehörte. Es war entsetzlich!

      Schließlich war Sophia so verzweifelt, dass sie zum Flughafen fuhr, in der Absicht den nächstbesten Flug nach Gabun zu buchen. Erst als sie am Schalter, der Fluggesellschaft stand und die Dame sie freundlich nach ihren Wünschen fragte, kam sie zur Besinnung. Entsetzt über sich selbst schüttelte sie den Kopf, drehte sich auf dem Absatz um und ließ die verdutzte Dame hinter dem Tresen einfach stehen.

      Sie war eine erwachsene Frau. Trotzdem ließ sie sich von etwas so Selbstverständlichem

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