Schwingen des Adlers. Anna-Irene Spindler

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Schwingen des Adlers - Anna-Irene Spindler

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schreiben. Das Ganze ist schon sehr Nerven aufreibend.“

      Schwester Marie-Agnes schmunzelte und meinte: „Sei froh, dass sie heute nur noch in fünf Fächern Abitur machen und nicht wie wir früher in allen.“

      „Dann wäre ich wahrscheinlich zu euch ins Kloster gezogen, um dieser Heimsuchung zu entgehen“, lachte Sophia.

      „Hat Katie eigentlich schon wieder etwas wegen dieser Sache in Afrika gehört?“

      Die Frage klang ziemlich beiläufig. Aber Marie-Agnes beobachtete dabei Sophia ganz genau. So entging ihr auch das leise Zucken nicht, das um deren Mundwinkel huschte, ehe sie antworten konnte.

      „Vorgestern hat sie die Zusage bekommen. Sie kann am 1. Juli anfangen. Katie ist fast ausgeflippt vor lauter Freude. Nachdem sie sich mit der Antwort so lange Zeit gelassen haben, hatte sie überhaupt nicht mehr damit gerechnet, dass es doch noch klappen könnte.“

      Schwester Marie-Agnes strahlte. Sie war es gewesen, die Katie von dem Projekt ihres Ordens in Gabun erzählt hatte.

      Die Franziskanerinnen hatte dort eine Dorfgemeinschaft für Leprakranke gegründet. Eine Farm, ein kleiner Handwerksbetrieb und ein eigene Krankenstation waren schon länger vorhanden. Und jetzt war noch eine Grundschule hinzu gekommen.

      Schwester Marie-Agnes hatte Katie von den Schwierigkeiten erzählt, einen Lehrer zu finden, da niemand bereit war bei den Leprakranken zu arbeiten. Katie, die bisher sowieso noch keine konkreten Vorstellungen davon hatte, was sie mit ihrem Abitur eigentlich anfangen wollte, war sofort hellhörig geworden. Sie wollte ein paar Monate irgendwo als Kellnerin oder Kassiererin arbeiten, um sich Geld zu verdienen und in Ruhe darüber nachzudenken, was für sie das Richtige wäre. Warum also nicht ins Ausland gehen, die Französischkenntnisse vertiefen, ein bisschen Geld verdienen und so ganz nebenbei auch noch ein gutes Werk tun? So hatte sie sich mit Marie-Agnes´ Hilfe bei der Leitung der Missionsabteilung des Ordens beworben. Trotz einer entsprechend langen Wartezeit hatte sich offenbar kein besser qualifizierter Bewerber gemeldet, so dass Katie schließlich eine Zusage für zwölf Monate erhalten hatte.

      Sie würde am 1. Juli nach Gabun fliegen, in der Hauptniederlassung der Franziskanerinnen einen vierwöchigen Crashkurs in den wichtigsten Landesdialekten bekommen und danach ihre Arbeit in der Lepragemeinschaft aufnehmen. Ihre hervorragenden Französischkenntnisse hatten den Ausschlag gegeben. Auch die Tatsache, dass sie während der Ferien immer wieder im Kindergarten als Aushilfe gearbeitet hatte und somit über gewisse Grundlagen im Umgang mit Kindern verfügte, hatten wohl auch noch mit dazu beigetragen, dass man sie ohne pädagogische Ausbildung genommen hatte.

      Als Sophia von den Plänen ihrer Tochter erfuhr, war sie nicht übermäßig erfreut. Aber es wäre ihr nicht einmal im Traum eingefallen, Katies Begeisterung durch mütterliche Bedenken, Einwände und besserwisserische Wenn und Abers zu zerstören. Sophia hatte vor neunzehn Jahren gegen den Willen der Eltern ihr eigenes Leben - zugegebenermaßen nicht ganz freiwillig - selbst in die Hand genommen und es nicht eine Sekunde bereut. Das gleiche Recht gestand sie heute ihrer Tochter zu. Obwohl sie zugeben musste, dass sie im Stillen auf eine Absage gehofft hatte.

      „Ich freue mich so für das Mädchen. Ich weiß, dass es ihr gefallen wird. Sie wird ihre Sache gut machen. Davon bin ich fest überzeugt“, meinte Schwester Marie-Agnes und fügte mit einem prüfenden Blick auf Sophia hinzu „das siehst du doch auch so, oder?“

      Sophia sah zu der Ordensschwester, die noch immer auf dem Spieltisch saß, hinunter und musste lächeln. Man konnte ihr nichts vormachen. Der aufmerksamen Beobachtung und dem wachen Verstand entging nichts. Sophia dachte einen Augenblick nach, ehe sie die Frage beantwortete.

      „Ja. Katie wird das sicher hinkriegen.“

      „Aber?“ Wie aus der Pistole geschossen kam das Wort aus Marie-Agnes` Mund. Sie zog die Augenbrauen in die Höhe und sah Sophia auffordernd an.

      „Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege.“

      Sophia machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr.

      „Neunzehn Jahre lang habe ich auf die Selbständigkeit meiner Tochter und meine eigene Unabhängigkeit hingearbeitet. Ich habe mir ausgemalt wie es wohl sein würde, wenn ich wieder mein eigener Herr sein werde. Wenn ich endlich all das nachholen kann, was ich in meiner Jugend versäumt habe. Jetzt ist es soweit und ich habe keinen blassen Schimmer, was ich mit meiner Freiheit anfangen soll. Ja ich weiß noch nicht einmal, ob ich überhaupt unabhängig sein möchte. Nach Stefans Tod war Katie mein einziger Lebensinhalt. Es war mein oberstes Ziel aus ihr einen lebenstüchtigen, selbständigen Menschen zu machen. Das ist mir ja wohl gelungen. Und was jetzt?“

      „Das ist doch ganz einfach!“

      Marie-Agnes stand auf, nahm Sophias Hand und umschloss sie mit ihren beiden Handflächen.

      „Du musst dir ein neues Ziel, einen neuen Lebensinhalt suchen. Du hast dein Leben bisher mit Bravour gemeistert und das war wirklich alles andere als einfach. Du bist noch jung. Schneller als du denken kannst werden neue Aufgaben und Herausforderungen auf dich zukommen.“

      „Meinst du?“ Die Skepsis war mehr als deutlich aus Sophias Frage heraus zu hören.

      „Ja das meine ich! Kannst einer alten Frau ruhig auch mal etwas glauben“, sagte die Ordensschwester mit einer Bestimmtheit in der Stimme, die jeden aufkommenden Zweifel an ihren Worten im Keim erstickte.

      V.

      Mark zog die Tür der Berghütte hinter sich zu und seufzte erleichtert.

      Warum nur mussten die Menschen immerzu plappern?

      Seit sie heute Morgen Saas Gurin verlassen hatten, hatte ständig irgendeiner seiner Schützlinge geredet. Sobald der Eine fertig war, hatte der Nächste angefangen. Pausenlos!

      Und am schlimmsten war Josi, die Journalistin!

      Er hatte sich seiner Gruppe noch gar nicht richtig vorgestellt, da hatte sie ihm freudestrahlend die Hand geschüttelt und ihm mitgeteilt, dass ihr Name Johanna Schiller wäre, sie Josi aber wesentlich passender fände und sich im Übrigen wahnsinnig freue ihn kennenzulernen und absolut sicher wäre, dass sie zwei gaaaanz tolle Tage verleben würden.

      Das alles hatte sie gesagt, ohne auch nur ein einziges Mal Luft zu holen. Es war schon irgendwie beeindruckend! Vermutlich wurde sie in ihrem Job nach der Anzahl der Wörter bezahlt, die sie im Laufe eines Monats von sich gab. Dann war sie auf jeden Fall die bestbezahlte Person weltweit!

      Einige Schritte von der Hütte entfernt ließ er sich auf einem großen Felsbrocken nieder. Er streckte sein rechtes Bein aus und bewegte es vorsichtig hin und her. Während des Aufstiegs hatten ihn zwischendurch so fürchterliche Wadenkrämpfe geplagt, dass er nahe daran gewesen war, wieder umzukehren. Aber der Gedanke an Thomas’ hämisches Grinsen und sein ‚Hab ich dir doch gleich gesagt!‘ hatten seinen müden Beinen jedes Mal wieder neuen Schwung verliehen.

      Jetzt war er zwar rechtschaffen müde, aber es machte sich doch eine gewisse Genugtuung in ihm breit. Er hatte das selbstgesteckte Ziel erreicht. Es war aber trotzdem ein Jammer, wie schnell er seine Fitness eingebüßt hatte. Ein richtiges Weichei war aus ihm geworden!

      Vor seinem Unfall im Dezember war er topfit gewesen. Aber dem langen Untätigsein während des Winters musste er jetzt Tribut zollen.

      Mark lächelte versonnen vor sich hin, während er sein Bein massierte.

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