Auf gute Nachbarschaft. Ben Worthmann

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Auf gute Nachbarschaft - Ben Worthmann

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das Telefon aus der Hand legte, spürte sie Freude und auch ein bisschen Triumph. Jetzt würde es laufen, da war sie sicher.

      3.

      Christina war gespannt auf den Abend bei ihren Nachbarn. Kerstin Berger hatte „ein fantastisches Menü“ und guten Wein versprochen. „Wir müssen doch gebührend auf unser Kennenlernen anstoßen“, hatte sie lachend gemeint. Christina mochte die beiden. Ein schickes Paar, hatte sie schon oft gedacht – immer freundlich, stets bereit, ein paar Sätze zu wechseln oder auch nur einen guten Tag oder guten Weg zu wünschen. Ihr Sohn Hannes war ein aufgeweckter Junge und hatte bereits Interesse an Marie und Paul bekundet. Die drei hatten einander kurz beschnuppert und schnell für akzeptabel befunden. „Der ist voll okay“, hatte Paul erklärt. Christina war froh, dass die beiden so rasch einen neuen Freund gefunden hatten. Wieder einmal musste sie denken, wie beneidenswert unbefangen und unkompliziert Kinder doch sein konnten.

      Christinas Unterhaltungen mit den Nachbarn hatten sich bisher immer zufällig ergeben, wenn man einander über den Weg lief. Und zu mehr als einem Austausch von ein paar freundlichen Banalitäten war es dabei nicht gekommen. Sie hatten über das schöne Spätsommerwetter gesprochen, über die immer noch nicht vollständig ausgepackten Umzugskartons, die Herbstbepflanzung für die Gärten. Die Bergers wollten einen Gärtner kommen lassen und Christina hatte leicht amüsiert gedacht, dass das irgendwie zu ihnen passte, genau wie die tadellos gepflegten teueren Autos und die elegante Kleidung.

      Ob Kerstin Berger wohl Jeans in ihrem Kleiderschrank hatte? Christina konnte es sich kaum vorstellen. In mancherlei Hinsicht schienen die Bergers nun mal andere Prioritäten zu setzen als sie und Jan. Doch Christina war weit davon entfernt, ihre neue Nachbarin deswegen gleich als oberflächlich abzustempeln. Für sie selbst gehörten Kleider und Kostüme zwar nicht gerade zum Alltagsoutfit, aber Frau Berger standen sie und sie sah darin immer gut aus. Und mehr darüber nachzudenken oder gar irgendwelche Charaktereigenschaften daraus abzuleiten, negative womöglich, lohnte einfach nicht.

      Bisher gab es für Christina nichts zu bekritteln, ganz im Gegenteil. Gerade erst, als sie nachmittags außerplanmäßig zu einer Schulkonferenz gemusst hatte und ihre Eltern nicht verfügbar waren, hatte sich Kerstin Berger ohne Zögern bereiterklärt, die Zwillinge für ein paar Stunden zu beaufsichtigen. Das sei doch selbstverständlich, hatte sie versichert und Christina spürte, dass es ihr Freude machte, helfen zu können. „Die Mama von Hannes ist echt cool“, hatte Marie am Abendbrottisch erklärt. Christina war der gleichen Meinung. Und sie war ehrlich dankbar. Genau so stellte sie sich eine gute Nachbarschaft vor.

      Christina war bereits startklar für den Abend, als Jan aus dem Garten kam. Er wollte ein Rosenbeet anlegen und hatte einige Vorarbeiten erledigt. Sie hatte derweil geduscht, sich sorgfältig geschminkt und ein schlichtes weißes Sommerkleid angezogen, das eng anlag und ihre schlanke Taille und die hübschen Beine zur Geltung brachte. Während sie die Kinder zu ihren Eltern brachte, wo sie übernachten durften, konnte auch Jan sich in Ruhe duschen und umziehen. Christina hatte zusätzlich zu dem Wein, den Jan dann doch noch besorgt hatte, eine lilafarbene Hortensie in einem Terracottatopf für die Bergers gekauft. Zum Winter konnte sie in den Garten ausgepflanzt werden. Und mit ein bisschen Glück würde in ein paar Jahren ein richtiger Busch daraus werden.

      Als sie die Straße überquerten, wurde die Haustür bereits geöffnet und Andreas Berger hieß sie lachend und wortreich willkommen. Er nahm Jan den schweren Blumentopf aus den Händen und stellte ihn neben der Tür ab. Kerstin Berger tauchte hinter ihm auf, auch sie strahlte. „Wie schön, dass Sie da sind“, sagte sie herzlich und bedankte sich für die Pflanze. Und dann saßen sie auch schon an dem großen Esstisch, jeder mit einem Glas Sekt in der Hand, und stießen auf einen schönen Abend an.

      Frau Berger entschuldigte sich, sie habe noch ein paar Handgriffe in der Küche zu erledigen. Christinas Hilfe lehnte sie ab. Herr Berger hatte bereits nach kurzer Zeit Fahrt aufgenommen und dozierte über Eichenholzparkett, Carrara-Marmor und Kirschlorbeer-Anpflanzungen. Während Christina versuchte, wenigstens mit einem Ohr zuzuhören, ließ sie ihren Blick durch das große, lichtdurchflutete Wohnzimmer schweifen. Was sie sah, gefiel ihr: Möbel aus Pinienholz, das schlichte weiße Sofa mit dazu passenden Sesseln, die Bilder an den Wänden, die zwei Stehlampen, die elegante Glasvitrine. Alles wirkte gediegen und sorgfältig ausgesucht. Und, wer hätte das gedacht, es gab sogar ein Bücherregal. Bestimmt würde Jan irgendwann hingehen und sich anschauen, was diese Leute so lasen.

      Das Essen war in der Tat vorzüglich. Es gab eine Pfifferlingsuppe, Rinderbraten in Rotweinsoße, Kartoffelgratin und Salat. Das Walnusseis zum Dessert war selbstgemacht. Die Gastgeberin hatte sich sichtlich viel Mühe gemacht, auch mit dem festlich gedeckten Tisch. Christina wagte es kaum, ihre Lippen mit den blendend weißen Servietten abzutupfen. Stoffservietten, so etwas gab es in ihrem eigenen Haushalt gar nicht.

      Die Unterhaltung verlief ohne Stocken, dafür sorgte schon Andreas Berger, der sich als so etwas wie der Alleinunterhalter erwies. Es schien fast, als hätte er Angst davor, dass plötzlich ein Moment des Schweigens eintreten könnte. Christina und Jan erfuhren, dass er nicht nur kochen konnte – das Gratin war von ihm -, sondern auch ein äußerst versierter Heimwerker war. Bei der Innenausstattung hatte er selbst Hand angelegt und für die nächsten Wochen plante er, noch so einiges für das Gästezimmer anzufertigen. Christina saß ihm gegenüber. Sie fand, dass er auch in Polohemd und Jeans gut aussah, vielleicht sogar noch besser als in seinen Maßanzügen. Er hatte sehr gepflegte Hände und Fingernägel. An der rechten Hand trug er einen schmalen goldenen Ehering, was in Christinas Augen einen weiteren Pluspunkt ausmachte. Sie schätzte es, wenn Männer, für jeden sichtbar, ihre Verbundenheit mit ihrer Frau erkennen ließen.

      Als weniger angenehm empfand sie seine Unruhe. Sein Körper schien dauernd in Bewegung zu sein. Er gestikulierte mit Armen und Händen, oft strich er sich durch das dunkle, kurzgeschnittene Haar. Es kostete ihn sichtlich Mühe, anderen zuzuhören, alles schien ihm viel zu lange zu dauern. Sein Blick hatte etwas Unstetes. Ein paarmal versuchte Christina, ihm fest in die Augen zu sehen, wenn sie ihn direkt ansprach. Aber er wich aus, konnte ihrem Blick nicht standhalten. Ein- oder zweimal legte ihm seine Frau die Hand auf den Arm und meinte lächelnd, jetzt sei sie aber mal dran.

      Schließlich forderte er Jan zu einer Hausbesichtigung auf. Oh Gott, dachte Christina, die beiden allein, hoffentlich geht das gut. Schon den ganzen Abend hatte sie immer wieder registriert, dass Jan sich offenkundig unbehaglich fühlte. Kaum verhohlen schaute er häufig auf seine Armbanduhr, beteiligte sich kaum an den Gesprächen und wenn, dann wortkarg und lustlos. Tatsächlich zögerte er einen Moment, bevor er sich betont langsam aus seinem Sessel erhob und Andreas Berger mit einem gequälten Lächeln zum Treppenhaus folgte.

      Christina empfand das Alleinsein mit Kerstin Berger als regelrechte Erholungspause. Endlich gab es eine Gelegenheit, in Ruhe zu plaudern. Es stellte sich heraus, dass sie beide in dieser Stadt geboren und aufgewachsen waren, während ihre Männer vor längerer Zeit zugezogen waren. Kerstin Berger war siebenunddreißig, ihr Mann zweiundvierzig, zwei Jahre jünger als Jan. Vor acht Jahren hatten sie geheiratet, weitere Kinder waren nicht geplant.

      „Woher stammt denn Ihr Mann eigentlich?“, wollte Christina wissen.

      „Von ziemlich weit her, aus Altenstedt“, antwortete Kerstin Berger. „Und Ihrer?“

      Christina musste kurz schlucken.

      „Na so was“, sagte sie schließlich, „das ist ja wirklich ein Zufall. Meiner auch.“

      Kurz vor dem Aufbruch, es ging bereits auf Mitternacht zu, hob Andreas Berger sein Weinglas und schlug vor, dass man sich doch einfach duzen solle. „Schließlich müssen wir ja die nächsten Jahrzehnte miteinander auskommen“,

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