Kurswechsel. Gerd Eickhoelter

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Kurswechsel - Gerd Eickhoelter

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      Der Traum

      Zielgerichtet bewarb ich mich 1959 bei der Deutschen Seereederei Rostock (DSR) als Maschinenassistent.

      Die Abschlussnoten der elften Klasse waren gut und ich hatte alle Voraussetzungen, das Abitur mit gleichem Erfolg abzuschließen.

      Mein Bruder fuhr als Koch zur See. Frühe Berührungspunkte waren somit gegeben und ich konnte mich von der Realität meines Traumberufes vorab überzeugen.

      Von der Oberschule wurde für mich ein Direktstudium angestrebt. 80% unserer Abiturklasse sollten studieren, hatte doch Walter Ulbricht gesagt: ‚Der Arbeiter der Zukunft braucht das Wissen des Ingenieurs‘.

      Ich wollte meinen Weg über die Praxis nehmen, denn nur die Kenntnis des Berufes kann mich zu einem guten Ingenieur werden lassen. Diese Einsicht war das Ergebnis zahlloser vorangegangener Gespräche mit meinem Vater und seinen Freunden.

      Im September 1960 begann ich meine Berufsausbildung in der Volkswerft Stralsund. Ziel war der Facharbeiterabschluss als Maschinenschlosser.

      Die Ausbildung erfolgte fremdbetrieblich für die DSR und war ausgerichtet auf den späteren Bordeinsatz. Fachliche Schwierigkeiten kannte ich nicht.

      Bereits nach zwei Jahren erhielt ich mein Facharbeiterzeugnis im vorzeitigen Abschluss, eine Folge ausgezeichneter Leistungen.

      Schon in dieser Zeit berührte mich ideologischer Zwiespalt.

      Der in der Schule und Berufsausbildung klar umrissene Weg zum Kommunismus über den angestrebten Sozialismus, streng nach dem Vorbild der Sowjetunion, gemäß der Verfassung der DDR – Artikel 6 § 2 – war für mich in seiner Durchführung sowie seinem Ergebnis nicht so klar und unumstritten, wie er proklamiert wurde. Bereits früh wurden bei kritischem Blick Differenzen ersichtlich.

      Gab es da nicht während meiner Lehrzeit die Aufstellung von GST- Ordnungsgruppen, denen im August 1961, während einer abendlichen Thälmann – Gedenkveranstaltung am Stralsunder Thälmann-Ufer, im Schein hunderter lodernder Fackeln, über Verstärker und Lautsprechersäulen, die Worte entgegen geschleudert wurden: ‚Wir haben jetzt genug geredet, es wird nicht mehr diskutiert, wer unseren Weg nicht beschreiten will, der ist gegen uns, den hau’n wir in die Schnauze!‘

      Es war ein Tag, an dem die Mauer in Berlin gerade einige Tage alt war und die Emotionen im Lande ungezügelt waren. Deutschland war nun unüberwindlich geteilt.

      Es wurde mir bewusst, dass diese Menschen, die in der Öffentlichkeit solche Worte von sich gaben, zur führenden Kraft gehörten – die Macht besaßen. Diese Ausdrücke mit ihrer offenen Aufforderung zur Gewalt verurteilte ich entschieden.

      Mir drängten sich Vergleiche zum Nationalsozialismus auf, wie ich sie Dokumentationen über das ‚Dritte Reich‘ entnommen hatte.

      Ein weiteres Ereignis brannte sich gleichermaßen in meine Erinnerung ein.

      Der Dienst in der Armee war freiwillig, der Wehrdienst existierte noch nicht. Im ganzen Land lief eine Kampagne der Verpflichtung des Einzelnen zum „ Ehrendienst in den bewaffneten Organen“. Es war dies eine Bereitwilligkeitserklärung zum dreijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee (NVA).

      An einem Donnerstag, wenige Tage nach der ominösen Thälmann-Ehrung, wurden alle Lehrlinge meines Ausbildungsbetriebes, der Volkswerft Stralsund, zu einer Vollversammlung in den Speisesaal beordert.

      Es sprach ein Genosse der SED Kreisleitung. Grund der Versammlung war, ausnahmslos von allen Versammelten die Bereitschaft zum dreijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee zu erwirken.

      Im Saal waren etwa einhundertzwanzig Lehrlinge und Meister versammelt. Für die Versammlungsleitung verlief die Diskussion negativ, die Missbilligung durch den Redner war vorprogrammiert. Er versuchte mit allen Mitteln die Unterschriften der versammelten Lehrlinge vollzählig zu beschaffen. Er schimpfte, drohte und seine Ausführungen gipfelten in den Worten: “Es verlässt keiner den Raum, der nicht unterschrieben hat! “ Fast alle Jugendlichen unterschrieben daraufhin eingeschüchtert, wie bei allen derartigen Veranstaltungen, denn Nachteile in der Entwicklung wollte keiner einstecken. Die Kaderakte speicherte so etwas bis zum Rentenanspruch.

      Es verblieben 10 Jugendliche, die nicht unterschreiben wollten. Von uns im Saal verbliebenen zehn wurde eine harte Diskussion über die Unzulänglichkeiten der praktizierten sozialistischen Politik geführt. Ich bin mir sicher, dass jeder seine Würdigung in der Kaderakte erhielt, die ihn fortan begleiten würde.

      Ein Mitlehrling fragte den Redner sehr direkt: “Wenn Ihr die Mehrheit und den Willen aller verkörpert, warum führt Ihr keine geheime Wahl durch, warum wird die Wahlkabine abseits gestellt und deren Benutzung namentlich registriert?“

      Der Genosse der Kreisleitung, durch die offene und teilweise provokante Diskussion aus dem Gleichgewicht gebracht, ließ sich mit überstürzender Stimme zu dem Ausruf hinreißen: “Denken Sie, wir wollen uns durch solch einen Kiki die Macht wieder aus den Händen nehmen lassen?“ -- Stille –

      Zu einer sachlichen Diskussion war keine Seite mehr fähig. Der Versammlungsleitung fehlte es an Profil die Zügel wieder in die Hände zu bekommen, es wurde nur noch mit den Zukunftsaussichten jedes Einzelnen gedroht. Unser Ziel war erreicht, wir hatten nicht unterschrieben. Zehn Unterschriften fehlten dem Betrieb an der vollständigen Bereitschaftserklärung aller Lehrlinge, freiwillig drei Jahre in der Armee zu dienen. Ein fader Beigeschmack blieb.

      Während der Wortwechsel hatte auch ich mein Argument zur Verweigerungshaltung genannt: “Was soll der Begriff freiwillig, wenn man auf diese Art Menschen quasi unfreiwillig freiwillig verpflichtet. Die ganze Erklärung wird zum Hohn degradiert. Warum führt man dann nicht gleich die allgemeine Wehrpflicht ein?“ Somit gehörte ich zu denjenigen in der Bevölkerung, die die Wehrpflicht ‘forderten‘. Bald darauf wurde sie auf 'allgemeinen Wunsch der Bevölkerung‘ von der Volkskammer beschlossen und eingeführt. Man hatte systematisch den Boden vorbereitet.

      Während des ersten Lehrjahres konnten wir die Motorrad-Fahrerlaubnis erwerben, nach erfolgreichem Abschluss dann die Fahrerlaubnis für Lastkraftwagen. Das wäre der Einstieg in ein zweites Standbein, eine berufliche Erweiterung ganz im Vorbeigehen. Veranstalter war die GST.

      Unmittelbar nach der Vollversammlung wurde mir eröffnet, dass ich an der Ablegung der Motorradprüfung nicht teilnehmen dürfe, da es sich um eine vormilitärische Ausbildung handele, ich aber den Ehrendienst in der Armee ablehne.

      Diese Eröffnung warf mich nicht um, es war schade.

      Selbst die Reaktion des Genossen Wagner vom Wehrkreiskommando, bei einem Gespräch mit meinem Freund Werner Harkner versetzte mir keine Angstschauer.

      Werner und ich waren mit der Reinigung von Zylinderköpfen, im Rahmen einer Schiffsmotorenwartung beschäftigt. Wir standen in den Prüfungsvorbereitungen. Am Arbeitsplatz erschien der Genosse Wagner und rief Werner zu sich. Beide hatten in letzter Zeit des Öfteren gemeinsame Gespräche. Werner hatte sich verpflichtet und wollte drei Jahre zur Volksmarine, wenn er seinen Armeedienst ableisten müsse.

      Ich arbeitete also allein weiter.

      Nach geraumer Zeit gesellte ich mich zu den beiden, worauf mich der ‘Genosse‘ Wagner anfauchte: „Du brauchst Dich gar nicht hin zu setzen, mit Dir sprechen wir nicht mehr, Du kommst dahin, wo es knallt!“

      Gemeiner als diese Retourkutsche war

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