Kurswechsel. Gerd Eickhoelter

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Kurswechsel - Gerd Eickhoelter

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Vietnamesen kurz zuvor eine Flak installierten und Abwehrfeuer schossen.

      Unser Kapitän hatte dem Anliegen der Vietnamesen, eine Flak bei uns zu installieren nicht zugestimmt. Der Raketenangriff auf uns war eigentlich auf das Vorschiff eines längsseits von uns liegenden vietnamesischen Arbeitskutters mit Kran gerichtet, der kräftig von seinem Vorschiff aus, beim vorangegangenen Luftangriff, Abwehrfeuer geschossen hatte.

      Der Kutter war gesunken, Von der Flakbesatzung war nur wenig übrig. Das Wenige klebte an der flussseitigen Bordwand bzw. lag auf unserem Hauptdeck. Die zweite Rakete war bei uns durch die geöffnete Luk 5 in den Laderaum gelangt, durch die Bordwand an der Seite zur Pier ausgetreten und auf einem Feuerlöschfahrzeug explodiert. Uns riss es das Loch in die Außenhaut und beschädigte Versorgungsleitungen im Laderaum. Die Feuerwehr, die im Schutze unseres Schiffes neben uns auf der Pier stand, war platt und im an den Laderaum grenzenden Maschinenraum hatten wir erheblichen Schaden.

      Die Besatzung war wohlauf, allerdings hatte der Chief eine Wunde am Handgelenk. Ein feiner Splitter hatte seine Pulsader verletzt und das Blut pulsierte heraus. Ursache war eine Leichtfertigkeit.

      Wir hockten hinter der massiven Bordreling und beobachteten den Luftangriff. Während ich mit einem sehenswerten Hechtsprung in den Aufbauten verschwand, hatte der Chief sich geduckt. Mit einer Hand an einem Entlüftungsrohr oben festhaltend, traf ihn der Stecknadelkopf große Splitter.

      Es war faszinierend wie alles in Zeitlupe ablief, wie der Kranhaken des Auslegers auf dem Kutter ganz langsam fiel, die kleinen grauen Zellen arbeiteten in Höchstform. Meine Fenster zum Hauptdeck waren durchschlagen und auf meiner Koje lagen scharfkantige Stahlsplitter. Es war doch ganz gut, dass ich zu dem Zeitpunkt nicht auf der Koje lag und faulenzte.

      Beim Besuch unseres Schiffes durch den Konsul am Folgetag zeigte dieser fast Enttäuschung, dass keine menschlichen Verluste zu verzeichnen waren. Der Anlass führte zu internationalen Verwicklungen, die ein kurzzeitiges Aussetzen der Luftangriffe zur Folge hatte. Die amerikanische Seite setzte ein Ultimatum von 48 Stunden, damit alle internationalen Schiffe den Hafen verlassen sollten. Das polnische Schiff und andere hielten sich nicht daran. Die Vietnamesen waren verständlich daran interessiert die Schiffe im Hafen zu behalten. Internationale Schiffe an der Pier bedeuteten Schutz.

      Nach Rückkehr von dieser siebenmonatigen Reise waren wir medienwirksame ’Helden‘. Das Besatzungskollektiv erhielt den „Orden Banner der Arbeit“ und von den Vietnamesen den „Orden des Widerstandskampfes 2. Klasse“. Kollektivorden zur Beruhigung, als moralischer Anreiz gedacht.

      Ich fuhr noch mit einigen Schiffen im Asiendienst, war kurzzeitig auf der Schwedenfähre MS „Rügen“ im Saßnitz – Trelleborg – Einsatz und erreichte 1976 mein Traumziel, ich wurde Chief auf einem Typ XD – Schiff mit Aut-24-Ausrüstung. Durch automatische Überwachung des technischen Betriebes konnten diese Schiffe mit verminderter Besatzung fahren. Der Maschinenbetrieb brauchte nicht 24 Std. ununterbrochen manuell gesteuert und überwacht werden, eine automatische 24-Stundenüberwachung war gewährleistet. Die anfallenden Arbeiten konnten in Tagesschicht abgearbeitet werden.

      Die Kontaktfrage mit den Verwandten der westlichen Hemisphäre wurde immer problematischer bei den ständig wiederkehrenden Genehmigungsverfahren zur Erlangung des Sichtvermerkes im Seefahrtsbuch. Ohne Sichtvermerk war es nicht möglich die Seegrenze der DDR zu verlassen. Zuerst wurden die Kapitäne durch die Staatssicherheitsorgane überprüft. 1982 waren die nächsten Vertrauensebenen Funker und Chief an der Reihe. Von mir wurde die Aufgabe jeglicher Westkontakte gefordert, was ich strikt ablehnte. Keine Verwandtenbesuche, keine Briefkontakte, kein Telefongespräch mit Menschen der Bundesrepublik sowie des westlich orientierten Auslands. Ich lehnte die Unterschrift unter diese Erklärung ab.

      Herr Pothmann, Kaderleiter des Flottenbereiches, meinte nur, dass ich dann die Konsequenzen ziehen müsse.

      Ende 1983, fast ein Jahr nach diesem Gespräch, wurde mein Seefahrtsbuch eingezogen.

      Was macht ein Seemann, der nicht mehr in den zum Grenzgebiet gehörenden Hafen darf um ein Schiff zu besteigen, er muss sich einen neuen Job suchen. Das Berufsverbot war perfekt. Ohne gültiges Seefahrtsbuch fehlte mir die Berufsgrundlage. Was nützte mir mein Patent, mit der Befähigung auf Schiffen unbegrenzter Leistung der Chief zu sein, wenn ich es nicht anwenden durfte, die Seegrenzen mir fortan verschlossen bliebe?

      Bei der Einschätzung des sozialistischen Landlebens erlaubte ich mir eine gravierende Fehleinschätzung, die noch schwerwiegende Folgen haben sollte.

      Ich sah alles nicht so sozialistisch, wie es sich mir in der Folgezeit darstellte. Ich behielt meine Einstellung, die ich an Bord in allen Ebenen vertrat, bei.

      Der Seemannsberuf mit seinem bunten, abwechslungsreichen aber auch sehr arbeitsamen Leben und den wunderbaren Erlebnissen soll nicht Gegenstand dieser authentischen Darlegung sein. Den Gegebenheiten der Seefahrt und seiner Geschichten möchte ich ein gesondertes, abgerundetes Buch widmen, welches dem Leser das so viel besungene ‘lose‘ Leben an Bord und in den fremden Häfen näher bringen soll, aber auch die tapferen Ehefrauen und Kinder der Seefahrer die das Seemannslos teilen, in die Gedanken einbeziehen.

      Gedanken zum Landleben

      Meine ersten gravierenden Eindrücke an Land erlebte ich bereits in den ersten zwei Wochen nach meiner Wiedereingliederung in die sozialistische Arbeitsrealität.

      Schon nach 10 Arbeitstagen wurde die erste gesellschaftliche Aktivität von mir erwartet, die Teilnahme an der Gedenkdemonstration anlässlich der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht , am 15.Januar des Jahres 1919.

      65 Jahre später, am 15.01.1984, trafen sich die Kolleginnen und Kollegen unseres Betriebes um lt. Medienberichten mit 200.000 Berlinern in der jährlich wiederkehrenden Demonstration dieser Toten zu gedenken.

      Der Sonntag war nasskalt. Schneetreiben mit Temperaturen um den Gefrierpunkt bestimmte das Wetter. Ein Tag, bei dem man sich infolge oftmaliger Wartezeiten Eisbeine holte.

      Der Treffpunkt am Eiskaffee, nördlich des U-Bahnhofes Schillingstrasse, war passend. In der Toreinfahrt nebenan konnte man Grog kaufen, um sich ein wenig innerlich aufzuwärmen. Er war dünn aber heiß und das half für ein paar Minuten. Die miese Wetterlage drückte auf die Stimmung. Durch politische Witze versuchte man sich etwas aufzuheitern.

      Um 08:45 Uhr hatten wir uns getroffen und eine viertel Stunde später ging es endlich los. In zwei Marschsäulen führte die Demonstration zur ‘Gedenkstätte der Sozialisten‘ in Friedrichsfelde.

      Am S-Bahnhof Frankfurter Allee formierte sich eine dritte Marschsäule aus dem Demonstrationszug - derjenigen, die dem Bahnhofsgebäude zustrebte. Ein Drittel hatte schon jetzt die Nase voll. Wir gingen weiter mit und benötigten fast zwei Stunden bis zur Ehrentribüne.

      Als wir uns der Gedenkstätte näherten machte ich eine fast unglaubliche Beobachtung, die aber Bestandteil der Medienpolitik war.

      Im Seitenflügel des Zentralfriedhofs, dem Teil in dem die Staatslimousinen abgestellt waren, befand sich eine besondere Stütze der Demonstration, wovon viele zusammengerollte Spruchbänder zeugten.

      In regelmäßigen kurzen Abständen entrollten zwei Genossen ein Spruchband und reihten sich in den Demonstrationszug ein. Dieser Vorgang wiederholte sich jeweils nach etwa 30 Metern Vorbeimarsch.

      Ich wollte meinen Augen nicht trauen! Gemeinsam mit uns demonstrierten uns unbekannte, vorbei an Fernsehkameras und der Ehrentribüne, in den Händen Transparente mit normierten Losungen - in unserem Namen!

      Am

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