Kurswechsel. Gerd Eickhoelter

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Kurswechsel - Gerd Eickhoelter

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und die Genossen betraten den Friedhof vom rechten Seitenflügel, überquerten diesen hinter der Tribüne um sich am linken Seitenflügel, nach einer kurzen Raucherpause wieder mit ihrem Transparent in die Demonstration einzugliedern.

      Der Friedhof war abgesperrt, aber ein fünfzackiger großer roter Stern mit Hammer und Sichel am Revers angesteckt gestattete den Zutritt unbürokratisch und fließend.

      Das ganze ähnelte einem Kinderspiel und doch war es sozialistische Wirklichkeit in der DDR.

      Das Bestreben der DDR-Führung in allen Medien auch gute Ergebnisse zum Besseren zu retuschieren, kam hier prägnant zum Ausdruck. Keiner kann sagen, hiervon habe die Führung nichts gewusst. Sollte dieses aber trotzdem der Fall sein, dann muss man ihr Blindheit vorwerfen, sehenden Persönlichkeiten den Platz frei machen. Fast sieben Jahre später setzte sich diese Einsicht durch.

      Ähnliche Erlebnisse bei staatlich organisierten Massendemonstrationen wurden mir später auch von aufmerksamen Beobachtern berichtet.

      Die gesamte DDR-Politik war auf die Reaktion der übrigen Welt ausgerichtet, alles wurde zu einer Show nach außen gestaltet. Kritik von innen durch den politischen Phlegmatismus abgewürgt. Man hatte seine Ruhe, wenn man die allgemeine staatliche Meinung vertrat, das hieß die vorgeschriebene, vom Politbüro über Massenmedien und Parteileitungen oktroyierte Ansicht.

      Bezeichnend ist, dass keiner meiner Mitarbeiter eine gleiche Beobachtung gemacht hatte. Erst als ich meine Nachbarn darauf aufmerksam machte, nahmen sie es wahr.

      Die Blindheit zu den Retuschen der politischen Ereignisse war allumfassenden. Es wurde hingenommen und nicht einmal bemerkt, man ließ es ohne Registrierung über sich ergehen, eine bedenkliche Entwicklung.

      Selbst mein Bericht für das Brigadetagebuch, der fast wörtlich hier niedergeschrieben wurde, erzeugte keinerlei Reaktion oder gar Diskussion.

      Gute zwei Jahre arbeitete ich in der Betriebsleitung, achtzehn Monate davon als Haupttechnologe. Solch eine Arbeitsaufgabe, die technologische Entwicklung des Betriebes mit seinen sechzehn Einzelwerften zu bestimmen, reizte mich. Meine Ziele waren immer hoch gesteckt. Ich erreichte sie bisher immer ausnahmslos.

      Beim Kadergespräch, das damals in Vorbereitung meines Einsatzes in die Leitungsfunktion geführt wurde, erklärte ich meinen Gesprächspartnern, dem Technischen Direktor und dem Kaderleiter: „ Wenn ich die Aufgaben in einem halben Jahr nicht packe und eine gewisse Routine erwerbe, dann ziehe ich die Konsequenzen, werfe das Handtuch. Entweder erfülle ich meine Aufgaben gut bis zur letzten Konsequenz oder ich muss mich nach einem neuen Aufgabengebiet umschauen.“

      „Das schaffst du nicht in einem halben Jahr, zwölf Monate brauchst du bestimmt“, entgegnete Kaderleiter Müller.

      „Ich will mich hier nicht um ein paar Monate streiten. Mir geht es allein um die Feststellung – und – dass ihr euch darauf einstellt“, war meine Schlussbemerkung.

      Nun bewarb ich mich nach zwei Jahren wieder bei der Seereederei, Ich bin halt mehr Seemann als Landratte. Mir hatten ehemalige Kollegen den Bedarf an Schiffsoffizieren und eine mögliche Korrektur der Einstellungsrichtlinien, weg von der Ideologie, signalisiert. Ich wollte das mal am eigenen Beispiel überprüfen.

      Die erzwungene Umstellung der Arbeitsweise eines leitenden Bordingenieurs auf eine leitende sozialistische Landtätigkeit bedeutete eine totale Umkehrung aller Vorstellungen und Praktiken meiner bisherigen anerkannten Arbeitsweise.

      Intensität, Kontinuität und Qualität wirkten nur noch bedingt. Man versuchte geltende westliche Grundsätze in die Arbeit einzubeziehen, denen aber die Grenzen der Planwirtschaft gesetzt wurden.

      Die Unzufriedenheit der Mitarbeiter wuchs, da die in den Medien propagierten Erfolge nicht mit den Realitäten übereinstimmten. Von den Leitungskräften musste ein ständiger Kompromiss zwischen aufgestelltem Plan, bestätigter Bilanzierungen für die Materialbestellungen und dem tatsächlichen Arbeitsvermögen gebildet werden.

      Wir waren technokratische Artisten. Die Abforderungen von Stellungnahmen, Aktivitätenplänen und Rechtfertigungen stieg, ihre Abfassung erforderte immer mehr Arbeitszeit. Man konnte sich nicht mehr auf das Wesentliche konzentrieren oder eine klare Linie verfolgen, da ständig die verschiedenen Ebenen der politische Führung in interne technische und technologische Entscheidungen oder Maßnahmen einzuwirken versuchten.

      Trotz allem wurden die Ergebnisse, infolge ständiger Anspannung und Improvisationsgeschick der Mitarbeiter von Jahr zu Jahr besser, die von der Partei gesteckten Ziele immer höher ohne dabei die Grundlagen zu verändern, und die Zahl der Stressgeschädigten wurde immer größer.

      Durch die totale Einflussnahme der Partei auf die Wirtschaft entwickelten wir uns zum Plan- und Verwaltungsmonster. Im Gegensatz hierzu war die Arbeitsweise an Bord vergleichbar mit einem Privatbetrieb. Die Arbeit spielte unmittelbar in die Privatsphäre der Seeleute ein, das Schiff musste einsatzfähig bleiben. Alle Anstrengungen waren nur darauf gerichtet, denn für die Dauer der Reise ist der Arbeitsort das Zuhause des Seemanns.

      Es gibt nichts, was nicht geht. Manchmal müssen Kompromisse geschlossen werden. Eine Kapitulation vor der Schwierigkeit bedeutet Selbstaufgabe, Sieg der Natur über das eigene Vermögen und nicht selten Verlust des Schiffes, möglicherweise des eigenen Lebens. Das hat jeder Seemann auf den Weltmeeren verinnerlicht.

      Ganz andere Verhältnisse waren im sozialistischen Landbetrieb anzutreffen. Dieser Unterschied wird von Seeleuten besonders krass wahrgenommen.

      Die politische Überprüfung aller verantwortlichen Leitungskräfte bezüglich ihrer Westkontakte und verwandtschaftlichen Beziehungen holte mich in meiner derzeitigen Tätigkeit ein, der sozialistische Kreislauf war geschlossen.

      Im Mai 1985 wurde von mir eine internationale Zusammenkunft zwischen unserem Betrieb und polnischen Reparaturbetrieben in allen Fragen vorbereitet.

      Zur offiziellen Vorbereitungsdelegation gehörte ich nicht, da die Bestätigung als Reisekader noch nicht vorlag. An allen Beratungen aber nahm ich teil und formulierte die Unterlagen von der Direktive bis zur Auswertung.

      Sechs Monate später, im November gleichen Jahres, war unser Gegenbesuch in Polen fällig. Obwohl es sich um die Beurteilung und Übernahme von Technologien handelte, wurde meine Teilnahme abgelehnt. Wohlgemerkt, ich war der Haupttechnologe, verantwortlich für die Reparaturtechnologie in alle 16 Binnenwerftender DDR. Die Bearbeitung der Bestätigung als Reisekader war angeblich noch nicht abgeschlossen. Auf meine persönliche Frage an den Technischen Direktor, ob diese Aussage den Tatsachen entspräche oder ob nicht vielmehr meine Aussprache beim Parteisekretär vor zwei Monaten den Ausschlag für diese Ablehnung gegeben hätte, antwortete er:“ Wie kann man dem Manne gegenüber eine derart philosophische Ansicht äußern. Der hat doch nicht das Niveau, so etwas zu begreifen. Über derartige Dinge können wir uns unterhalten. Mir scheint sie sind ein bischen Greenpeace angehaucht. Na sie müssen wissen, was sie tun. Wir versuchen’s nächstes Jahr wieder, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist.“

      Was hatte ich im September so verwerfliches geäußert? Was hat die Kaderleitung dazu veranlasst, mir die Kompetenz der Vertretung des Betriebes im sozialistischen Bruderland, zu den Fragen meines Fachbereiches, abzusprechen?

      Auf Anweisung der obersten Führung wurden für das zweite Halbjahr 1985 aussprachen mit jedem Leitungsmitglied geführt. Ich war nach meinem Studium für die Staatspartei geworben worden, da ich mitgestalten wollte und meinte, dass man den Einfluss nicht den vielen Schwachköpfen und Mitläufern überlassen dürfe.

      Die Aussprachen im Betrieb

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