Ohne mich. Hanna Goldhammer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ohne mich - Hanna Goldhammer страница 3

Автор:
Серия:
Издательство:
Ohne mich - Hanna Goldhammer

Скачать книгу

gaben Hinweise zu meinen Personalien. Es war also fast schon zu leicht!

      Zurück zu meinen Eltern. Hätten meine Eltern an diesem Nachmittag Radio gehört, hätten sie von einem schweren Unfall, der für ein jugendliches Mädchen tödlich endete, gehört. Ein Unfall, der noch dazu in unserem Ort stattfand. Meine Eltern hätten diesen Unfall nicht zwangsläufig mit mir in Verbindung gebracht, aber zumindest hätten sie beim Anblick der Polizeibeamten vermutlich eine dunkle Vorahnung gehabt. Doch an diesem Nachmittag blieb das Radio stumm.

      Nicht im Entferntesten hätten meine Eltern gedacht, die Polizisten könnten sie wegen MIR aufsuchen. Stattdessen gingen sie wie selbstverständlich davon aus, es sei wegen meinem älteren Bruder, der schon öfter unliebsame Begegnungen mit der Polizei hatte. Sei es wegen Trunkenheit am Steuer, Ruhestörung oder sogar wegen Missbrauch der Betäubungsmittelgesetze. Im Nachhinein wäre meinen Eltern all das lieber, als der eigentliche Grund für das Erscheinen der Beamten, aber sie konnten es sich nun mal nicht aussuchen.

      Das aufgesetzte Lächeln der Mutter war mit einem Mal versteinert und der Vater, der soeben noch lautstark nach dem Sohn rief, verstummte. Eine Welt in tausend Trümmern.

      Für meine Eltern fühlte es sich an, als hätte man ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie stürzten in ein tiefes Loch aus dem es keinen Ausweg mehr zu geben schien. Hilflos und gelähmt wurden sie unter Verzweiflung, Fassungslosigkeit und Trauer begraben. Mein Bruder ließ keines dieser Gefühle zu. Er war unfähig und unwillig zu akzeptieren, dass die Polizisten die Wahrheit gesagt hatten. Es konnte doch nicht wahr sein, dass seine kleine Schwester von einem Moment auf den anderen aufgehört haben soll zu leben! Seine kleine Schwester, die ihn gerne vor seinen Freunden blamierte. Seine kleine Schwester, die ihm andauernd die letzten Schoko-Cookies wegaß. Seine kleine Schwester, die ständig ungefragt in sein Zimmer ging. Jetzt wünschte er sie wäre hier bei ihm in seinem Zimmer. Jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher, als seine kleine Schwester fest und schützend in den Armen halten zu können. Einen Wunsch, den er bis jetzt noch nie verspürt hatte. Schade eigentlich.

      Laura Müller, meine beste Freundin erfuhr es aus der Zeitung. Besser gesagt Lauras Eltern erfuhren es aus der Zeitung und versuchten es dann Laura schonend beizubringen. Ein Versuch der kläglich scheitern sollte.

      „Warum behauptet ihr so etwas?!“, schrie Laura und versuchte die Tränen zurück zu halten. Sie war von dem Stuhl aufgesprungen, auf den sie sich hatte setzen sollen. „Das ist nicht wahr! Das ist ein schlechter Scherz. Findet ihr das etwa witzig?!“ Laura war kurz davor durchzudrehen. Sie wollte die beruhigenden Worte der Eltern nicht hören. Sie wollte den Zeitungsartikel nicht lesen. Viel lieber wollte sie in ihr Zimmer rennen, die Tür zu schlagen und sich auf ihr Bett werfen. Das tat sie dann auch. Irgendwann beschloss Laura bei mir Zuhause anzurufen. Aber die Hoffnung meine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, wurde enttäuscht. Mit jedem Freizeichen wurde Laura nervöser. Normal war ich immer in Sekundenschnelle am Telefon. Und wenn nicht gingen meine Eltern oder mein Bruder ran. Aber heute nicht. Das ungute Gefühl war wie ein schwerer Stein in Lauras Magengrube. Als die Frau vom Anrufbeantworter sie schließlich dazu aufforderte eine Nachricht nach dem Piepton zu hinterlassen, überkam Laura mit einem Mal die traurige Gewissheit, dass ihre Eltern die Wahrheit gesagt hatten. Lauras beste Freundin, ich Sabrina Zenglein, war vor einem Tag verstorben. Es tat weh.

      Jetzt war ich hier. Gerne würde ich euch mehr über den Ort, an dem ich mich nun befand, erzählen, aber ich wusste nichts. Weder wo ich war, noch was ich hier machte. War das hier der Himmel? Das Paradies? Existierte dieser Ort hier überhaupt wirklich, oder bildete ich mir das hier nur ein? Ich blickte mich um. Alles war weiß. Ein klares, kaltes Weiß. Es strahlte nicht die Wärme oder den Glanz aus, den man womöglich erwartete, wenn man an den Himmel dachte. Rings um mich herum war nichts! Es erstreckte sich die unendliche Leere. Kalt, weiß, leer – den Himmel hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, auch wenn ich ja eigentlich nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt hatte. Erst jetzt entdeckte ich ein ganzes Stück von mir entfernt einige Menschen. Ziemlich viele sogar! Waren sie alle tot? Ich kam ein wenig näher. Jetzt erst erkannte ich, dass all diese Menschen in einer Reihe standen. Sie standen an, wie in einer Supermarktschlange. Aber worauf warteten sie? Da ich nicht wusste wie das alles hier weitergehen sollte, stellte ich mich einfach hinten an. Ich konnte nicht einschätzen wie lange ich warten musste. Gab es im Himmel überhaupt Zeit? Oder in der Hölle? Seltsamerweise bereitete mir der Gedanke an die Hölle nicht die geringste Angst. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich eigentlich überhaupt nichts Negatives fühlte, ich war einfach glücklich. Mir war bewusst, dass ich nie wieder in mein Leben zurückkehren würde, dass ich tot war, endgültig! Doch das fühlte sich richtig an. Wurden meine Gefühle von diesem wundersamen Ort manipuliert? Wenn das der Fall war, war die Manipulation nicht gut genug, um die schwere Leere die ich fühlte, wenn ich an meine Familie und Freunde dachte, mit Glück und Zufriedenheit zu füllen. Da war einfach nichts.

      Irgendwann, ich kann nicht sagen, ob wenige Minuten oder sogar mehrere Stunden vergangen waren, war ich an der Reihe. Was auch immer das zu bedeuten hatte. Ich stand nun ganz vorne in der Schlange. Schräg vor mir war ein großes Tor. Wohin es führte konnte ich nicht sagen. Doch ich vermutete, dass man, bevor man das Tor passieren durfte, mit der kleinen, etwas älteren Frau, die vor mir etwas erhöht hinter einem hohen Pult saß, reden musste. Ein wenig erinnerte es mich an die Anmeldung in einem Hotel. Checkte ich hier in den Himmel ein? Aber in einem Hotel begegnete man sich für gewöhnlich auf Augenhöhe. Die kleine, etwas ältere, bebrillte Frau schien es zu genießen ihren Gegenübern ein Stück überlegen zu sein. Sie wirkte ziemlich gestresst. Ob sie deshalb so graue Haare hatte? Diese Frage führte mich gleich zur nächsten. Waren graue Haare nicht etwas Menschliches? Was aber war sie? Ein Mensch? Ein Engel? Naja, wie ein Engel sah sie ja nicht gerade aus! Dafür fand ich ihren Namen umso passender: Lucrezia Eisbein. So stand es zumindest auf dem kleinen goldenen Schildchen, das an ihrem Blazer befestigt war. Ich fragte mich, ob der Name wirklich echt war oder ob sie einen neuen, so passenden Namen bekommen hatte.

      „Name?“, fragte die kleine, bebrillte Frau schroff. Eigentlich war es viel mehr ein Befehl als eine Frage. Erst jetzt, als ich völlig überrumpelt erst einmal schwieg, blickte die kleine, grauhaarige Frau von der Liste auf, die vor ihr lag.

      „Du wirst doch wohl wissen wie du heißt!“, fuhr sie mich unfreundlich an, „Wir haben hier nicht den ganzen Tag Zeit!“ Somit wäre die Frage, ob es an diesem Ort Zeit gab, geklärt.

      „Sabrina Zenglein“, stotterte ich verlegen.

      Mit einem Stift in der Hand ging die kleine, unfreundliche Frau die Liste von Oben nach Unten durch. Dann wieder von Unten nach Oben, als würde sie vergeblich nach etwas suchen.

      „Geburtsdatum?“, fragte sie nicht weniger unfreundlich.

      „12.04.1999“, antwortete ich und bemühte mich selbstbewusst zu klingen.

      Erneut wanderte Lucrezia Eisbeins Stift von Oben nach Unten, doch dieses Mal stoppte sie plötzlich und ihre Miene hellte sich auf. Kurz schrieb sie etwas hin, vielleicht machte sie auch nur einen Haken oder ein Kreuz, dann wandte sie sich erneut an mich.

      „Wunsch?“

      „Wunsch?“, fragte ich verwundert zurück.

      „Was ist dein Wunsch?“, fragte die kleine, ungeduldige Frau und versuchte noch nicht einmal den genervten Unterton zu verbergen.

      „Ich habe einen Wunsch frei?“, fragte ich erstaunt.

      Vielleicht war die Frau weder Mensch noch ein Engel, sondern ein Flaschengeist. Äußerlich betrachtet fände ich die Bezeichnung „Geist“ durchaus passend. Dagegen sprach jedoch, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, an einer Wunderlampe gerieben zu haben. Außerdem hätte ich dann wohl drei Wünsche und nicht bloß einen verdient!

      „Hat

Скачать книгу