Ohne mich. Hanna Goldhammer

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Dann bemerkte ich meinen Vater. Er stand hinter meiner Mutter und seine Hand lag auf ihrer Schulter. Jetzt reichte er ihr ein Taschentuch. Auf den ersten Blick sah er aus wie immer, dann sah ich, dass seine Augen gerötet waren. Er hatte geweint. Mein Vater weinte nie! Zumindest nicht der Mann, den ich als meinen Vater kannte. Es war schockierend. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen mir das hier anzuschauen, aber jetzt war es zu spät.

      „Was ist mit meinem Bruder?“, fragte ich unsicher. Wollte ich das wirklich noch sehen? Ja. Ja, das wollte ich.

      David sah mich zögerlich an, dann wechselte das Bild auf dem Bildschirm. Mein Bruder war in seinem Zimmer, oder besser gesagt in den Bruchstücken die von seinem Zimmer noch übrig geblieben waren. Das Wort Chaos war maßlos untertrieben, um das zu beschreiben was ich sah. Ich hörte zwar keinen Ton, aber ich konnte sehen, dass die Musikanlage voll aufgedreht war. Die Art und Weise wie mein Bruder wie ein Wahnsinniger durch sein Zimmer tänzelte und dabei mit seinem Baseballschläger immer und immer wieder auf alles Mögliche eindrosch, lies darauf schließen, dass er wohl kaum One Direction hörte. Naja, One Direction hätte wohl ähnliche Aggressionen in ihm hervorgerufen. Dennoch vermutete ich, dass eher Bands wie Morbid Angel oder Cannibal Corpse dahinter steckten. Alles in dem Zimmer meines Bruders war kaputt. Sogar er war kaputt. Nie hätte ich erwartet, dass ihm mein Tod so nahe ginge. Gerne hätte ich ihn jetzt in den Arm genommen, aber es war zu spät.

      Noch immer war es mir nicht möglich traurig zu sein, doch mein Verstand wusste, dass ich es jetzt normalerweise wäre.

      „Was ist mit Laura?“, wollte ich nun wissen.

      „Bist du dir sicher, dass du das auch noch sehen willst?“, fragte David. Er schien nun ernsthaft besorgt um mich.

      Ich nickte. Laura und ich kannten uns seit drei Jahren. Wir lernten uns kennen, als ich in der siebten Klasse vom Gymnasium auf die Realschule wechselte und so in ihre Klasse kam. Laura hatte kaum Freunde. Ich hatte nie verstanden warum. Sie war so unglaublich nett, witzig und einfach immer für mich da! Sie war so ein fröhlicher Mensch. Weshalb sie mit den anderen nicht so gut klar kam, hatte sie mir nie erzählt. Jetzt war es zu spät. Ich musste sie einfach noch einmal sehen. Abschied nehmen. Unsere Freundschaft hatte viel zu früh enden müssen. Irgendwie wusste ich, dass mir das was ich jetzt sehen würde nicht gefallen würde und dennoch hoffte ich so sehr, dass es ihr gut ging.

      Zunächst einmal sah ich gar nichts. Oder zumindest kaum etwas. Das Bild war annähernd schwarz. Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass Laura in ihrem Zimmer zusammengekauert auf ihrem Bett lag. Alles war dunkel, das Licht war aus und nur ein schwacher Lichtschimmer drang durch die zugezogenen Vorhänge. Laura lag da wie ein kleines Baby im Bauch seiner Mutter. Fest in ihren Armen hielt sie einen Pullover. Meinen Pullover. Ich hatte ihn ihr vor mehreren Wochen geliehen und sie hatte ihn bist jetzt behalten. Ich konnte sie nicht hören, aber ich konnte daran wie ihr Körper zuckte sehen, dass sie bitterlich weinte. Sie hörte überhaupt nicht mehr auf zu weinen. Wie lange sie wohl schon so da lag? Laura machte ihre Nachttischlampe an. Es wurde kaum heller aber jetzt erkannte ich, dass überall auf dem Boden verstreut benutzte Taschentücher lagen. Lauras Gesicht war verquollen, ihre Augen und ihre Nase gerötet. Laura griff nach einem Notizbuch und einem Stift, dann schrieb sie etwas auf. Jetzt bin ich wieder alleine. Wieso musste ihr so etwas passieren? Wieso nicht mir? Dann warf sie das Notizbuch gegen die Wand und fing wieder an unkontrolliert zu weinen. Sie machte das Licht aus und zog die Decke über ihren Kopf.

      „Stopp!“, rief ich, „Das alles muss aufhören!“ Der Bildschirm verschwand.

      „Ich habe doch gesagt, dass das keine gute Idee sei“, sagte David kleinlaut.

      „Das mein ich nicht! Ich meine, sie sollen aufhören so traurig zu sein. Sie sollen alle aufhören so durchzudrehen. Ich will das es ihnen gut geht!“, erklärte ich aufgebracht.

      „Das liegt nicht in unserer Hand“, antwortete David.

      „Wie lange wird es ihnen so gehen?“

      „Das kann ich nicht sagen. Niemand kann in die Zukunft sehen. Menschen haben einen freien Willen, das bedeutet, dass sie selbst entscheiden wie es weitergehen wird.“

      „Dann wünsche ich mir, dass ich ihnen sagen kann, dass es mir gut geht!“, sagte ich fest überzeugt.

      „Das geht auch nicht“ Man merkte wie unangenehm es David war, mir ständig widersprechen zu müssen.

      „Aber wieso?“

      „Du kannst dir gar nicht vorstellen was das für ein Chaos geben würde! Es gab bereits einmal einen Menschen der zurückgekehrt ist auf die Erde. Ich glaube ihr nennt ihn Jesus oder auch Menschensohn oder so ähnlich. Auf jeden Fall wollte man den Menschen so Hoffnungen schenken, ihnen zeigen, dass der Tod nicht das Ende ist. Doch worauf lief das ganze hinaus? Wie viele Kriege gab es aufgrund von Religion? Wie viele Menschen mussten wegen ihres Glaubens sterben? Glaube mir, es wäre keine gute Idee wenn du zu deiner Familie reden würdest. Was glaubst du würde man von ihnen halten, wenn sie erzählen, dass du von den Toten zurückgekehrt seist? Du weißt doch wie die Menschen sind!“

      Ich nickte. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Aber es musste doch irgendetwas geben was ich tun konnte!

      „Man kann doch nur traurig über den Verlust von etwas sein, wenn man wusste wie es war es zu besitzen, oder?“, fragte ich nachdenklich.

      „Ja schon, aber was willst du mir damit sagen?“, fragte David zögerlich.

      „Und wenn ich mir wünsche, dass ich nie gelebt habe? Dass sich niemand daran erinnern kann, dass es mich einmal gegeben hat? Dass es einfach so wäre, als wenn ich nie geboren wäre?“, fragte ich erwartungsvoll.

      „Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, rief David überrascht.

      „Doch! Und ob das mein Ernst ist! Was habe ich schon großartiges auf der Welt geleistet? Nichts! Wenn es mich nie gegeben hätte, wäre niemand schlechter dran. Im Gegenteil! Meinen Eltern würde es gut gehen. Tom würde es gut gehen. Laura würde es auch gut gehen! Niemand müsste um mich trauern“ Der Gedanke daran niemals existiert zu haben, sollte eigentlich traurig sein, doch ich wurde immer begeisterter von der Idee. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass man um mich trauerte. „Du hast doch gesagt, dass ich einen Wunsch frei habe! Und das ist es nun mal was ich mir wünsche!“

      „Ich glaube du verstehst gar nicht was das bedeutet!“, gab David zu bedenken, „durch diesen Wunsch würdest du das Leben aller Menschen, die du irgendwie beeinflusst hast, verändern! Und das aller Wichtigste: Was auch immer du dir wünschst, es kann nicht so einfach rückgängig gemacht werden! Willst du nicht noch einmal darüber nachdenken?“

      Stur schüttelte ich den Kopf. Welche Menschen hatte ich schon groß beeinflusst? Ich hatte niemandem das Leben gerettet, ich hatte keine Wunder vollbracht. Es gab keine nach mir benannte Straße und auch kein von mir in Afrika errichtetes Krankenhaus. Es gab nichts. Mein Leben war doch nur ein bedeutungsloser Wimpernschlag in der schier endlosen Geschichte der Menschheit. Ich machte keinen Unterschied. Das Einzige, was ich jetzt noch tun konnte, war meinen Angehörigen den Abschied zu erleichtern.

      „Ich sehe du bist nicht davon abzubringen“, seufzte David, „Mal sehen was Lucrezia zu deinem Wunsch sagt. Du kannst schon einmal zu ihr gehen, ich komme gleich nach.“

      „Du wünschst dir WAS?“, fragte Lucrezia entsetzt. Sie glaubte sich verhört zu haben.

      „Ich wünsche mir, dass ich niemals auf der Erde existiert habe“, wiederholte ich. Ich versuchte es so selbstverständlich wie möglich zu sagen.

      Verblüfft

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