Ohne mich. Hanna Goldhammer
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„David Wer?“, fragte ich verwirrt. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung wer das sein sollte und ich hatte auch noch immer nicht die leiseste Ahnung wo ich hier war. Doch eins stand fest: Die Organisation hier war nicht gerade die Beste! Fast wie auf der Erde.
„Das muss an dem ganzen Stress liegen!“, rief die kleine Frau nun fast verzweifelt, „Ein so schweres Zugunglück mit so vielen Toten kommt nicht alle Tage vor, da muss David Rottmann schlichtweg vergessen haben, dass du auch noch da bist.“
Ich hatte zwar immer noch nicht die geringste Ahnung was hier vor sich ging, doch zumindest wusste ich nun, dass das nicht meine Schuld war, sondern die eines gewissen David Rottmanns!
„Ich werde David so schnell wie möglich zu dir schicken!“, versicherte Lucrezia, die nun gar nicht mehr so streng wie eine Lucrezia aussah, „so lange kannst du dort hinten auf ihn warten.“
Lucrezia deutete auf ein etwa fünf Meter entfernt stehendes grünes Sofa. Ich hätte schwören können, dass es zwei Sekunden vorher noch nicht dagestanden hat! Es erinnerte mich an die Sofas, die man in den Leseecken fast jeder Bibliothek finden konnte. Außenherum war jedoch alles weiß und kahl, wie überall hier. Während ich auf diesen David Rottmann oder wie er hieß wartete, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Warum war ich nicht traurig? Ich war tot, ich würde meine Familie, meine Freunde vielleicht nie wiedersehen und dennoch war ich nicht traurig. Dieser Ort hier war eigenartig. Ich dachte daran wie beruhigend es für die Menschen wäre zu wissen, dass es den Toten hier gut ging. Dass dieser Ort glücklich machte, ob man es wollte oder nicht. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass es auf der Erde nicht so war. Auf der Erde spürte man alle diese negativen Gefühle, die Trauer, die Verzweiflung, Angst, Ungewissheit und Schmerzen. All das fühlten die Menschen. Und ich wollte nicht, dass meine Familie oder Freunde das fühlten. Sie sollten nicht um mich trauern. Sie sollten nicht weinen oder verzweifeln. Ich wünschte sie wüssten, dass es mir gut ging. Dass es in Ordnung war, dass ich gestorben bin. Es war seltsam, dass ich so etwas dachte, wo ich doch immer Angst vor dem Tod hatte. Doch ich fühlte mich einfach gut. Eigenartig gut.
Mit einem Mal stand ein Mann vor mir. Ich vermutete, dass es sich um diesen David Rottmann, von dem Lucrezia Eisbein gesprochen hatte, handeln musste. Und tatsächlich, wie sich herausstellte hatte ich vollkommen Recht.
„Hallo, ich bin David Rottmann“, begrüßte er mich freundlich und schüttelte mir die Hand, „Es tut mir leid, dass ich erst jetzt zu dir komme, da muss ein Fehler passiert sein.“
Aha. Ein Fehler also. Fehler sind menschlich. Aber war David das auch? Ich hatte noch immer nicht die geringste Ahnung was hier vor sich ging. Langsam könnte man mich echt einmal aufklären.
„Du fragst dich sicher wo du hier bist und was als nächstes mit dir passiert“, fuhr David fort, „Du bist hier direkt vor dem Paradies. Paradies, Himmel, Djanna, Jenseits, wie du es nun mal gerne bezeichnen möchtest. Wie du sicherlich schon bemerkt hast, bist du tot. Doch dies ist kein Grund traurig zu sein oder zu verzweifeln! Und selbst wenn du doch der Meinung bist, dass es ein Grund dafür wäre, muss ich dich leider enttäuschen, negative Gefühle gibt es hier nicht. Somit kann ich dich genau genommen doch nicht enttäuschen. Ist das nicht der Wahnsinn?“
Sprachlos starrte ich David an. Er redete wie ein Wasserfall und mit seiner übertrieben fröhlichen Art ging er mir jetzt schon auf die Nerven. Aber zumindest wirkte er freundlicher als die nette Dame von vorhin.
„Wie ich sehe hat es dir die Sprache verschlagen. Daraus schließe ich, dass es tatsächlich der Wahnsinn ist. Ich meine wie sollte es auch anders sein, du bist immerhin kurz vor dem Ort an dem ALLES möglich ist! Außerdem hast du gerade erfahren, dass du nie wieder unglücklich sein wirst! Ach, ist das Leben nicht schön? Oder vielmehr der Tod. Oder das Leben nach dem Tod. Oder der nächste Abschnitt auf einer unendlichen Reise voller Geheimnisse. Das klang ja sogar fast poetisch! Ich habe ja schon immer gesagt, dass an mir ein großer Dichter verloren gegangen ist! Aber meine Eltern hielten nicht viel von meiner Kreativität, stattdessen sollte ich an einer Universität Jura studieren. Welch eine bitterböse Ironie, dass ich ausgerechnet auf dem Weg zu dieser Uni mit dem Auto tödlich verunglückte und dass- “
„Was mache ich hier?“, unterbrach ich David, der gar nicht mehr aufhören wollte zu reden, „Ich meine, was passiert jetzt als nächstes?“
„Oh“, unterbrach David seinen Redefluss und wirkte ein wenig gekränkt darüber, dass ich mich für seine Geschichte nicht sonderlich interessierte, „Wie gesagt, du bist hier direkt vor dem Paradies. Als nächstes kommst du in das Paradies. Und dann bist du glücklich bis in alle Ewigkeit. Wie genau wirst du schon noch merken. Doch zuvor, also bevor du durch dieses riesige Tor ins Paradies schreiten darfst, hast du noch einen Wunsch frei.“
„Einen Wunsch?“, fragte ich noch immer verwundert darüber, dass ich mir tatsächlich etwas wünschen sollte.
„Ja, du hast richtig gehört, einen Wunsch! Wir haben dies vor einigen Jahren eingeführt, um den Menschen den Abschied von ihrer alten Welt zu erleichtern. Schließlich werden sie ihre Familie und all ihre Freunde NIE WIEDER sehen!“
„Nie wieder?“, fragte ich erschrocken.
„Nein, das war bloß ein Scherz“, David begann zu kichern, „Natürlich wirst du sie wiedersehen. Die sind schließlich auch nicht unsterblich. Trotzdem ist es vorerst Zeit Abschied zu nehmen. Und um dir diesen Abschied leichter zu machen und weil wir es nun mal können, erfüllen wir dir einen Wunsch! Um ehrlich zu sein, das mit dem Wunsch war damals meine Idee! Ist das nicht der Wahnsinn?“
David schien ziemlich viele Dinge wahnsinnig toll zu finden. Aber die Sache mit dem Wunsch klang in der Tat nicht schlecht. Doch ich hatte absolut keine Idee was ich mir wünschen sollte. Viel lieber wollte ich sehen wie es meiner Familie und wie es Laura ging.
„Ich möchte, bevor ich sage was ich mir wünsche, sehen was gerade auf der Erde passiert!“
„Du willst sehen was auf der Erde passiert?“, fragte David zögerlich. Mit einem Mal schien seine Heiterkeit verflogen zu sein.
„Ja!“, antwortete ich bestimmt.
„Aber das geht nicht so einfach!“, protestierte David.
„Ich dachte das hier sei der Ort der unbegrenzten Möglichkeiten! Es muss einfach gehen!“, erwiderte ich.
„Erstens befinden wir uns hier VOR dem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten und zweitens halte ich das einfach für eine nicht so gute Idee! Bist du dir ganz sicher, dass du das willst?“
„Ja, das bin ich!“, antwortete ich fest überzeugt. Ich musste meine Familie und Laura einfach ein letztes Mal noch sehen können.
„Ich nehme an du willst deine Eltern sehen?“, fragte David. Er klang plötzlich ganz schön ernst. Ich schluckte und nickte. Ich musste einfach!
Mit einem Mal erschien vor mir ein riesiger Bildschirm. Er erinnerte mich an den mega Fernseher, den mein Vater sich immer gewünscht hatte, sich aber nie hatte leisten können.
Ich sah meine Mutter. Oder besser gesagt eine blasse, traurige, kleine Frau die meiner Mutter ähnlich sah. Sie sah so kaputt aus. Erst auf den zweiten Blick, erkannte ich wo sie war. In der Gerichtsmedizin, vermutlich um meine Leiche zu identifizieren. Meine Mutter saß auf einem Stuhl neben dem Tisch auf dem vermutlich eine Leiche lag. Der Tisch war zum Glück abgedeckt. Ich war froh mich dort nicht liegen sehen zu müssen. Aber meine Mutter hatte mich dort liegen sehen. Tot! Jetzt starrte meine Mutter einfach nur noch geradeaus. Ihr Blick war