Herzbrecher. K.P. Hand

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Herzbrecher - K.P. Hand

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packte ihn von hinten, umschlang ihn mit beiden Armen. »Norman!«

      »Er lebt noch!« Norman versuchte, sich frei zu kämpfen. »Da! Seht! Er atmet. Er atmet!«

      Norman rief, er brüllte fast. Verzweiflung packte ihn, weil alle Umstehenden – Kollegen, die Spurensicherung, Schaulustige und Reporter – ihn erstarrt und fassungslos anstarrten, statt dem Jungen unter der Plane zu helfen.

      »Norman!« Jan packte ihn bei den Schultern und wirbelte ihn herum. Noch bevor Norman sich gezwungenermaßen gänzlich zu ihm umgewandt hatte, klatschte ihm Jans flache Hand ins Gesicht, damit er zur Besinnung kam.

      Aber Norman blieb dabei. »Er lebt noch!«

      »Herrgott!« Jan packte ihn grob am Arm, als wäre er ein ungehorsamer Bengel, der weggeführt werden musste, damit der Vater ihm, verborgen vor neugierigen Blicken, Vernunft einbläuen konnte.

      Aber Jan führte ihn nicht fort, er zerrte ihn zu dem Jungen hinunter und schlug die Plane zurück.

      »Sieh her!« Jan deutete deutlich auf die Leiche. »Er ist tot, Norman! Mausetot! Er ist nur noch eine leblose Hülle. Kalt. Siehst du es?«

      Und ob er es sah, es gab keinen Zweifel am Zustand des Jungen. Es sei denn, er wäre ein Zombie.

      Jan schlug die Plane wieder zu, packte erneut Normans Arm und zerrte ihn vom Fundort fort, unter dem Absperrband durch bis zu den Streifenwagen, außerhalb des Geschehens. Während dessen wurden sie von Blicken verfolgt, verständnislosen Blicken von Kollegen, neugierigen Blicken von Reportern und anklagende Blicke von schockierten Passanten.

      Als sie zu alledem etwas Abstand gewonnen hatte, blieb Jan stehen und drehte Norman zu sich um.

      »Was ist in dich gefahren?«, zischte er leise aber unmissverständlich mächtig angepisst von Normans Auftritt.

      Norman blinzelte und schob es auf den Schlafmangel. Es war nicht das erste Mal, dass er etwas sah, das gar nicht da war. Für gewöhnlich passierte es ihm jedoch in Situationen, in denen er alleine war. Nachts, wenn er ziellos durch die Wohnung schritt, aber niemals am Tag unter Menschen.

      Na ja, es gab für alles ein erstes Mal.

      »Du brauchst dringend Schlaf, Norman!«

      Jan hielt ihm eine Predigt, die Norman nur halbherzig mit anhörte, er sah nur an seinem Kollegen vorbei zum Fundort.

      Er hatte sich das nicht nur eingebildet, es hatte für ihn tatsächlich real gewirkt. Er hatte genau auf die Leiche gesehen, als sie sich bewegt hatte.

      Ganz sicher.

      Oder konnte er zu allem Überfluss nun auch nicht mal mehr seinem Verstand trauen?

      »Du kannst so was nicht noch mal bringen«, trichtere Jan ihm ein, als wäre er Normans strenge Mutti. Wobei Norman keinen echten Vergleich hatte, da er als Waise in einem Waisenhaus aufgewachsen war und nicht wirklich wusste, wie sich eine echte strenge Mutter benommen hätte.

      »Was sollen die Kollegen von dir denken!« Jan schüttelte anklagend seinen Kopf. »Sie zerreißen sich ohnehin schon genug das Maul über dich. Und du gibt’s ihnen immer wieder neuen Stoff zum tratschen. Die glauben doch alle, du wirst langsam irre. Und weißt du was, allmählich befürchte ich das auch ... Hörst du mir eigentlich zu?«

      Norman konnte nicht antworten, denn das Klingeln seines Smartphones lenkte ihn ab; nicht, dass er vorgehabt hätte, Jan zu antworten.

      Norman holte sein Smartphone aus der Manteltasche und warf einen Blick auf das Display, während Jan neben ihm die Hände in die Seiten stemmte und auf eine Erklärung wartete.

      Unbekannte Nummer.

      Normans Herz begann sofort Purzelbäume zu schlagen.

      »Da muss ich ran.« Er drehte Jan die kalte Schulter zu und nahm den Anruf unter dessen empörten Gesichtsausdruck an.

      »Ist das dein Ernst?«, fragte Jan. Er begriff, dass er ignoriert wurde und sagte sauer zu Norman: »Ja, bitte, geh doch einfach ran, ich spreche solange mit der Luft, kein Problem, erzielt ja denselben Effekt!«

      »Norman Koch«, meldete er sich gewohnheitsmäßig, Jan ignorierend.

      Am anderen Ende der Leitung blieb es einige Sekunden still, die Norman wie eine Ewigkeit erschienen. Er hörte es rauschen, vermutlich vom Regen. Der Anrufer befand sich irgendwo draußen, unter einem Blechdach, wenn Normans Gehör ihn nicht auch noch täuschte.

      Lautes Einatmen, dann eine Frage ohne Einleitung: »Bist du allein?«

      »Nein«, antwortete Norman kurz angebunden und warf einen Blick auf Jan, der ihn ganz genau beobachtete und ihm keinerlei Privatsphäre gönnte.

      »Ich muss dich sehen«, sagte der andere am anderen Ende der Leitung. »Sofort. Verlassene Bahnhofstation. Komm allein.«

      Nach der beinahe kryptischen Anweisung wurde das Gespräch sofort beendet.

      Norman nahm wie betäubt das Handy vom Ohr. Er war enttäuscht, hatte er sich doch mehr erhofft, als er »Unbekannte Nummer« auf dem Display gelesen hatte.

      Er riss sich zusammen und erwiderte Jans Blick, der darauf wartete, dass Norman ihn aufklärte. Aber das tat Norman nicht. Das einzige, was er jetzt noch Jan zu sagen hatte, war: »Ich muss kurz weg, wir sehen uns auf dem Polizeipräsidium.«

      ***

      Er würde es wieder tun.

      Während er unter seiner Baseballkappe hervorblickte und die beiden Polizisten beobachtete, wusste er mit absoluter Sicherheit, dass er es erneut tun würde.

      Der eine hatte es begriffen. Der dunkelhaarige Polizist. Er hatte es verstanden. An diesem Ort war er der einzige Mensch, der genau die erwartete Reaktion zeigte, die gewünscht war. Er war schockiert, fassungslos und betroffen gewesen. Während der andere, der blonde Polizist, berechnend kühl und unerträglich professionell geblieben war, als hätte er nicht das schönste Geschöpf der Welt entdeckt: ein totes Kind.

      Und deshalb würde er es wieder tun.

      Er sah sich nicht als Mörder, obwohl er wusste, dass er gemordet hatte. Aber es war notwendig gewesen. Für den armen Jungen. Er sah sich mehr als der Erlöser dieses Jungen an.

      Und die Welt musste es auch sehen. Sie mussten begreifen, dass dieser Junge betrauert werden musste, aber nicht wegen des Umstandes, dass er jetzt tot war, sondern wegen der Jahre, die er als dieser Junge hatte leben müssen.

      Es musste wieder passieren, es gab noch mehr von diesen Kindern. Jenen Kindern, die eine Erlösung dringend nötig hatten. Kinder, die er vor Schlimmeren beschützen musste.

      Er dachte an seine eigene Kindheit. Daran, wie er viel zu oft unsittlich berührt worden war, wie er genötigt worden war, seinen Entchen-Pyjama ausziehen, wie er gezwungen worden war, still zu liegen ...

      Er spürte die Scham, aber auch die Wut, weshalb er die Erinnerung unterdrückte, so gut er konnte. Doch so sehr er es auch versuchte, er hörte noch heute die Stimme in seinem Ohr, die ihn nachts aus dem Schlaf riss. »Still, oder ich erstick dich mit dem Kissen.«

      

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