Die Kiste Gottes. Stefan Gämperle

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Die Kiste Gottes - Stefan Gämperle

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während des Essens mehr als das sie ass. Das hatte sie, wie so vieles, von ihrer grossen Schwester Julia übernommen. Genau wie das „verliebt sein“ in fast alle männlichen Klassenkameraden. Scheinbar fehlte es keiner von beiden an Verehrern. Julia machte sich in der zweiten Klasse sehr gut und Simone war der Einstieg in die erste hervorragend gelungen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatten sich bei Marco die Probleme gelegt und er hatte sich gut in die dritte Klasse integriert. Mit den schulischen Leistungen konnte Jessica bei allen zufrieden sein.

      Nach dem Essen brachte sie Julia und Simone zum Ballettunterricht und machte Besorgungen in der Stadt. Marco blieb zu Hause. Da sie in der Altstadt von Bern wohnte, besass Jessica kein Auto. Sie ging fast täglich Einkaufen, damit sie nicht riesige Mengen auf einmal schleppen musste. Als sie die Einkäufe zu Hause abgestellt hatte, musste sie sofort wieder los, um die Mädchen abzuholen. Nach einem versprochenen Abend im Kino kehrten sie nach Hause zurück, wo das übliche Prozedere - wie jeden Tag - ablief. Keines der Kinder wollte zu Bett gehen. Um neun herrschte wohl verdiente Ruhe und sie konnte sich dem Rest der Wäsche zuwenden.

      Nun sass sie endlich in ihrem bequemen Lesestuhl und wollte bei einem guten Buch entspannen. Sie strich sich mit der Hand ihre langen, schwarzen Haare aus dem Gesicht und nahm das Buch zur Hand. „Die Päpstin“, ein Buch, das sie sich schon lange vorgenommen hatte zu lesen, bisher aber noch nicht dazugekommen war. Jetzt konnte sie es kaum mehr aus der Hand legen, denn es hatte sie von der ersten Seite an gepackt. Sie schlug es auf und tauchte mit den ersten Worten sofort wieder in die Welt des 9. Jahrhunderts ein, um mit Johanna die Erlebnisse zu teilen.

      Sie hatte kaum richtig zu lesen begonnen, als sie das Telefon ins Heute zurückriss. Der Blick auf die kleine Standuhr auf dem Sideboard zeigte ihr, dass es bereits 22.00 Uhr war. Wer konnte das um diese Zeit sein? Vielleicht ihr Vater, der heute aus dem Urlaub zurückgekommen war und für den sie das Haus gehütet hatte? Sie hatte schon einige Male versucht ihn anzurufen, aber ihn nie erreichen können. Eigentlich wollte er am frühen Abend zu Hause eintreffen.

      Sorgen machte sie sich keine. Seit ihr Vater nicht mehr arbeitete, änderte er oft spontan seine Pläne und vergass es ihr mitzuteilen.

      Sie stand auf, holte das drahtlose Telefon von der Station und setzte sich wieder in den Sessel.

      „Neumann“, meldete sie sich.

      „Hallo, hier auch.“

      Ihre Stimmung sank schlagartig. Ihr Ex-Ehemann. Sie lebten schon seit drei Jahren getrennt. Da er sich nicht auf eine fixe Besuchsregelung mit den Kindern einlassen wollte, musste sie warten bis die vier Jahre Trennungszeit abgelaufen waren, damit er sich der Scheidung nicht mehr widersetzen konnte.

      Er wolle die Scheidung auch, allerdings plagte ihn immer das Gefühl er werde benachteiligt, wenn sich nicht alles nach ihm richtete. Das war schon während der zehn Jahre Ehe so gewesen und der Grund, weshalb sich Jessica vom ihm getrennt hatte. Er versuchte Musiker zu sein, fand aber meistens keine Engagements. Nicht weil er kein guter Musiker gewesen wäre, sondern weil er sich selber immer wieder im Weg stand. Er konnte sich nicht in eine Gruppe einordnen, von unterordnen ganz zu schweigen. Aufgrund dessen war es unmöglich für ihn, über längere Zeit in einem Ensemble oder einer kleinen Band zu spielen. Früher oder später gab es immer Unstimmigkeiten und aus seiner Sicht konnte er natürlich nie etwas dafür. Das gleiche geschah auch, wenn er Arbeit in einem anderen Bereich fand. Anfangs ging es gut, aber nie für lange. Deshalb war er die meiste Zeit arbeitslos. Während ihrer Ehe sorgte stets sie für das Auskommen der Familie. Seine kleinen Gagen und den Lohn aus den Kurzeinsätzen investierte er in Musikinstrumente und Computer.

      „Was willst du?“, fragte sie deprimiert. Sie konnte es sich bereits denken. Er rief nur an, wenn er etwas mit dem Abholen der Kinder ändern wollte. Dies geschah oft, denn er vertrat die Ansicht, er könne sein Leben nicht so lange im Voraus planen und die Besuchsregelung müsse flexibel gestaltet werden. Das bedeutete aus seiner Sicht, er holte und brachte die Kinder, wann es ihm passte und das immer kurzfristig.

      „Ich kann morgen nicht schon um neun Uhr die Kinder holen. Ich komme erst um 13.00 Uhr.“ Das war keine Frage, sondern eine Tatsache.

      „Und das fällt dir jetzt ein?“

      „Ich habe heute Nachmittag versucht sich anzurufen, aber du warst ja nie zuhause.“

      „Du weisst genau, dass die Mädchen am Freitag Ballett haben und ich unterwegs bin. Du hättest auf mein Handy anrufen können. Und ausserdem, weshalb fällt es dir immer erst am Freitag ein, dass du am Samstag die Termine nicht einhalten kannst?“ Sie war nun verärgert. Es war jedes Mal dasselbe und die Ausreden klangen immer gleich.

      „Ich habe morgen um neun Uhr einen Termin in Basel und bin deshalb nicht vor 13.00 Uhr wieder zurück in Bern.“

      „Und das weisst du erst seit heute? Du musstest dich sicher schon früher anmelden, oder etwa nicht?“

      „Ja schon, aber ich hatte so viel um die Ohren mit dem neuen Job. Du weisst doch, dass ich wieder arbeite!“

      „Trotzdem hättest du mir früher Bescheid geben können. Ich habe es satt, dass du immer im letzten Moment anrufst und die Termine änderst. Ich habe morgen einen Termin um 10.00 Uhr an der Uni.“

      „Wenn du etwas flexibler wärst, könnte ich die Kinder auch mal unter der Woche holen. Aber das willst du ja nicht!“, er begann laut zu werden.

      „Natürlich! Mir reicht es vollkommen, wenn ich alle zwei Wochen bangen muss, ob du die Kinder zur abgemachten Zeit abholst oder nicht. Das möchte ich nicht jeden Tag!“

      „Du willst mir die Kinder nur nicht öfters geben!“, schrie er ins Telefon. „Du weisst ganz genau, dass ich die Kinder mehr sehen möchte. Aber wegen deiner Sturheit geht das nicht!“

      „So wie morgen?“ Jessica versuchte ruhig zu bleiben, wusste aber, dass sie ihn mit dieser Bemerkung ganz aus der Fassung gebracht hatte.

      „Was soll ich denn machen? Ich setze die Termine für das Vorspielen nicht selber an!“, schrie er weiter.

      „Zum Beispiel mir früher Bescheid geben“, sagte sie weiter in einem ruhigen Ton. „Dann könnte ich…“

      „Was könntest du dann? Du arbeitest ja nur halbtags und hast genug Zeit um deinen Hobbies nachzugehen!“, fiel er ihr immer noch schreiend ins Wort.

      „Lassen wir das. Es hat keinen Sinn mit dir darüber zu diskutieren. Es ist und bleibt so wie es in der Trennungsvereinbarung steht. Also dann bis morgen um 13.00 Uhr.“ Sie legte auf. Jessica hatte das Gespräch beenden müssen, denn sonst wäre sie in Rage geraten. Die Wut hatte schon zu glimmen begonnen. Sie hasste es, wenn das geschah. Es entsprach nicht ihrem Wesen, die Beherrschung zu verlieren und laut zu werden. Das passierte ihr einzig bei ihrem Ex. Nicht einmal die Kinder schafften es, selbst wenn sie noch so quengelten.

      Sie legte das Telefon auf den Tisch und trank einen Schluck Tee. Dann atmete sie tief durch, schloss die Augen und konzentrierte sich wieder auf die Musik. Langsam fühlte Jessica, wie sie sich wieder beruhigte. So blieb sie eine Zeit lang sitzen. Dann öffnete sie die Augen und blickte auf das Telefon.

      Sollte sie nochmals versuchen bei ihrem Vater anzurufen? Sie schaute auf die Uhr. Halb elf. Normalerweise ging er nie so früh zu Bett. Er arbeitete meist bis Mitternacht oder noch länger. Es kam ihr vor, als ob ihr Vater seit der Pensionierung noch mehr arbeitete als zuvor. Wenigstens hatte er begonnen Urlaub zu machen und entspannte sich dabei. Obwohl sie wusste, dass er auch dort nicht ohne seine Arbeit sein konnte. Vielleicht hatte er sich heute wegen der Zeitverschiebung früher ins Bett gelegt. Nein, überlegte

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