Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

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Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

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      »Niemand möchte Sie zu etwas zwingen, Herr Thalberg. Sie sollten sich nur sehr genau überlegen, was Sie tun.« Frau Mäxle lächelte ihn herausfordernd an. Christian wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Vor seinem inneren Auge begann ein Film abzulaufen: »I‘ve got a big surprise!” Die Agentin der amerikanischen Adoptionsagentur klingt euphorisch. Und die Nachricht ist tatsächlich mehr als hoffnungsvoll: Gerade eben hat die Agentur die sogenannte Vermittlungszulassung für den Nachbarstaat New Jersey erhalten und will Louis‘ Adoption dort durchzuführen. Christian und Alexander schauen sich fragend an. Was bedeutet das alles? »We want you both to be fathers!«, erklärt die Agentin voll Überschwang und schildert, dass New Jersey seit kurzer Zeit Männerpaaren erlaubt, Kinder zu adoptieren. Keiner der beiden wagt in diesem Moment, Bedenken anzumelden – Bedenken, dass diese Änderung der Faktenlage in Deutschland zu Problemen führen kann. In den vergangenen Monaten hat Christian jeden Anflug von Sorge im Keim erstickt. Er will einfach daran glauben, dass er Louis‘ Pass ohne Kampf, ohne Anerkennung durch ein deutsches Vormundschaftsgericht, bekommt. Seine Angst vor dem Gericht rührt daher, dass ein entsprechendes Verfahren Besuch vom Jugendamt bedeutet. Und die Einstellung des örtlichen Jugendamtes zum Thema Homo-Adoption kennt Christian von einem Gespräch mit der Sachbearbeiterin Frau Klämmerle. »Wir haben pro Kind drei Bewerberpaare«, hatte Frau Klämmerle erklärt, »sicher verstehen Sie, dass wir Sie nicht als Elternpaar berücksichtigen können. Wir suchen immer geeignete Eltern für das Kind aus. Nicht umgekehrt.« Sie lächelte verbindlich. »Wir suchen Eltern für Kinder, nicht Kinder für Eltern, verstehen Sie?« Und ob sie verstanden hatten: Eine Adoption durch Männer würde das Amt weder befürworten noch unterstützen. Das Thema Auslandsadoption war ebenfalls innerhalb einer Minute abgehakt. »Unsere Behörde führt keine Auslandsadoptionen durch. Bitte wenden Sie sich an einen freien Träger.« Und schon hatte Frau Klämmerle sie aus dem Büro dirigiert. Der Schwung, mit dem sie die Tür schloss, signalisierte: Melden Sie sich nie wieder! Mit gesenkten Häuptern verließen die Männer das Landratsamtsgebäude. Niemand hatte damit gerechnet, offene Türen einzurennen. Doch eine gewisse Grundfreundlichkeit hatten sie erwartet …

      Frau Mäxle holte Christian mit einem Räuspern in die Gegenwart zurück. »Sicher können wir Ihren Antrag zum Anerkennungsverfahren nicht erzwingen«, wiederholte sie sich und trommelte mit pink lackierten Nägeln auf den Schreibtisch. »Aber«, sie lächelte breit, »ich kann das Anerkennungsverfahren auch selbst in die Wege leiten, wenn ich über einen Ausweisantrag entscheide.«

      Für einen Moment stolperte Christians Herz. Drohte sie ihm? Sichtlich mit der Wirkung ihrer Worte zufrieden, lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. Er ächzte bedenklich unter ihrem Gewicht.

      »Gut«, krächzte Christian tonlos. »Dann werde ich das mit meinem Mann besprechen.«

      Frau Mäxle nickte. »Tun Sie das. Auf Wiedersehen!«

      ***

      Christian verlor noch einmal eine gute halbe Stunde auf dem Ausländeramt. Frau Bonetti ließ ihn warten und flötete ihm entgegen: »I hans ihna jo glei gsagt, dass se die Oakennung brauchet!«

      »Was würden Sie tun, wenn ich einfach keinen Pass beantrage?«

      »Dann verlängret wir die Fiktionsbescheinigung net.«

      »Und?«

      »Ihr Sohn ...«, wieder Gänsefüßchen, »... hat dann koin Ufenthaltstitl. Er isch also illegal im Ländle. Mit elle Konsequenza.«

      »Sie würden ein Baby ausweisen?« Christian furchte die Stirn. »Wohin denn? Nach Amerika? Er hat da niemanden! Wir sind seine Eltern, seine einzigen Bezugspersonen!«

      Frau Bonetti zog ihre breiten Schultern empor und ließ sie wieder fallen. »Wisset Se, das entscheidet mei Chef, net i und i persönlich glaubs, Jugendamt würd scho gugga, dass der Kloine ind richtige Händ kommt. I an ihrer Stell dät jetzt gugga, dass id Oakennung krieg.« Sie nahm Louis‘ Pass und verlängerte die Fiktionsbescheinigung um weitere drei Monate. Bis dahin, befand sie, sollte es möglich sein, das gerichtliche Verfahren zumindest in Gang zu bringen.

      Auf der Straße kickte Christian gegen einen Mülleimer. »So eine Scheiße!« Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar und ließ sie im Nacken ruhen. Wütend blickte er in den grauen Himmel.

      »Entschuldigen Sie«, sagte eine ruhige weibliche Stimme hinter ihm. Erschrocken fuhr Christian herum.

      »Sie sehen unglücklich aus«, bemerkte die Dame in brauner Strickweste, »dürfte ich Ihnen unser Magazin ans Herz legen?« Sie reichte Christian ein Heft mit der Aufschrift Embassy. Die Frau lächelte warm. »Es spendet Trost«, versicherte sie.

      Die Verrückten aus Catrins Truppe werden immer aufdringlicher, dachte Christian. Er erwiderte kalt den Blick der Frau und unterdrückte den unbändigen Wunsch, ihr seine Meinung über Jesus zu erzählen. Er ließ sie in ihrem seligen Lächeln stehen. Der Wind frischte auf, in der Ferne rollte das Schwarz einer Gewitterwolke auf ihn zu. Christian sputete sich; er wollte nachhause.

       Kapitel 7

      Renate nahm das Handy vom Ohr. »Warum geht er nicht ran?«

      Ihr Blick fiel auf die Küchenuhr: 16.30 Uhr. Wenn sie die Wohnung noch verlassen wollte, bevor Horst nach Hause kam, musste sie sich beeilen. Sie stellte die Töpfe vom Herd, richtete ihrem Mann einen Teller und schob ihn zum Warmhalten in den Backofen. Schließlich holte sie die Regenjacke. Es fröstelte sie bei dem Gedanken, hinaus ins Gewitter zu müssen. Doch die Sorge um Louis trieb sie an. War etwas passiert? Hatten seine Werte sich verschlechtert? Warum ging Christian nicht ans Telefon? Sie vergewisserte sich, dass sie den Wohnungsschlüssel eingesteckt hatte und zog die Tür hinter sich zu. Hastig stieg sie die Stufen hinunter in den Fahrradkeller. Ihr Telefon klingelte in der Regenjacke. Endlich, dachte sie. Der Blick aufs Display enttäuschte sie: Fräulein Marquart. Bestimmt war ihr noch ein Punkt eingefallen, den sie auf die Einkaufsliste setzen sollte.

      Dann hörte sie von oben ein klackendes Geräusch. Jemand schloss die Tür des Wohnblocks auf. Kam Horst schon nachhause? Kurz wägte sie ab, ob sie das Gespräch annehmen sollte. Mit schlechtem Gewissen der alten Lehrerin gegenüber lehnte sie den Anruf ab und schaltete das Handy aus. Die Brandschutztür fiel knallend hinter ihr zu.

      Der Hinterreifen ihres Rades war platt. Wie oft hatte sie Horst schon gebeten, danach zu schauen? Sie lenkte die Gedanken zurück auf Christian. Warum hatte er sie abgewimmelt und stellte sich tot? Mit einem Anflug von Wut, allein auf sich gestellt zu sein, pumpte sie Luft in den Reifen. Sie hielt erst inne, als sie den Knall der Brandschutztür hörte. Wenig später ertönte das Klingeln aneinander reibender Flaschen. Vorsichtig lugte Renate um die Ecke. Horst! In der Hand trug er die Plastiktüte eines Discounters, deren Tragelaschen sich vom Gewicht des Inhalts bedenklich dehnten. Er schloss den Keller auf und hantierte. Das Klappern von Flaschen wurde lauter. Dann Stille. Hatte er sie bemerkt? Ihr Herz schlug bis zum Hals, dicht presste sie den Rücken an die Betonwand. Eine Bierflasche zischte, ein Kronkorken fiel klappernd zu Boden. Renate hörte hastige Schlucke und einen befriedigten Seufzer, schließlich ein Rülpsen. Dann schloss Horst den Verschlag hinter sich ab und verschwand. Als der Schlag der Brandschutztür verhallt war, wagte Renate sich aus ihrer Deckung. Zögerlich, als wäge sie noch ab, ob sie die Wahrheit wissen wollte, schloss sie den Keller auf. »Wo versteckst du deinen Stoff«, flüsterte sie vor sich hin und ließ ihren Blick wandern. Die Scharniere der Hängeschränke an der Wand quietschten. Das Öffnen hätte sie gehört. An der anderen Wand lehnten ein paar alte Schrankböden und der sündhaft teure Staubsauger, den Horst sich hatte aufschwatzen lassen. Er hatte eine erstaunliche Saugkraft, war aber so unhandlich, dass er sich für den täglichen Haushalt nicht eignete. Vier ausrangierte Blumentöpfe, ein angebrochener

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