Die Kinder der Schiffbrüchigen. Jonas Nowotny

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Die Kinder der Schiffbrüchigen - Jonas Nowotny

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selben Zeit, drei graue Häuserblocks weiter, grollte Donner, als Björn aus dem VW-Bus sprang, die Autotür zuschleuderte und seinem Kollegen im Auto zum Abschied winkte. Mit der Kapuze hätte er sich vor dem Platzregen schützen können, aber er zog sie sich nicht über den Kopf. Er empfand den Schauer als reinigend, reckte das Gesicht in den Regen. Der Kollege hupte mit dem Scheinwerfer und fuhr weiter.

      Die wenigen Schritte bis zur Tür zogen sich hin, als trüge er ein unsichtbares Gummiband im Rücken. Bleiern waren seine Füße. In diesem Moment wollte er überall hin, nur nicht heim. Im Hausflur triefte er vor Nässe und legte eine Tropfspur ins erste Obergeschoss. Dort betrachtete er vor der Wohnungstür die Wasserlache, die sich um ihn auszubreiten begann. Er zögerte. Noch konnte er umkehren. Ein müdes Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Dann steckte er den Schlüssel ins Schloss. Die Gelegenheit zur Flucht war verstrichen.

      Björn schob sich in die Wohnung; ein warmes Flackern empfing ihn. Wo sonst Spielzeuge als Stolperfallen lagen, brannten heute Teelichter. Sie hatte Rosenblütenblätter verstreut. Björn packte der Impuls zur Flucht, unterdrückte ihn jedoch und schälte sich umständlich aus der Jacke. Endlich hing sie an der Garderobe. Nicht heute, dachte er, nicht jetzt!

      »Hey, Schatz!«, schnurrte Catrin.

      Björn wandte sich um und sah Catrin am Ende des Flurs, gegen den Türrahmen des Badezimmers gelehnt. Ein rotes Seidentuch züngelte neckisch um ihren nackten Körper. Ein unschuldiges Schulmädchenlächeln lockte ihn mit dem Zeigefinger näher. »Wir haben alle Zeit der Welt«, wisperte sie, »unsere süßen drei schlafen heute bei Tabea.«

      Ein Regentropfen lief Björn aus dem Haar über das Gesicht und fiel zischend in ein Teelicht. Er schluckte.

      »Komm schon«. Catrin ließ sich den Seidenschal wie eine Königsboa um den Hals gleiten und leckte sich lasziv die Lippen. Eine hübsche Frau und eine Schlange, dachte Björn. War das nicht ein Bild aus der Bibel? Adam und Eva. Auch heute würde Eva ihn dorthin bekommen, wo sie ihn haben wollte: ins Bett. Warum also dagegen ankämpfen.

      »Ich sehne mich schon den ganzen Tag nach dir.«

      Wie sie das sagte! In einem früheren Leben, das noch nicht lange zurücklag, war er auf seine graue Maus am Herd stolz gewesen. Konnte sie sich doch im Handumdrehen in ein williges Bunny verwandeln und ihn sein lassen, was er nur zu gerne war: ein richtiger Mann, einer, der sich holte, was er brauchte, nein, was ihm zustand. Catrin ließ das Seidentuch effektvoll vom Körper gleiten. Der Anblick seiner nackten Frau durchzuckte Björn wie ein Blitz. Draußen krachte der Donner.

      »Komm«, hauchte die unschuldige Bunnystimme. Björn atmete tief durch die Nase. Rosenduft stieg ihm in den Kopf, irgendwo kokelte ein Räucherstäbchen. Sie hatte ihn. Ihre Arme schlangen sich um seinen Körper. Sie drückte sich an ihn, küsste seinen Hals. »Du bist ja ganz nass«, flüsterte sie und ließ Ihre Hände an seine Taille wandern. Sie griff nach dem Bund seines Sweatshirts, schob es in die Höhe und mit Björns widerwilliger Hilfe über seinen Kopf.

      »So ist es viel besser, oder?«

      Das T-Shirt fiel als nächstes. Catrins Mund glitt küssend über seinen Oberkörper, ihre Nägel kratzten seinen Rücken und fuhren schließlich hinunter und wanderten nach vorn zur Gürtelschnalle. Wie ein im Lichtkegel paralysiertes Reh starrte Björn geradeaus. Konzentriert versuchte er, die Beherrschung zu bewahren. Kein Körperteil sollte etwas tun, das er nicht wollte.

      »Schatz, ich hatte einen schweren Tag.« Er hielt ihre Hände, aber sie entglitten ihm sofort.

      »Stimmt etwas nicht?«

      »Alles in Ordnung«, log er. »Ich hatte eben viel Arbeit heute.«

      »Entspann dich, lass dich einfach fallen«. Ihr laszives Flüstern drang in sein Ohr. Regungslos ließ er sich aus der Hose schälen und ins Badezimmer bugsieren. Kurz bevor sich sein Blutpegel vollends in mittlerer Körperregion zuspitzen konnte, entdeckte er das verräterische Urinteststreifenpäckchen am Waschbecken. Catrins Lust, erkannte er ernüchtert, entsprang keiner echten Zuneigung, Liebe oder dem animalischen Bedürfnis nach körperlicher Vereinigung. Nein. Allein ihr Eisprung fand statt. Sie hatte ihn penibel errechnet, mit einem LH-Teststreifen überprüft und danach die Babysitterin organisiert. Björns Blut floss zurück in seinen Kopf.

      »Ich bin wirklich nicht in Stimmung.« Er schob sie beiseite und stieg in die Dusche. Catrins gefrorenes Lächeln verschwand hinter dem Duschvorhang.

      »Das Weib ist ihres Leibes nicht mächtig, sondern der Mann«, lockte sie mit süßer Stimme. »Desgleichen der Mann ist seines Leibes nicht mächtig, sondern das Weib.« Catrin schob den Vorhang zur Seite und folgte ihm in die Dusche. Sie wich vor den kühlen Tropfen zurück, die ihren nackten Körper sprenkelten, griff am Hahn und drehte ihn nach links. »Entziehe sich nicht eins dem andern.« Jetzt stand sie hinter ihm, griff nach dem Schwamm, rieb ihm damit die behaarte Brust und küsste seinen Nacken.

      »1. Korinther, Vers 7«, seufzte Björn. Er fühlte die beinahe schmerzhafte Wärme ihres weichen Busens an seinem Rücken. Sein Blick fiel auf das unscheinbare Pflaster in seiner Armbeuge. Sofort erschien das Bild der Kanüle vor Augen, die sich allmählich mit seinem Blut für den zweiten Test füllte. Ekel überkam ihn. Ihm graute vor sich selbst, vor seinem Blut, seinem Speichel und seinem Samen, auf den Catrin heute abzielte. Dem Teststreifen nach stand sie kurz vor dem Eisprung, ihrer fruchtbarsten Zeit im Zyklus, und jetzt verlangte sie von ihm, dass er sie erkannte, wie Adam Eva erkannt hatte damals im Paradies. Er selbst war jüngst aus dem Paradies verstoßen worden. Bis es auch Catrin erfuhr, konnte es nicht mehr lange dauern. Sie seifte ihn ein, führte den Schwamm sanft über seinen Leib. Du kannst mich nicht reinwaschen, Weib, dachte er, der Schmutz sitzt zu tief in mir.

      Catrin stöhnte, fasste ihn an der Taille und drehte ihn zu sich um. Mit halbgeschlossenen Augen und halbgeöffnetem Mund blickte sie ihn an. Sein Bunny war da. Ihre Lippen trafen sich. Herr, schmeckt sie gut!, durchfuhr es ihn. Er zitterte. Catrin sank auf die Knie. Björn konnte sich im Spiegel beobachten. Ein Fluchtimpuls durchzuckte in, doch Catrins fester Griff an Po und Schenkel machte ihm klar, dass Flucht unmöglich war. Vor Selbstekel schloss er die Augen, entzog sich seinem Spiegelbild und gab sich geschlagen. Er war ein leichtes Opfer. Noch nass zerrte sie ihn ins Schlafzimmer, legte ihn ins Bett, setzte sich auf ihn, kreiste mit dem Becken, stöhnte, ritt. Björn gab auf. Seine Hände wanderten über ihren Körper, an ihre Brüste, er richtete sich auf, küsste sich an ihnen betrunken, bis er das Gefühl für die Zeit verlor und in eine andere Welt abtauchte …

      ***

      Sie hat bekommen, was sie wollte. Wie immer, dachte Björn, noch während er kam. Catrin empfing seinen Samen und mit Gottes Willen würde er mit ihr verschmelzen, zu ihrem vierten Kind heranwachsen. Sein Sperma würde ein Leben stiften. Oder es brachte Catrin den siechen Tod. Seine Frau küsste ihn atemlos und ging ins Badezimmer. Sie verwandelte sich zurück in die graue Maus, die sie gewöhnlich war.

      Björn starrte an die Schlafzimmerdecke. Das kurze Empfinden des Einssein wich einem schalen Geschmack im Mund. Er fror. Sein Körper klebte vor Schweiß. Ekel. Selbstverachtung plagte ihn, und er richtete seine Worte an Gott: Herr, sie fragte mich, ob etwas nicht mit mir stimme, und ich antwortete ihr »nein«. Und erneut habe ich gegen deine Gebote verstoßen. Du sollst nicht lügen. Denn auch Schweigen ist Lügen. Aber wie kann ich ihr eine solch ungeheuerliche Wahrheit überbringen? Jesus sagt, wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Catrin ist rein, Herr. Sie wird sich bücken, einen runden Stein aus dem Staub heben, nicht groß genug, um mich zu töten und nicht klein genug, um mich unversehrt zu lassen. Und sie wird ihn auf mich werfen, ohne Schuld, denn sie ist rein, Herr, und meine Schuld wiegt schwer. Wie konnte ich nur glauben, du hättest mir verziehen und vergessen? Herr, ich weiß, ich habe keinen Grund zu klagen, denn du bist gerecht

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