Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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auf den Tisch, es gab Zucker mit Zimt und manchmal, wenn Lindtraud Sahne mitbrachte, gab es Schlagsahne. Frau Kofer hatte noch etwas Besonderes, Ihre Verwandten aus USA hatten ihr kanadischen Ahornsirup geschickt. Waffeln waren ein Festessen, obwohl wir aus unterschiedlichen Familien kamen. Rosanna war ein Einzelkind aus einer wohlhabenden Zahnarztfamilie. Sie sah ihrer Mutter sehr ähnlich. Ihre Mutter war groß und schlank, hatte kurze blonde Haare und war immer gut gekleidet, meist trug sie ein Kostüm mit engem Rock, der hinten geschlitzt war. Ihr Vater, war etwas korpulent und ebenfalls gut angezogen. Sie war die größte von uns. Im Kindergarten waren wir gleich groß. Rosanns hatte, wie ihre Mutter, große blaue Augen und lange blonde Haare mit Zöpfen, die oft zu „Affenschaukeln“ gebunden waren. Sie hatte eine hohe Stirn, die sie beim Nachdenken in Falten legte, was ich lustig fand, wenn sie mich ansah. Sie hatte lange schmale Hände, denen ich oft zusah, wenn sie mit ihrem Federhalter über ihr Heft huschten. Rosanna war rasch gewachsen und hatte lange Beine. Sie konnte, wenn wir fangen spielten, schnell rennen. Sie warf, was nur wenige Mädchen konnten, fast so weit wie Jungs. Da sie auch klettern konnte, sagte Frau Kofer: „Rosanna, du bist ein sportliches Mädchen.“ Im Schulhof bewunderte ich sie beim Seilhüpfen, sie sprang hoch und ihre Zöpfe hüpften, mit ihr rauf und runter. Sie hatte sicher nie gehungert. Wahrscheinlich gab es bei ihrer Mutter keine Waffeln, denn die fand sie bei Frau Kofer besonders lecker. Lindtraud und ich waren seit langem gleich groß, Lindtraud hatte von allen Mädchen die weiblichste Figur. Sie hatte einen hübschen Po, der durch ihr leichtes Hohlkreuz betont wurde. Sie hatte ebenfalls blonde lange Haare, die sie meist zu Zöpfen geflochten, als Kränzchen auf dem Kopf trug. Sie war ein hübsches, meist lachendes und fröhliches Mädchen. Wenn ich sie ansah und sie es bemerkte, lachte sie immer. Sie hatte einen hübschen Mund mit weißen, ebenmäßigen Zähnen, was damals selten war, da es damals noch keine Zahnspangen gab. Sie hatte große, kräftige Hände. Lindtraud hatte dank der Landwirtschaft ihrer Eltern, ebenfalls nie gehungert. Waffeln hat ihre Mutter nie gebacken, deshalb mochte Lindtraud Waffeln ebenfalls besonders. Reinhild war, ein Einzelkind, die wie ich, keinen Vater hatte. Ihr Vater war vermisst und ihre Mutter hatte seit Jahren nichts von ihm gehört. Reinhild sah mit ihren tiefschwarzen, gelockten und kräftigen Haaren etwas exotisch aus. Sie war die kleinste von uns, ihre gelockten Haare trug sie sehr kurz. Sie hatte kohlschwarze Augen, dunkle Augenbrauen und eine braune Haut, ihre Lippen waren voller und dunkler als bei andern Mädchen, ihre Zähne waren schneeweiß. Sie war ein zurückhaltendes und schüchternes Mädchen, die Rosanna dankbar war, weil das bewunderte Mädchen, ihre Freundin war. Sie sprach kaum über sich und erzählte wenig über ihre Mutter. Ich glaube, sie kannte ihren Vater nicht. Mir gefielen ihre kurzen, gelockten Haare. Wenn ich Gelegenheit hatte, fuhr ich mit meiner Hand durch ihre kräftigen Locken und sagte: „Mir gefallen deine schwarze Locken.“ Sie antwortet: „Du schpinsch ja, was glaubsch wie froh i wär, wenn i so schöne Haare hätte, wie d‘Rosanna.“ Ich denke, dass Reinhild in der Nachkriegszeit auch öfters gehungert hat. Reinhilds Mutter hatte nach der Währungsreform einen, wie man heute sagen würde, „Klamotten-Laden“. Sie war vollschlank, sehr gesprächig und ein Verkaufstalent. Meine Mutter hatte von ihrem, ehemals wohlhabenden Vater, eine elektrische Koffernähmaschine mit einem Kniegashebel, zur Hochzeit bekommen. Meine Mutter verlieh ihre Nähmaschine öfters an Reinhilds Mutter, die damit Kleidung nähte und Änderungen an der Kleidung ihrer Kunden vornahm. Das Verleihen war eine Nachkriegserfindung. Wenn jemand ein besonderes Gerät oder ein besonderes Werkzeug hatte, wurde es häufig verliehen. Der Leiher gab es nach Gebrauch zurück und verlieh ein anderes Gerät, oder er half mit entsprechender Tätigkeit. Reinhilds Mutter gab meiner Mutter, je nachdem wie lange sie die Nähmaschine hatte, Kleidung dafür, oder veränderte Kleidung von uns. Kleidung wurde nie weggeworfen, sondern verschenkt, verkauft oder gewendet. Mein Vetter, war wenig älter als ich, aber größer und breiter. Deshalb schenkte mir seine Mutter Kleidung, die ihrem Sohn zu klein war. Schon damals war mir Kleidung wichtig, deshalb war ich meiner Tante für die hübsche Kleidung dankbar. Das Essen bei unserer Lehrerin schmeckte uns immer, die Waffeln, die am Tisch gebacken wurden, waren etwas Besonderes. Frau Kofer stellte in einer Glasschale den Teig auf den Tisch, wir konnten unsere Waffeln selbst backen, je nach Geschmack dunkler und knuspriger, oder heller. Da wir Kinder donnerstags zu viert waren, war es beim Mittagessen lustig und lebhaft, wir freuten uns auf diesen Tag. Wir hatten verschiedene Serviettenringe, denn damals gab es noch keine Papierservietten. Die Servietten wurden nicht nach jedem Essen gewaschen, da sie von den gleichen Personen benutzt wurden. Meine Serviette, erkannten alle, denn ich hatte immer die, mit den meisten Flecken. Frau Kofer wusch ihre Wäsche nicht selbst, sie brachte sie in die Wäscherei unseres Dorfs. Später hatte die Wäscherei sogar ein oder zwei Lieferwagen und entsprechende Fahrer, die bei Kunden die Wäsche abholten und gewaschen, gebügelt zurückbrachten. Mir war es immer etwas peinlich, wenn Frau Kofer beim Tischdecken zu Rosa sagte: „Hol für Louis eine neue Serviette aus dem Schrank, denn seine hat Flecken.“ Meine Mutter sagte oft zu mir, was du auch anhast, ich glaube dir läuft der Schmutz nach. Als wir den Tisch abgeräumt, das Geschirr abgewaschen und aufgeräumt hatten, erinnerte uns Frau Kofer an unseren Aufsatz in dem wir über besondere Erlebnisse schreiben sollten. Ich schrieb über meinem tunesischen Freund, der mir aus seiner Heimat erzählte. Von dem wir, seit die französische Besatzung nicht mehr in Larenbuch war, leider nichts mehr gehört hatten. Ich erinnerte mich noch an viele Erzählungen und Beschreibungen aus seinem Land, in dem süße Datteln und Orangen wachsen und Menschen auf Kamelen ritten und an endlosen Sandstränden des Mittelmeers barfuß laufen und im Meer schwimmen würden. Wie die Fischer im Meer mit Netzen Fische fingen und auf den Fischmärkten verkauften. Ich beschrieb, dass es in Tunesien von Mai bis November nicht regnen würde und schrieb über den Duft der vielen tausend blühenden Orangenbäume von Cap Bon, die die Menschen von April bis Mai mit ihrem Duft betörten. Die schlanken. braunhäutigen Menschen wären hübsch, sie hätten schwarze Haare und dunkle Augen. Ihre Kinder würden immer lachen. Ich erzählte, dass ich sicher eines Tages dieses Land besuchen würde und auf einem Kamel durch die Sahara reiten würde. Ich glaubte fest daran und zeichnete, wie ich auf einem Kamel saß und durch die Sahara ritt. Frau Kofer wollte das Bild und meinen Aufsatz behalten, deshalb schenkte ich ihr beides. Sie hat die Zeichnung eingerahmt und im Esszimmer, neben unsern Fotos aufgehängt. Ich war mit meinem Aufsatz zuerst fertig. Frau Kofer sagte, dein Aufsatz gefällt mir, er ist wie ein Reisebericht, man glaubt, du wärst dort gewesen. Von 1971 bis 1985 leitete ich eine Großimkerei in Tunesien. Im Jahre 1978 ritt ich mit Beduinen auf einem Kamel durch die Sahara und übernachtete in Oasen. Seit 1990 produziert eine tunesische Firma einen Dattelschnaps. Wenn ich im Bett lag und Luftschlösser baute, träumte ich von dem Land mit dunkelhäutigen Menschen und lachenden Kindern. Frau Kofer ließ uns Zeit für den Aufsatz unsrer Erlebnisse. Sie schaute uns manchmal über die Schulter und las wohl, was wir schrieben. Als ich von meinem tunesischen Freund schrieb, waren einige Tränen auf mein Heft getropft. Frau Kofer umarmte und tröstete mich. Ich schmiegte mich an sie und nahm ihren Geruch war. Ich spürte mein Geschlecht und wurde verlegen, weil Frau Kofer es bemerkte und mich ansah. Rosanna schrieb über ihr Kindergartenerlebnis, als sie mir, unwissend ihr Kätzchen zeigte und wir deshalb bestraft wurden, kamen ihr Tränen. Rosanna wurde ebenfalls von Frau Kofer getröstet. Jeder von uns trug wohl ein Erinnerungspaket mit sich. Lindtraud, die immer lachte und fröhlich war, weinte ebenfalls, denn sie schrieb, wie sie mit ihrer Mutter und ihren Schwestern ihren Vater im Lazarett besuchte. Als der Arzt den Verband abnahm, fehlte ihrem Vater ein Teil seines Gesichts. Bombensplitter hatten Narben an seinem Körper hinterlassen. Lindtraud ließ sich ebenfalls trösten, sie sagte: „Für Reinhild un Louis isch's no viel schlimmer, denn beide haben keinen Vater mehr. Bei meim Vater hat sich bloß s’Gsicht verändert, un des sehen wir schon nimmer, weil er so lieb ist.“ Wir weinten schließlich alle. Reinhild erzählte weinend: „Ich versuche abends meine Mutter zu trösten, wenn sie im Bett weint, weil sie nicht weiß, wo mein Papa ist, ob er noch lebt oder möglicherweise tot ist. Plötzlich weinte auch Frau Kofer und sagte: „Ich kenne euch inzwischen gut, deshalb erzähle ich euch meine Geschichte: „Als ich mit meiner Mutter und meiner älteren Schwester auf der Flucht war, hatten wir uns, in einem verlassenen Keller eines kaputten Hauses, aneinander geschmiegt, um uns zu wärmen. Ich war tief und fest eingeschlafen. Als ich erwachte lag meine Mutter auf mir und wärmte mich. Ich erschrak, als ich bemerkte, dass meine Mutter nicht warm war. Ich war voll Blut, es war nicht mein Blut, es war Blut meiner Mutter. Man hatte in dieser Nacht meine Mutter und meine Schwester umgebracht. – Wir alle weinen jetzt noch mal gemeinsam, dann behalten wir unsere

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