Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer

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Mitternachtswende - Melanie Ruschmeyer

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In diesem Augenblick hätte sie sich fast verraten, dass war ihr bewusst und dennoch gleich, aber es ging nicht. Wie eine Schranke, die ihre Worte abschätzte und für falsch empfand, durften sie ihren Mund nicht verlassen.

      Dann gewann Josys Handbewegung ihre Aufmerksamkeit. Fast belanglos zupfte sie aus ihrer Jeanstasche einen Umschlag heraus und wedelte damit. ››Gestern kam ein neuer Brief an. Möchtest du ihn vielleicht lesen? Ich würde dir auch Gesellschaft leisten und hier bleiben‹‹, dann erhob sie die freie Hand, um die weiteren Worte zu untermalen, ››aber natürlich lese ich nicht was drin steht. Ich lasse dir deinen Freiraum und bleib an Ort und Stelle sitzen!‹‹

      Fassungslos fixierte Carla den weißen Umschlag. Eine magische Anziehungskraft ging von ihm aus, aber auch der Geruch von purer Ablehnung schlängelte sich abrupt in ihre Nase. ››Der stinkt‹‹, setzte sie ihre Gedanken um und Josy lachte nickend.

      ››Du möchtest doch sicherlich wissen, wie es den beiden geht. Vielleicht hat Alexander auch ein paar Zeilen selbst geschrieben.‹‹

      Prompt reagierte etwas auf diesen Namen. Ein Herzschlag, anders als der ihre, pochte unter der Brust. Auch wenn er sie nur ein einziges Mal wie einen Schlag erfasste, zuckte sie zusammen.

      Carla schloss die Augen und Schwärze umfing sie. Die Erkenntnis war sofort da. Unverkennbar stark und beängstigend. Sarah hatte sich bewegt; sie hatte sich bei seinem Namen geregt. Als Carla sich den Schemen in ihrem Inneren vorstellte, musste sie jedoch feststellen, dass Sarah noch immer ihren Tränen erlag. Lediglich kurz musste sie gelauscht haben.

      Doch war sie nun froh oder traurig darüber? Es war die Frage, die sie nicht beantworten konnte und die sie zum Grübeln brachte.

      Ruckartig öffnete sie ihre Augen. Josy saß weiterhin vor der Tür und hielt den Brief in Händen. Sie wartete.

      Diese Fürsorge war zu viel für Carla, sie war überfordert. Allerdings nicht nur von Josy, die urplötzlich so freundlich zu ihr war, sondern von ihren eigenen Empfindungen, die so unkontrolliert waren, wie das Meer. Eines wurde ihr jedoch schlagartig bewusst: Erst wenn sie wusste, was sie wollte, durfte sie diesen Umschlag berühren und lesen. Erst dann!

      So antwortete sie: ››Ich danke dir für deine lieben Worte, aber ich kann nicht. … Jedenfalls jetzt noch nicht. Würdest du ihn für mich aufbewahren, bis ich mir sicher sein kann, dass ich es ertrage?‹‹

      Liebevoll schaute Josy sie an und erweichte ihr Herz. Es war diese tiefe Freundschaft, die Carla schlucken ließ, denn sie wusste um den Betrug, den sie dieser Frau antat. Ohne Worte nickte ihr die Freundin zu und dann änderte sich das Bild schlagartig. Anklagend zuckte der Umschlag in ihre Richtung und Josy schmunzelte. ››Du willst ja nur, dass unser Zimmer vom Gestank verpestet wird, gib es zu!‹‹

      Plötzlich musste Carla herzlich lachen. Die Art und Weise wie sich Josy gab und was sie sagte, war so seltsam belustigend, dass sie nicht anders konnte. Und als sie so darüber nachdachte, wurde ihr schmerzlich bewusst, dass es das erste Mal war, das sie so herzlich lachte.

      Auf einmal flogen die Tage dahin. Ihre Umgebung war im Umbruch und auch wenn Carla sich anfangs noch gefragt hatte warum, war diese Frage schon lange in Vergessenheit geraten. Sie verstand sich mit Josy so gut, wie noch nie. Sie scherzten, lachten, gingen gemeinsam spazieren und erst heute waren sie zum Einkaufsbummel gefahren.

      Der Kofferraum des BMW war überfüllt mit Taschen und Tüten. Die Frauen hatten alle Mühe gehabt ihn überhaupt noch zu schließen, dabei mussten ein paar Taschen auf der Rücksitzbank platz nehmen.

      Die Musik des Radios dröhnte aus den Lautsprechern. Ein Lied, welches die beiden Frauen sehr mochten, nahm ihre Aufmerksamkeit ein. Sie sagen mit und bewegten sich, soweit es die Gurte zuließen, zur Musik.

      Carla war glücklich. Über alle Maßen strahlte sie und war sich sicher, ihren Platz gefunden zu haben. Ihr tägliches Make-up, was sie als eine Art Maske angesehen hatte, um sich von der eigentlichen Sarah abzugrenzen, war verschwunden. Sie glaubte es nicht mehr zu brauchen. Auch das Gespür für ihre andere Seite, für den anderen Teil in ihr, war verebbt. Zwar war sie sich sicher, dass Sarah noch existierte, aber durch ihre überschwänglichen Gefühle, brauchte sie keine Angst mehr zu haben, die Oberhand zu verlieren.

      Als das Auto die Auffahrt zum Carport und dem Fuhrpark der Familie Davenport ansteuerten, musterte sie die Ranken an dem Holz. Vor Monaten hatte sie durch Sarah mitbekommen, wie Celest ihre Blumen hier ausgesetzt hatte, um das Carport zu verschönern. Jetzt bei der Kälte hatten sie ihre Blätter und Blüten verloren. Sie zeigten ihre nackte, kahle Haut und trotzdem vermochten sie das Bild aufzulockern. Carla kam nicht umher an sie zu denken.

      Die zerbrechliche Celest war erst gestern wieder nach Hause gekommen. Etwa drei Wochen war sie spurlos verschwunden. Niemand hatte ihr sagen können, wohin sie gegangen war. Angeblich sei sie verreist, so hatte es ihre Schwester versucht dazustellen. Seitdem sie diese Familie kannte, hatte Celest das Haus nur zum Silvesterball verlassen. Wo war sie also gewesen?

      Geistesabwesend stützte sie ihren Ellenbogen an der Tür ab und rieb sich die Lippen.

      ››Weißt du mittlerweile warum Celest weg war?‹‹, machte Carla ihren Gedanken Luft. Aus irgendeinem Grund sträubten sich ihr die Nackenhaare. Ein regelrechter Schauer durchzuckte sie wie ein Stromschlag.

      Josy zog den Schlüssel des Autos, blickte zu ihr und legte den Kopf schief. ››Nein, warum interessiert dich das so?‹‹

      ››Ich weiß auch nicht genau.‹‹

      Ihre Freundin winkte ab: ››Ach, jeder brauch mal eine Auszeit.‹‹

      ››Warst du es nicht gewesen, die mir sagte, dass sie nur sehr selten ihr Heim verlässt!?‹‹

      Es war der Hauch einer seltsamen Bewegung, fast wie ein verräterisches Zwinkern, der Josy verriet. Plötzlich war sie davon überzeugt, dass diese Frau mehr wusste, als sie den Anschein wahrte. Ihre Augen wurden schmal, als sie aus dem BMW ausstieg und krampfhaft versuchte diese Reaktion von sich zu weisen.

      Auf einmal wurden ihre Gedanken überschattet. Ein Schwindelgefühl packte brutal zu. Mit aller Gewalt zerrte er an ihren Beinen und gaukelte ihr blanke Finsternis vor. Für Sekunden umfing sie Schwärze und nahm ihr jegliches Augenlicht. Carla hielt sich an der Tür fest, krallte sich in den oberen Rahmen und hörte schon das schreckliche Geräusch ihrer Fingernägel, die das Metall und den Lack zerkratzten.

      Was war nur mit ihr los? Wie ein nasser Sack ließ sie sich zurück auf den Sitz fallen. Ihr Kopf klappte nach links und rechts, die Augen verdrehten ihre Sicht und sorgten somit kurzzeitig für Kopfschmerzen. Wie ein Trommelkonzert hämmerte der Schmerz gegen ihre Schläfen.

      ››Ist alles in Ordnung?‹‹, fragte Josy besorgt und war wie ein Blitz sofort an der Beifahrertür.

      Carla versuchte zu antworten, keuchte, schnappte nach Luft, doch schaffte es nicht.

      Plötzlich vernahm sie einen Schrei; bitterlich und von Schmerz erfüllt. Ein unglaublicher Tritt gegen die Brust unterstrich seine Präsenz, wie das erste Donnergrollen eines schrecklichen Sturms.

      Ihr Herz schlug schneller und sie schloss die Augen, um wieder die Beherrschung über sich selbst zu erlangen. Alles schien geschunden und in Aufruhr zu sein; jede Zelle, jede Vene und jeder Nerv. Gespannt wie ein Bogen vor dem Schuss lauerte ihr Körper auf etwas, was sie nicht zu fassen bekam und sie enorm verunsicherte. Die Fassung über all dies zurück zu erlangen, glich einem Kampf der Giganten.

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