Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer

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Mitternachtswende - Melanie Ruschmeyer

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in eine einfarbige, kalte Wüste verwandelt wurde. Während Alex sich hier ohne Probleme verstecken konnte, war es für Silas nicht gerade einfach. Manchmal, wenn ihn die Gedanken und Gefühle an diesen Mann übermannten, dachte Alex, dass Silas das schwarze Schaf der Familie Yue wäre. Dies war ziemlich überheblich, dass gestand er sich selbst ein, doch es half ungemein die Unausstehlichkeit seinerseits zu ertragen.

      In den letzten Woche hatte man dem erstgeborene Sohn des Königs eine Aufgabe zuteil werden lassen, die ihm anfänglich missfiel: Alexanders Werwolfgen unter Kontrolle zu bringen. Mittlerweile hatte er Gefallen daran gefunden und raubte Alex jede Minute seiner Zeit. Zumindest empfand er es so.

      Alex schnaubte heißen Dampf aus der Schnauze und legte den Kopf schief, als er ihn bei seiner Bergserklimmung beobachtete. Er war flink und geschickt und natürlich hatte er ihm viel voraus. Silas kannte nur seine Wolfgestalt. Für ihn gab es nichts anderes, ganz im Gegenteil zu Alexander. Ihm war diese Gestalt nicht nur fremd gewesen, sie war lästig! Stets bei Vollmond hatte ihn die Kraft heimgesucht, kränkeln lassen und leider auch die Oberhand über ihn gewonnen. Zu oft war er ein Gefangener in seinem eigenem Körper gewesen.

      Ganz schnell schüttelte er die Bilder ab, die versuchten ihn zu plagen. Es kam einem Schwerthieb ins Herz gleich, die sie in ihm hervorbrachten, denn der Wolf hasste den Vampir. Und genau diese andere Seite konnte er zweifelsohne nicht von sich weisen. Das wusste auch der Wolf. Ein Kampf zweier Gene, die Alexander seit Jahren begleitet hatten.

      Trotz seiner täglichen Auseinandersetzungen mit Silas konnte er ihn verstehen. Vor nicht all zu langer Zeit hatte er ihm eine herbe Niederlage erleiden lassen; getäuscht, missbraucht und gedemütigt. Wer konnte das schon so einfach akzeptieren?

      Auch wenn die beiden Männer bereits eine Mission gemeinsam bestritten und dabei sogar Dicht an Dicht zusammen gekämpft hatten, brachte das dem Misstrauen keinen Abbruch.

      Für Alex allerdings waren diese Spitzfindigkeiten eine gelungene Abwechslung vom Alltag und eine Ablenkung von seinem Herzschmerz. Er plagte ihn seit Wochen; er suchte ihn heim wie ein zu Fleisch gewordener Feind.

      Ungewollte baute sich ein Bild in seinem Unterbewusstsein auf. Wie ein Puzzle setzten sich die Teile zusammen und formten den Kopf einer blonden Frau. Liebevoll lächelte sie ihn an. Sie war betörend schön. Sarah!

      Als ihn der Blitz direkt in das Herz traf, krümmte er sich krampfhaft. Nein! Er durfte nicht an sie denken! Er musste sich konzentrieren; um jeden Preis! Auf keinen Fall wollte er seinen Wahnvorstellungen erliegen, die ihn in ihre falschen, imaginären Arme trieben! Zu oft hatte er sie gesehen. Eine widerliche Fälschung, die zu seinem Leidwesen so echt wirkte und seinen Körper forderte, dass es weh tat. Er hasste und liebte diese Situationen zugleich. War sie doch nicht anwesend, das wusste er, so war sie dennoch als Scheinwesen da. Wie süß und heiß waren die Berührungen ihrer Wange gewesen...

      Voller Inbrunst jaulte er auf, sprintete und sprang an die Felswand. Tief grub er seine mächtigen Pranken in das Gestein und ertrug das widerliche Knirschen, dass seine empfindlichen Ohren erreichte. Der Ton hallte wider und erfüllte die Umgebung mit Gewalt.

      Seine Schulterblätter drückten sich weit hervor, als er begann Silas zu folgen. Die Kraft des Wolfes war sein und um nichts in der Welt wollte er seinem vermeidlichem Lehrer einen Hauch von Schwäche zeigen. Niemand durfte seinen Schmerz sehen. Niemand den Zwiespalt seiner Seele erkennen. Sie machte ihn angreifbar und schwach. Eigenschaften, die er sich nicht leisten konnte.

      Doch war es wirklich niemand, der sein Leid bemerkte? Traurig schauten die Augen des Tieres zu dem schwarzen Fellbündel empor.

      Doch. Eine Person in diesem spärlich besiedelten Gebirge Tibets wusste um seinen Schmerz. Und wenn er sich es eingestand, war er auch sehr froh darum.

      Sie war in seiner Nähe; hörte zu und gab ihm einen Hauch von Halt. Ganz alleine wäre er hier verkümmert, aber seine langjährige Freundin Flora war nicht von seiner Seite gewichen.

      Dass er eben dieser Person gestern ein Versprechen gegeben hatte, was er gebrochen hatte, tat ihm unbeschreiblich leid. Es war nichts weltbewegendes gewesen, lediglich ein kleiner Spaziergang. Jedoch hatte er ihr nicht einmal mitteilen können, dass dieser verschoben werden musste. Ohne ihm auch nur eine Minute zu gewähren, war Silas aufgekreuzt und hatte ihn mit sich genommen. In diesen Augenblicken fühlte er sich wie ein Sklave. Er musste gehorchen und alles stehen und liegen lassen, was ihm wichtig war.

      Zwar war Alexander ihm auf der einen Seite auch dankbar, schließlich half er ihm dabei sein geteiltes Leben zusammen zu fügen, aber auf der anderen Seite, machte dieser Mann mit ihm, was er wollte.

      Seinen Gedanken erlegen versuchte er Silas zu überholen. Denn wenn er erst einmal bewies, dass er ihn nicht mehr brauchte und den Wolf in sich bezwungen hatte, glaubte er, diesen überheblichen Asiaten vorerst losgeworden zu sein.

      Währenddessen saß Flora in ihrem Zimmer.

      Das Papier, welches sich auf dem Tisch vor ihr befand, war zerknüllt und rissig. Wie ein aus Wut und Frust geformter Ball lag er anklagend vor ihr. Ungewollte sackte ihr Kopf nach unten und die blonden Strähnen fielen noch weiter über ihr rechtes Auge. Grimmig brummte sie. Warum tat sie sich das an? Tag für Tag, Zeile für Zeile und Brief für Brief. Langsam war sie es leid ihr Leben in Worte zu fassen und sie an eine Person zu schicken, die ihr wohl keine Beachtung mehr schenkte. Anfangs hatte sie sich noch gefragt warum, doch mittlerweile war diese Frage in Vergessenheit geraten.

      Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster vor sich und stützte ihren Kopf ab. Es war ein schöner Wintertag. Nur wenige Wolken tanzten über dem blauen Himmel. Flora wusste, dass die Stadt, die von ihrer Position gerade nicht zu sichten war, unter einer leichten Schneedecke begraben lag. Bald würde sie durch die einstigen Felder und Äcker spazieren gehen.

      Bei dem Gedanken heiterte sich ihr Gemüt auf und der Gesichtsausdruck wirkte verträumt.

      Der Stift in ihrer rechten Hand kratzte durch ihr kurzes, blondes Haar. Sollte sie weiterschreiben und den Papierball von ihrem Wutanfall befreien?

      Sie seufzte. Mit energisch zusammengepressten Lippen glättete Flora das Papier. Irgendwie konnte sie dieser einen Sache nicht entsagen. Es war eine regelrechte Droge geworden die Briefe an Sarah zu schreiben. Zwar war sie von ihrem eigentlichem Ziel abgewichen, ihrer Freundin eine falsche Liebe zu offenbaren, aber sie hatte vor Wochen damit begonnen, sich eine andere Lüge aufzubauen. Und so schrieb sie auch jetzt weiter.

      Tagesabläufe mit Alexander, die nicht stattfanden. Sie schilderte von Spaziergängen, gemeinsamen Abendessen und Besorgungen. Flora glaubte Sarah auf eine andere Weise zeigen zu können, dass Alex auch ohne sie leben konnte. Dass er sie einfach nicht brauchte, um glücklich zu sein.

      Vielleicht war es gerade diese Erkenntnis, die bei ihr angekommen war und sie antwortete ihr aus diesem Grunde nicht.

      Allerdings ging mit den Briefen auch eine tiefe Traurigkeit einher, die Flora oft zum Weinen brachte. Schmerzlich war das Wissen, dass diese Zeilen nur Lug und Trug waren. Eine Welt, die sie sich wünschte, aber für sie wohl unerreichbar blieb. Alexander hatte kaum Zeit für sie. Stets wurde er vom König oder Silas vereinnahmt, musste üben, die Zeremonien der Werwölfe verstehen lernen und am Hofe des Königs an dessen Politik teilhaben. Wo blieb da noch Zeit für sie?!

      Doch dies war nicht das Schlimmste: Wenn Alex dann doch einmal seinen Pflichten entgehen konnte und sie aufsuchte, erzählte er viel zu oft von ihr. Fast jedes Mal nahm sie sich vor, ihm zu sagen, dass es ihr weh tat. Dass sie das nicht hören wollte, aber sie schaffte es nie. Irgendwie war ihr auch schweren Herzens bewusst, dass er dieses brauchte, um es zu verarbeiten. Daher ertrug Flora es.

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