Mitternachtswende. Melanie Ruschmeyer

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Mitternachtswende - Melanie Ruschmeyer

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      Wie oft sie schon versucht hatte aus diesem Teufelskreis auszubrechen und wieder klar sehen zu können, wusste sie nicht mehr.

      Ein Seufzer folgte dem Nächsten. Die Konzentration war schon vor unzähligen Minuten an ihr vorbei gerauscht.

      Dann klopfte es am Rahmen der dünnen Schiebetür. Tiefe Freude quoll in ihr auf und breitete sich aus wie ein Lauffeuer. Hitze erfasste ihre Wangen. Der Kopf wurde nach hinten geworfen und drehte sich schnell in Richtung Tür. Heiter sagte sie: ››Herein!‹‹

      Ihr Herz klopfte unermüdlich. Endlich war es so weit und Alexander war ihr wieder nah.

      Doch stutzte Flora, als sie hinter der Schiebewand eine zierliche Silhouette ausmachte. Diese passte so gar nicht zu Alexander.

      Mit einem leisen Zischen schob sich die Tür über den Boden und entblößte einen Besucher, den sie gerade weder erwartet, noch sich sehnlichst herbei gewünscht hatte. Königin Fen drückte die Handflächen aufeinander und nickte ihr begrüßend zu. Heute trug sie ein langes, blaues Kleid. Ein großzügiges Band schnürte ihre Taille zu und ließ sie extrem schmal erscheinen. Ihre schwarzen Haare waren zu einem strengen Dutt gebunden, wodurch ihr schönes Gesicht noch besser zur Geltung kam.

      ››Guten Tag, Flora‹‹, sagte sie und lächelte.

      Floras hoffnungsvolle Erwartung verflog. Obgleich sie Fens liebevolle Art mochte, war sie trotzdem nicht die Person, die sie sich jetzt gewünscht hatte.

      Schlaff sackten ihre Schulter nach unten. Auch ihre Mundwinkel taten es ihnen gleich. Unhöflich wandte sie den Blick von der Königin ab und starrte auf den Teppich vor ihrem Tisch.

      ››Du hast jemand anderen erwartet, stimmt das?‹‹, fragte Fen.

      Flora nickte.

      ››Es tut mir sehr leid, dir das sagen zu müssen, aber Alexander ist heute bereits sehr früh mit Silas zum Training aufgebrochen. Ich glaube gestern mitbekommen zu haben, dass ihr spazieren gehen wolltet‹‹, einen kurzen Moment hielt sie inne und Flora glaubte, dass sie sie abschätzend musterte. Doch nachdem die Königin keine Reaktion bemerkte, sprach sie weiter, ››Ich dachte mir, vielleicht könnten wir beide ein Stückchen zusammengehen?!‹‹

      Der Stich ins Herz war kurz, aber standhaft. Wie eine dünne Stecknadel, die sich in den Stoff bohrte und stecken blieb. Allmählich musste sie diese Enttäuschungen gewohnt sein, so glaubte Flora, doch aus irgendeinem Grund wollte die Gewohnheit nicht siegen. Es war wohl die Hoffnung, die ihr ständig im Wege stand.

      Über ihre Schulter linste sie zu dem zerknitterten Brief. Die Konzentration hatte sie verlassen und ihr Schuldgefühl drückte sie regelrecht von diesem Papier weg. Was blieb ihr also? Vielleicht würde Flora etwas Ablenkung gut tun. Schließlich würde es ihre Zeit bis zum täglichen Familienabendessen dezimieren.

      Ohne den Blick von dem Stück Papier abzuwenden, antwortete sie: ››Ja, lass uns ein Stück zusammen gehen.‹‹

      Als sie durch die Große Tür zur Aussichtsplattform schritten, musste Flora blinzeln. Die Sonne stach ihr in die Augen. Erst als sie sich ein wenig nach rechts lehnte und in den Schatten der Heronstatur trat, vermochte sie wieder klar zu sehen. Als sie den bearbeiteten Fels inständig betrachtete, fragte sich Flora, was Alexander wohl alles mit diesem Mann gemein hatte. Im Gesicht machte sie keine Übereinstimmungen aus. Sie kannte diesen Werwolf nicht und würde ihm auch niemals mehr begegnen können, denn er war für seine Frau gestorben. Heron, der Held der Wölfe. Ein großer Kriegsgott und Berater des Königs hatte seine menschliche Frau vor einem Vampirangriff schützen wollen. Dafür hatte er sein Leben gegeben. Leider war seine hochschwangere Frau schließlich dem letzten Überlebenden der Gruppe zum Opfer gefallen. Zwar hatte er sie nicht zu töten vermocht, da Verstärkung unterwegs war, aber für Alex´ Mutter kam jede Hilfe zu spät. Das Gift des Vampirbisses war bereits in ihrem Blutkreislauf eingedrungen. So wurde ihr Freund Alexander zu einem Halbwesen. Bei seiner Geburt starb dann letztendlich auch die Frau des großen Kriegsgottes. Eine Tragödie.

      Die Statur war atemberaubend. Liebevoll war jedes Detail hervorgehoben worden. Heron machte seinem damaligen Dasein in Form dieses Abbildes alle Ehre. Er hatte den Arm weit gehoben und schien eine Armee anzuführen. Seine andere Hand ruhte auf einem Wolf. Gierig und geifernd knurrte er die Besucher an. Man konnte meinen, dass er den Feinden den Eintritt verweigerte und sie aufforderte stehen zu bleiben.

      Königin Fen ging unbeirrt weiter. Sie sah nicht zurück und steuerte zielgerichtet den großen, asiatisch Torbogen an. Die Ecken des Holzes griffen förmlich nach dem Himmel und wollten ihn umarmen.

      Breit zog sich um die Aussichtsplattform ein Holzgeländer. Es verschmolz mit dem Bogen zu einer Einheit. Dieser gesamte Komplex war vom Schnee befreit worden. Man sah nur noch die Anzeichen von Besenaktivitäten und Schaufeln; wie winzig kleine, lange Fäden zogen sie sich über den Boden.

      Schnell folgte Flora der Königin und gemeinsam traten die beiden Frauen die lange Treppe herunter, die sich in das Tal hinab erstreckte. Auch hier war strengstens darauf geachtet worden die Stufen und die Hauptstraße vom kalten und glatten Weiß zu befreien.

      Im tibetanischen Gebirge lag dieser wohlbehütete Ort versteckt. Nur wenige kannten ihn, allen voran natürlich die Wölfe. Jedes Mal aufs neue barg der Anblick dieses Ortes etwas magisches. Eingekreist von meterhohen, weißen Bergen war dieses Geheimnis nur durch eine Frau standhaft. Eine Kuppel aus purer Magie schützte diesen Ort vor menschlichen Blicken. Mittlerweile wusste das einstige Dienstmädchen der Maguire wer diese Frau war. Chang-Ying. Nur selten bekam sie die alte Dame zu Gesicht.

      ››Es ist seltsam diese Umgebung in Schnee zu sehen.‹‹ Fen riss Flora aus ihren Gedanken.

      ››Warum?‹‹

      Die Königin atmete warmen Dunst aus, der die Kälte des Augenblickes unterstrich. ››Chang-Ying wacht über das Wetter. Sie sorgt dafür, dass es uns gut geht und wir eine hervorragende Ernte haben. Allerdings muss auch an diesem kleinen Fleckchen Erde irgendwann der Winter Einzug halten.‹‹

      Flora legte den Kopf schief und sank weiter in ihren Mantel hinein. ››Das verstehe ich nicht. Nicht überall auf der Welt wird es Winter. Warum muss es dann hier so sein? Und ich dachte, sie hält den Schutzschild aufrecht, damit ihr nicht entdeckt werdet. Ist er jetzt nicht mehr da?‹‹

      Die Königin seufzte und schüttelte den Kopf. Mit einer leichten Abwesenheit antwortete sie: ››Dies hat mehrere Gründe. Zum einen, weil wir in einem kalten Gebiet leben. Das bedeutet, dass die Natur irgendwann auch ihren Tribut fordert, was uns auch gleich zum zweiten Grund führt. Chang-Ying wird durch die Magie, die sie einsetzt geschändet und altert. Auch sie brauch einmal im Jahr eine Pause. Dabei lässt sie jedoch niemals ihre Pflicht außer Acht. Der Schild zum Schutz steht. Er ist lediglich, … hm, wie soll ich sagen? … Durchdringender. Sie lässt der Natur freien lauf und schreitet nur dann ein, wenn sie muss. Jeder Besucher der den Schild durchschreitet wird so durchleuchtet wie immer.‹‹

      Diese Welt war für die Blondine schwer zu verstehen. Magie war etwas, was es ausschließlich in Fantasyfilmen gab, nicht aber im realen Leben. Hier nun mit ihr konfrontiert zu werden, war unglaubwürdig. Allem voran lag dieses Misstrauen darin begründet, dass Flora die Magie nie gesehen hatte.

      Wann immer sie Chang-Ying sah, konnte sie es nicht glauben. Eine derart alte Frau sollte die Magierin der Wölfe sein? Sie wirkte gebrechlich und schien sich mehr an ihrem Stab zu stützen, als zu gehen. Eines jedoch konnte die Frau nicht von sich drängen. Die Tatsache, dass die alte Damen stets die Wahrheit heraus zu filter vermochte.

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