Mirabili. Charline Dreyer

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Mirabili - Charline Dreyer

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Ich stelle mir rotes Blut vor, im Dunkeln fast schwarz, wie es ihre weißen Bettlaken tränkt. Schon wieder von einem Zittern erschüttert halte ich mich am Fensterrahmen fest. Wie kann es sein, dass mein Bewusstsein derart abstoßend auf den Gedanken des Tötens reagiert? Das ist es doch, was mich ausmacht! Was mich prägt. Was ich bin. Ich bin ein Mörder. Ich bin ein Krieger. Ich bin ein Mann der Schatten und der Dunkelheit, ich fürchte das Töten nicht. Ich genieße es.

      … Ich tue das Richtige. Es ist meine Pflicht, das ist meine Aufgabe. Mein Leben. Ich muss nicht nur, ich will es. Ich tue alles, was die Herzogin verlangt. Ewige Treue, das habe ich geschworen. Auch wenn meine Aufgabe nicht darin besteht, diesen Menschen zur Strecke zu bringen, bleibt mir dennoch keine andere Wahl. Ich werde meine absurden Gefühle zusammen mit diesem erbärmlichen, kleinen Leben ein für alle Mal auslöschen.

      Mein Puls schwillt an, meine Atmung wird flacher, meine Sicht schärfer und meine Instinkte gleichen nun denen eines Raubtiers. Schnell habe ich die Tür erreicht. Angespannt drücke ich dagegen. Sie ist offen. - Mir wird mulmig. Wie leichtsinnig von ihr! Leise Wut ergreift mich. Sie sollte wirklich besser auf ihre Sicherheit acht geben. - Zum Teufel, nein!, besinne ich mich und ehe ich überhaupt diesen schwächlichen Gedanken zu Ende führen kann, zucke ich durch ein eigens von mir verursachtes Geräusch zusammen. Ein Windspiel, direkt über der Tür. Was ist nur los mit mir? All meine Jagdinstinkte sind mit einem Mal wieder eingestellt. Ich runzele die Stirn, bin verwirrt. Das hat sie geweckt. Oder? Sie hat bestimmt einen leichten Schlaf. Ob das Windspiel als Alarmanlage dient? Es erfüllt in jedem Fall seinen Zweck. Das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich benehme mich wie ein purer Anfänger! Lasse mich von einem Windspiel aus der Bahn bringen und mache Lärm, sodass sie vermutlich aufwacht. Wütend beiße ich die Zähne zusammen. Nun, dann eben der schnelle, laute Angriff. Das wird kein Leichtes. Ich kann mich kaum mehr auf meine Sinne konzentrieren, da tausende von Fragen in mir aufkeimen, als ich eine Bewegung aus dem Schlafzimmer wahrnehme. Was tue ich, wenn sie mich angreift? Ob sie ihre Messer bei sich hat? Ist sie vielleicht doch die Gefahr, von der die Herzogin gesprochen hat? Aber könnte ein so harmlos aussehendes Menschenmädchen denn je jemandem wie mir überhaupt ansatzweise gefährlich werden?

      „Stehen bleiben, oder diese Messer treffen erst Euer Herz und dann Eure Kehle! Und glaubt mir, ich bin mehr als nur fähig dazu!“, wirft sie mir ihre Worte entgegen, wie kalte Blizzards. Das beantwortet zumindest schon einmal einen Teil meiner Fragen. Doch dann sehe ich ihre kleinen Hände, fest um die Griffe zweier Messer geschlungen, wie sie sie aus dem Schatten in der Ecke ins Mondlicht streckt. Mir entfährt sofort ein Lachen, so dünne Arme können gar nicht gefährlich sein. Sie hätte nicht einmal die Kraft, eines dieser Messer zu werfen. Wie will sie dann mit zweien gleichzeitig hantieren? - Das ist der Moment! Ich sollte sie an diesen kleinen, zarten Armen packen. Schneller, als sie realisieren kann. So fest zudrücken, dass sie diese Spielzeugmesser fallen lässt und dann sollte ich dem ganzen Spiel ein Ende setzen. Dann wäre ich frei von diesen lächerlichen Fantasien und der Besessenheit von ihr. Diesem ständigen Drang bei ihr zu - … Verdammt! - sei ihr Geruch, der mich erreicht. So lieblich und süß, überrollt mich und hüllt mich ein, schneidet mir den Gedankengang ab. Mein Kopf ist wie leergefegt.

      „Mir wurde schon gesagt, Ihr würdet mir drohen ...“, entfährt es mir. Wieso spreche ich? Wieso greife ich nicht an? Meine Beine sind zäh, wie versunken im Morast des großen Waldes.

      „Was wollt Ihr in meinem Haus?“ Es ist merkwürdig, ihre Stimme aus der Dunkelheit zu hören. Ihre Stimme, hübscher als die der Feen. Ich will sie sehen … Nur um besser abwägen zu können, wie ich sie packen kann, natürlich!

      „Ich bin im Auftrag der Herzogin gekommen, Geneviève.“ Ich spreche schneller, als ich denken kann. Was um alles in der Welt gebe ich hier von mir? Ich sollte mir mein eigenes Schwert in den Leib rammen.

      „Warum flüstert Ihr?“, fragt sie und ihre Stimme zittert leicht. Wenn man sie nicht kennen würde, würde man ihr die Nervosität nicht anmerken. Doch da ich sie wahrscheinlich öfter habe reden hören als jeder andere Mirabilis, höre ich das kleine Zittern ganz deutlich.

      Ich flüstere, um Euch nicht zu verschrecken, will ich sagen. Damit niemand hören kann, wie ich Euch töte, müsste ich sagen und: „Ihr wohnt hier allein, nicht wahr?“, sage ich stattdessen, was vollkommen überflüssig ist, da ich die Antwort natürlich bereits kenne.

      Ohne auf diese Frage einzugehen tritt sie nun endlich aus dem Dunkel ins Mondlicht und mir stockt der Atem, wie so oft bei ihrem Anblick. Ihre klaren Augen mustern mich von oben bis unten und sie hält die Messer gezückt, was mich immer mehr amüsiert. So ein kleiner Mensch kann gar nicht gefährlich sein. Meine Glieder werden schwächer und ich schaffe es kaum noch, aufrecht zu stehen. Ob sie doch eine Hexe ist? Ist das Magie? Ein Fluch? Was tut sie mir an!

      „Wie nennt Ihr Euch?“, fragt sie, nun schon etwas mutiger und mit erhobenem Haupt.

      „Jared. Mein Name ist Jared. Ich bin erster Krieger der Herzogin.“ Und ich werde dir deine zarte Kehle aufschneiden, schneller noch als du überhaupt in Erwägung ziehen könntest, deine Messer nach mir zu werfen. Was ich allmählich tun sollte, da ich es nun endgültig geschafft habe, jegliche Anonymität zunichte zu machen.

      „Was Ihr nicht sagt.“ Ihre Lippen zucken und sie legt den Kopf schräg, wodurch ihr unendlich langes Haar ihr auf der rechten Seite beinahe bis zur Hüfte reicht. Ein silberner Wasserfall, der ihre Kurven umgibt, an ihnen entlangfließt und ihnen schmeichelt.

      „Was starrt Ihr mich so an?“, zischt sie und tritt wieder einen Schritt zurück. Verunsichert ziehe ich die Augenbrauen zusammen. Was soll ich sagen? Ich bin kein Mann großer Worte, dafür umso größerer Taten. Ich bin ein Mann, der sich von Schattenwesen, Riesen, wilden Tieren, Trollen und monströsen Gestalten nicht im Ansatz verunsichern lässt. Doch da stehe ich nun. Vor einem kleinen Mädchen mit großen Augen, deren Farbe sich kaum deuten lässt und ich fürchte mich. Oh, und wie ich mich fürchte! Aber nicht vor ihr, nein. Ich fürchte mich vor mir selbst und davor, wie sie mein Unterbewusstsein berührt.

       Verdammt sollt Ihr sein, Jade.

      Ich schließe die Augen und greife mit meiner finstersten Magie nach ihrem reinen Herzen. Sie lässt die Messer fallen und mit dünner Stimme entfährt ihr: „Was tut Ihr da?“ Ohne an meinen eigenen Schmerz zu denken, den ihr verzerrter Gesichtsausdruck bei mir hervorruft, lasse ich meine düstersten Energien in ihren warmen Körper fließen und spüre, wie ihr Herzschlag immer langsamer wird. Ich brauche sie nicht einmal berühren. Es geht ganz schnell. Noch ein paar Sekunden und sie ist tot. Ein paar Sekunden. Es geht schnell. Schnell …

      „Du … Du bist ...“, krächzt sie. Ich halte ein, es geht nicht anders, ich versuche sie zu verstehen. „Der … Schatten.“

      Zu spät. Es ist zu spät. Die Magie verblasst schon wieder. Ich habe mich ablenken lassen. Meine einzige Möglichkeit ist verstrichen. Ich bin eingebrochen, unter ihr. Ich habe versagt. „Was bin ich?“, hauche ich und falle neben ihr auf die Knie. Will sie halten, sie wärmen. Diese furchtbare schwarze Magie, die ich ihr angetan habe zurücknehmen. Will ihr nie wieder etwas antun. Will sie beschützen, vor mir selbst.

      „Du bist mein Schatten.“

      Und da wird es mir klar. Sie weiß genau, wer ich bin und wie lange ich sie schon beobachte.

      G E N E V I È V E

      Ich werde tief in der Nacht von einem Geräusch geweckt. Es hört sich an, als wäre eine Böe durch das Windspiel gerauscht, welches aus kleinen Scherben und Muscheln besteht und am Hauseingang hängt. Doch ich weiß genau, dass es vollkommen windstill ist. Ich fahre hoch und greife unter mein Kissen nach meinen Messern, halte die Luft an und tauche in den Schatten ein, den mein hoher Kleiderschrank

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