Salto Fanale. Detlef Wolf
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Lukas ersparte sich das Abtrocknen. Die Sonne würde das schon übernehmen. Stattdessen sah er seiner Schwester dabei zu. Überrascht stellte er fest, was für ein hübsches Mädchen sie doch war. Das war ihm bis jetzt gar nicht so richtig0 bewußt gewesen. Kein Wunder, er hatte ja auch sonst keine Gelegenheit, sie so leicht bekleidet zu sehen wie jetzt, im Schwimmbad. Zu Hause achtete Tabea nämlich sorgfältig darauf, immer angemessen bekleidet zu sein, wenn die Möglichkeit bestand, daß ihr jemand auf dem Flur begegnete. Daß sie im Nachthemd ins Badezimmer lief, war schon das Äußerste an Freizügigkeit, das sie sich gestattete. Und jetzt trug sie einen Bikini, der so knapp geschnitten war, daß er gerade mal das Allernötigste bedeckte. Er fragte sich, was sie wohl geritten hatte, daß sie solch ein gewagtes Teil überhaupt gekauft hatte, in dem sie so viel von sich zeigte.
Sie war so wohlproportioniert, wie man das von einer Sechzehnjährigen erwarten konnte. Groß, schlanker Körper, lange Beine, flacher Bauch, nicht zu große Brüste, freundliches Gesicht mit schön geschwungenen Lippen, einer niedlichen Stupsnase und großen, braunen, fast schwarzen Rehaugen. Dazu passend, lange, schwarze Haare, die ihr bis auf den Rücken fielen, wenn sie sie offen trug, so wie jetzt. Manchmal flocht sie sie aber auch zu Zöpfen, was sie aussehen ließ wie ein kleines Mädchen, und was er ganz besonders an ihr mochte oder sie band sie zu einem Pferdeschawanz, was ihm nicht so sehr an ihr gefiel. Aber das sagte er ihr nicht. Erstens ging es ihn nichts an, und zweitens wollte er sie mit solch einer Bemerkung nicht kränken.
Tabea bemerkte seinen Blick. „Was guckst Du mich so an?“ fragte sie lachend. „Hab ich Pickel, oder was?“
„Nee, ganz bestimmt nicht“, lachte er zurück. „Ich frag mich nur, wieso ein Mädchen, das so hübsch ist wie Du, noch immer keinen Freund hat.“
„Falsche Frage“, gab sie zurück. „Frag Dich lieber mal, wieso ‘n Kerl wie Du, der sich ja auch nicht gerade verstecken muß, noch immer keine Freundin hat.“
„Tja“, machte er, „sieht wohl so aus, als müßten wir uns beide mit derselben Frage beschäftigen.“
Sie faltete das Badetuch zusammen, legte es als Kopfkissen auf die Decke und streckte sich dann neben ihrem Bruder aus.
„Was heißt müssen?“ sagte sie dann „Treibt Dich die Frage so sehr um, daß Du Dich unbedingt damit beschäftigen mußt? Also, mich nicht. Im Moment jedenfalls nicht. Im Moment hab ich keinen, und ich seh auch nirgendwo einen, der’s vielleicht sein könnte.“
„Und was ist mit diesem Adrian? Ich mein, ich weiß ja nicht, wie der aussieht und so, aber wenn er Dich schon nach Hause chauffieren läßt.“
Tabea stöhnte. „Fängst Du schon wieder mit dem an? Ich hab Dir doch schonmal gesagt, das heut Mittag war ein reiner Zufall, nicht beabsichtigt und hat überhaupt nichts zu bedeuten. Zugegeben, er sieht echt aus wie der Traum von einem Jungen, aber er ist eben ein Arsch. Und von so einem hält man sich besser fern. Außerdem hat er schon ‘ne Freundin. Auch so ‘ne Luxustusse aus Harvestehude. Ist um einiges älter als er, aber fährt mit ‘nem weißen Porsche-Cabrio durch die Gegend. Und ein paar Dinger hat die, da kann ich mit meinen Mickermöpsen nicht mithalten. Also, selbst wenn ich mich für den interessieren würde, dann der sich bestimmt nicht für mich.“
Sie drehte sich um und klopfte ihrem Bruder auf den Arm. „Aber trotzdem danke, daß Du gesagt hast, ich wär hübsch. Das stimmt zwar nicht, aber man hört’s trotzdem gern.“
„Es stimmt wohl“, widersprach er. „Ich sag Dir das, und ich bin Dein Bruder. Vergiß das nicht. Ich brauch Dir keine Komplimente zu machen.“
„Na gut“, lenkte sie ein. „Aber jetzt mal zu Dir. Warum hast Du eigentlich keine Freundin? Will Dich keine, oder bist Du etwa schwul?“
Er lachte. „Nee, schwul bin ich nicht, und ob mich keine will, hab ich auch noch nicht rausgekriegt. Bis jetzt ist mir einfach noch keine über den Weg gelaufen, die mich ernsthaft interessiert hätte.“
„Wohl etwas wählerisch, der Herr?“ fragte sie spitz. „Wie müßte sie denn ausseh’n, Deine Traumfrau?“
„So wie Du“, entfuhr es ihm spontan und ehe er es verhindern konnte. Als er merkte, was er da gesagt hatte, schlug er verlegen die Hand vor den Mund.
Tabea lachte laut. „Na, wenn das kein Kompliment ist“, sagte sie. „Vor einer Minute hast Du noch behauptet, Du bräuchtest mir keine Komplimente zu machen, und jetzt sagst Du sowas.“
„Brauch ich ja auch nicht. Das ist mir jetzt nur so rausgerutscht.“
Sie griff nach seiner Hand. „Macht ja nix. Mir hat’s jedenfalls gefallen. Selbst wenn’s nicht stimmt.“
Er drehte den Kopf zur Seite und sah sie an. „Es stimmt aber.“
Sie rückte näher an ihn heran, bis ihre Arme sich berührten. „Manchmal kannst Du richtig lieb sein, Lukas. Weißt Du das?"
***
Während Tabea und ihr Bruder Lukas so vertraut nebeneinander auf der Liegewiese des Stadtparksees lagen, kam es zwischen Adrian und seiner Freundin Bellinda zu keinen weiteren, intensiven Körperkontakten. Abgesehen von den nahezu unvermeidlichen bei dem gemeinsamen Herumtollen im Wasser oder beim gegenseitigen Einreiben mit der Sonnenschutzcreme. Als der Nachmittag zu Ende ging, packten sie ihre Sachen, zogen sich um und fuhren nach Hause, damit Adrian rechtzeitig zum Abendessen zur Stelle war.
Tatsächlich war sein Vater bereits eingetroffen, als er heimkam.
„Beeil Dich mit dem Umziehen, Adrian“, sagte seine Mutter. „Dein Vater wartet schon auf das Abendessen.“
Also sah er zu, daß er fertig wurde. Zum Glück hatte ihm das Dienstmädchen die Sachen schon bereitgelegt, so daß er sie nicht erst lange zusammensuchen mußte. Schnell zog er sich aus, duschte sich kurz ab und machte sich dann für den Abend fertig. Sein Vater erwartete, daß er mit Anzug und Krawatte erschien, so war es üblich im Hause von Molzberg, wenn man sich zu einer gemeinsamen Mahlzeit traf. Und es war besser, sich an diese Vorgaben zu halten, wollte man sich nicht den Unmut des Hausherrn zuziehen.
Das wollte Adrian nun auf keinen Fall. Sein Vater war der einzige Mensch, der ihm wirklich Respekt einflößte. So begrüßte er ihn dann auch, als er als Letzter das Eßzimmer betrat, wo seine Eltern bereits Platz genommen hatten. Allerdings saßen sie noch an dem kleinen, runden Tischchen in der Ecke des Zimmers, an dem sie ihre Aperitivs zu nehmen pflegten. Er war also noch nicht zu spät.
Entsprechend freundlich grüßte sein Vater zurück. „Ah, Adrian, mein Sohn, da bist Du ja. Setz Dich zu uns. Möchtest Du auch etwas zu trinken?“
„Einen Organensaft vielleicht, ich hab ziemlichen Durst“, antwortete Adrian.
Weit davon entfernt, seinem Sohn diesen Orangensaft selbst zu besorgen, klingelte Oswald von Molzberg nach dem Dienstmädchen, das gleich darauf erschien und mit einem knappen: „Einen Orangensaft für meinen Sohn“ abgefertigt wurde. Das der Höflichkeit gebotene „Bitte“ sparte sich der Graf bereits.
Es folgte das übliche Frage- und Antwortspiel, das sich immer entwickelte, wenn Vater und Sohn aufeinandertrafen. Der Vater fragte, und der Sohn hatte zu antworten. So war es auch an diesem Tag. Mit einer Abweichung.