Das Doppelkonzert. Arnulf Meyer-Piening

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Das Doppelkonzert - Arnulf Meyer-Piening

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Ich vernehme, ihr seid mitten an einem kritischen Punkt angelangt. Offenbar geht es um die außergewöhnlich hohe Sterberate bei euren klinischen Test. Das Thema beunruhigt uns hier sehr. Du solltest das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es kann hier zu einer offiziellen Untersuchung kommen, und dann hängen auch wir mitten drin, denn die Medikamente stammen ausschließlich von uns, soweit ich weiß.

      - Das ist so. Wir beziehen die Substanzen nur aus unserem Münchener Werk.

      - Hinrich wird dir gesagt haben, dass wir seit ein paar Wochen Probleme in der Abfüllstation haben. Einige Automaten sind durch einen Brand in der Lager- und Versandhalle ausgefallen.

      - Er hat mir nur kurz berichtet, dass es zu Schwierigkeiten in der Produktion gekommen sei. Die Belieferung der Kunden sei aber nicht ernsthaft gestört. Mehr weiß ich nicht.

      - So einfach ist es nicht, sagte Wolfgang sichtlich irritiert. Im Gegenteil: Wir haben erhebliche Lieferprobleme. Wir warten noch auf die neuen Automaten. Die haben lange Lieferzeiten. Hinrich lässt das alles viel zu lange schleifen. Er setzt sich nicht energisch genug für die Firma ein. Er beschäftigt sich viel zu sehr mit anderen Dingen.

      - Julia fühlte sich verunsichert. Hoffentlich ist es nicht zu Fehlchargen gekommen. Wir vertrauen auf die einwandfreie Qualität der gelieferten Substanzen. Wir haben keine Möglichkeiten, alle Lieferungen lückenlos zu untersuchen.

      - Ich wünschte, dass du hier bei uns bliebest, sagte Wolfgang. Hier warten große Aufgaben auf dich. Wir brauchen dich hier dringend. Die Probleme wachsen mir über den Kopf. Ich bin zu alt für die Leitung der Firmengruppe und brauche dringend einen Nachfolger. So ein Mann ist schwer zu finden. Es muss eine erfahrene und vertrauenswürdige Person sein, die mit der Branche vertraut ist. Du kennst dich aus, und ich habe Vertrauen zu dir.

      - Du hast Hinrich hier zu deiner Verfügung. In Nicaragua ist keiner, der mich ersetzen kann. Die Menschen vertrauen mir. Sie brauchen mich.

      - Auch hier wirst du gebraucht.

      - Ihr werdet schon den richtigen Nachfolger finden, sagte sie, als sie sich erhob: Ich will mich noch etwas zurechtmachen. Sie verabschiedete sich und zog sich in ihr Zimmer im oberen Stockwerk zurück. Irgendwo hörte sie Hinrich Klavier spielen. Die Töne schienen aus seinem Zimmer zu kommen. Offenbar probte er den langsamen Satz aus dem Doppelkonzert von Brahms.

      Sie war beunruhigt über die Tatsache, dass ihr Vater über die unerklärlichen Todesfälle während der klinischen Tests in ihrem Bereich so genau Bescheid wusste. Wie war die Information dorthin gelangt? Sie hatte versucht, die Information nur in den eigenen Reihen zu halten. Sie wollte ihren Bruder dazu befragen. Er würde ihr Antwort geben müssen. Sie brauchte Klarheit. Sie hätte ihn zur Rede stellen müssen, aber nicht jetzt. Jetzt wollte sie keinen Konflikt mit ihrem Bruder vor allem nicht vor dem Konzert. Im Augenblick hatten sie Wichtigeres zu tun.

      - Störe ich dich beim Üben?, fragte sie als sie sein Zimmer betrat.

      - Nein, komm nur herein. Es ist mir sehr recht, dass du kommst. Wir müssen uns noch abstimmen. Setze dich etwas zu mir.

      Julia hatte ihr Cello aus dem Kasten genommen und stimmte ihr Instrument mit Hilfe einiger Akkorde, die Hinrich auf dem Klavier anschlug. Enttäuscht stellte sie fest, dass ihr Instrument total verstimmt war.

      - Es ist jedes Mal so, wenn du von einer Reise zurückkehrst. Das kennst du doch und du wirst dein Instrument schon wieder richtig stimmen.

      - Julia strich noch ein paar Saiten und lehnte ihr Instrument lustlos an den Flügel: Hinrich, bevor wir anfangen, möchte ich noch etwas geklärt wissen, das mich belastet.

      - Was ist es? Er ahnte, dass etwas Wichtiges kommen würde.

      - Es geht um die auffällige Häufung der Todesfälle bei unserer letzten Testserie. Wir hatten bereits über die möglichen Ursachen gesprochen. Hast du Nachforschungen angestellt, ob die Beschriftung, die Verpackung und der Versand der Medikamente ordnungsgemäß erfolgt sind?

      - Ja, habe ich, antwortete Hinrich, aber seine Stimme verriet Unsicherheit. Sie hatte eine schwärende Wunde berührt. Es saß ein Stachel tief in seinem Fleisch.

      - Und zu welchen Ergebnissen hat das geführt? Sie wollte die ganze Wahrheit wissen.

      - Ich bin die Versandlisten durchgegangen, es scheint alles in Ordnung zu sein. Die Placebos waren mit der korrekten Nummer auf der Verpackung gekennzeichnet. Hier bei uns gibt es keine Unregelmäßigkeiten. Wir haben die alten Sortier- und Verpackungsmaschinen aus der Werkstatt hervorgeholt. Sie sind neu justiert und geprüft worden. Das Problem muss bei euch liegen.

      - Hast du wirklich alles sorgfältig geprüft?, erkundigte sie sich nachdrücklich. Ihre Stimme verriet, dass sie genervt war.

      - Ja. Ich werde zur Klärung nicht mehr viel beitragen können. Du musst die Ursache bei euch suchen. Vielleicht ist es nur eine zufällige Koinzidenz von verschiedenen Faktoren, die nichts mit den Tests zu tun haben.

      - Sie war über den Vorwurf ihres Bruders verärgert und antwortete nicht. Mürrisch holte sie ihr Instrument, strich ein paar Saiten und korrigierte den Ton. Sie versuchte sich wieder auf das Spiel zu konzentrieren. Ich denke, bevor wir anfangen, sollten wir uns über die Tempi verständigen.

      - Ich habe mich mit meinem Lehrer mit der Tempo-Diskussion bei Pablo Casals, dem hervorragenden Brahms-Interpreten, befasst. Er hatte einmal gesagt: Die Tempi werden bei Brahms sehr oft missverstanden. Als Beispiel wählte er das Finale des Doppelkonzerts. Er wies darauf hin, dass Brahms dieses Werk nicht in Schlägen von Vierteln, sondern von Achteln auffasste, mit der entsprechenden Verminderung des tatsächlichen Tempos. Für uns würde es gewöhnlich Andante sein, für Brahms ist es Vivace non troppo, weil er in Achteln zählte. Darum wird Brahms sehr oft – nahezu immer – zu schnell gespielt. Das auf die einzelnen Achtel aufmerksam gemachte Ohr hat nun trotz der verminderten Geschwindigkeit den Eindruck von Schnelligkeit. Das hat einen anderen Charakter, das ist das Brahms-Tempo. Daher ist es nicht notwendig, die ausdrucksvolle Melodie im Mittelteil langsamer zu spielen.

      - Julia reagierte etwas frostig: Wir werden es versuchen. Du weißt, wie wenig ich die Streite über Tempoannahmen mag, und wie sehr für mich das innere Maß der Bewegung entscheidet. Da kann ich keine Kompromisse machen.

      - Er versuchte, die Schärfe aus der Unterhaltung zu nehmen: Du hast vollkommen recht, aber wir beide sind äußerst unterschiedliche Menschen mit ganz anderen Gefühlswelten, und wir müssen uns gegenseitig auf einander einstellen, damit ein harmonisches Ganzes entsteht.

      - Wir sind in der Tat so unterschiedlich, dass man kaum glauben kann, dass wir von den gleichen Eltern stammen, aber wir werden uns beim Spiel auf einander einstellen.

      - Sie probierten ein paar Takte aus dem langsamen Satz: Die Harmonie in unserem Vortrag ist unsere Hauptaufgabe. Ich denke, ich werde mich deiner musikalischen Auffassung anpassen, du bist sicher der Begabtere unter uns Beiden, sagte sie. Auch sie war erkennbar um Entspannung der verkrampften Atmosphäre bemüht.

      - Die Unterschiede in unserer Auffassung von der inneren Kraft des Werkes können dazu dienen, den ungeheuren Reichtum der Musik auszudrücken.

      - Wir wollen sehen, wie es uns gelingt, den inneren Spannungsbogen zu zeigen sagte er. Die Geschwister begannen mit den Proben und wiederholten die kritischen Stellen wieder und wieder. Hinrich ließ seine Geige in herrlichen Klängen jubeln. Während des Spiels schien er in einer anderen Welt zu leben.

      - Sie sagte mit aufrichtiger Bewunderung: Du bist in der Zwischenzeit

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