Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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gab er den sechs Männern ein kleines Päckchen. In jedem Päckchen befand sich ein kleines Fernsprechgerät. Bei der gestrigen Besprechung waren sie jedes Detail noch einmal durchgegangen. Als Einsatz­leiter hatten sie sich dabei auf Amaro geeinigt. Er wusste genau, in welcher Sekunde die Schüsse abgegeben werden mussten. Alle Ziele mussten aufrecht stehen. Der jeweils erste Schuss war im Bruchteil einer Sekunde abzugeben; gleich­zeitig. Nicht das kleinste Risiko durfte eingegangen werden.

      Die sechs Schützen verließen den Kutter. Marco blieb an Bord. Amaro hatte gestern Abend eine gut begehbare Strecke zum Kamm der kleinen Insel aus­findig gemacht. Der Aufstieg würde nur zehn Minuten in Anspruch nehmen. Schweigend stapften die Männer Amaro hinterher; in kleinen und sicheren Schritten. Ihre Fellmützen mussten sie erst überziehen, sobald sie die Anhöhe erreicht hatten. Die Mannschaft musste in der Landschaft zerfließen; sie durfte nicht vorhanden sein.

      Das kleine, flache Plateau hatte ausreichend Platz für die Scharfschützen. Von hier aus hatten sie einen herrlichen Weitblick. Am Eingang der Bucht war ein kleiner Kutter zu sehen, eingerahmt vom großen Sonnenball. Ewald hätte dieses fast kitschige Bild in vielen Aufnahmen festgehalten, dachte Bodo. Von jetzt an mussten sich die Männer vorsichtig bewegen. Sie streiften ihre Fell­mützen über und gingen unwillkürlich in die Hocke. Der Wind hatte den neuen, leichten Schnee der letzten Nacht verweht. Die verbliebene Schneedecke war nur knapp fünf Zentimeter hoch und angefroren. Trotzdem glätteten die Aktivisten den vorderen Bereich mit ihren Händen. Die Zweibeine der Gewehre mussten einen absolut festen Stand haben. Darüber hinaus hatte Bodo darauf bestanden, anschließend alle ausgeworfenen Hülsen einzusammeln. Keine durfte zurückbleiben.

      Die Schützen zogen die Gewehre aus den Futteralen, klappten die Zweibeine auf und brachten die Gewehre in Stellung. Aus einer Seitentasche des Futte­rals entnahmen sie ein volles Ersatzmagazin und legten dieses neben das Gewehr. Kniend kramten sie nach den kleinen Päckchen, welche Marco ihnen übergeben hatte. Das Sprechfunkkästchen in der Größe eines Handys steckten sie in die linke Brusttasche des Overalls, nachdem sie den Schalter auf „ON“ umgelegt hatten. Sie zogen das dünne Kabel nach oben, legten den Kopfhörer an, und steckten das Empfangsteil in das linke Ohr. Sofort begann es leise zu rauschen.

      Amaro vergewisserte sich, dass alle Empfang hatten.

      »Sprechprobe«, zischte er leise.

      Bodo, der am linken Rand kniete, antwortete leise: »Eins«.

      Ole neben ihm sagte: »Zwei.«

      Danach kamen Amaro, Bradly, Vincent und rechts außen befand sich Cristos­tomo. Unabhängig davon, wie immer sich die Robbenschlächter bewe­gen würden; »ansprechen« mussten jeweils die Schützen von links nach rechts ent­sprechend den Männern am Strand gegenüber - von links nach rechts.

      Aus der rechten Brusttasche des Overalls zogen nun die Männer weiße Gesichtsmasken und weiße Gummihandschuhe. Bodo hatte ursprünglich darauf bestanden, auch enganliegende Brillen zu tragen. Er war ein Sicher­heitsfanatiker. Für den Extremfall, dass einer der Schützen gefangen genommen würde, wollte er sicherstellen, dass ihnen nicht der leiseste Hauch von Schmauchspuren anhaftete; zum Beispiel an den Wimpern. Anhand der Schmauchspuren ließe sich weitestgehend ermitteln, mit welchem Waffentyp und mit welcher Munition geschossen worden war. Die Klei­dung, die Gesichtsmasken und die Handschuhe mussten unmittelbar nach der Aktion vernichtet werden. Vor allem Amaro konnte Bodo überzeugen, dass eine Brille bei einem noch so geringen Rückschlag des Gewehres ein Sicher­heitsrisiko darstellte. So einigten sie sich darauf, später auf dem Boot die Körperteile hinter den Öffnungen der Gesichtsmasken mit einer Speziallösung sorg­fältig zu reinigen.

      Als sie das Tuckern des Kutters hörten, legten sie sich aus Sicherheitsgründen flach auf den Bauch. Durch einen Zufall könnte einer der Robbenjäger mit dem Fernglas das Gebiet absuchen. Das war zwar äußerst unwahrscheinlich, jedoch nicht gänzlich auszuschließen. Amaro hatte ausgerechnet, dass die Robbenjäger frühestens in zwanzig Minuten nach dem ersten Stopp des Kutters am festgelegten Aktionspunkt angelangt sein würden.

      Auf der gegenüberliegenden Festlandseite, am Fuße der Bergkette, hatten Wind und Wellen zwanzig bis dreißig Meter breite Schotterbänke ausge­waschen. Auf diesen Schotterinseln, die teilweise noch mit einer leichten Schneedecke bedeckt waren, hatten sich unterschiedlich große Robbenkolonien versammelt. Zu dieser Jahreszeit waren die meisten Robbenjungen vier bis sechs Wochen alt. Das Spektakel der Jungen war aufgrund der dünnen Luft und der Entfernung von dreihundert bis vierhundert Metern so laut zu vernehmen, als wären diese nur wenige Meter entfernt. Direkt gegenüber, auf der dritten Schotterbank von rechts, lagen fünf Robbenmütter, Sattelrobben und fünf Jungrobben. Zwei davon trugen noch ein weißes Fell und waren demnach noch keine vier Wochen alt. Die übrigen Jungrobben hatten ein Alter von sechs bis maximal sieben Wochen.

      Kapitel 2

      Bodo war plötzlich unendlich traurig. Ihm wurde bewusst: Es lag zwar in seiner Macht, diese Robben dort drüben zu retten. Ewald hatte dies damals versucht – vor nun genau zehn Jahren. Ewald … vergib mir, dass ich dich damals mitgenommen habe, sinnierte Bodo. Ewald, sein Kindheits- und Jugendfreund … sein Blutsbruder … sein Anker in so vielen Stunden … Für ihn, diesen leidenschaftlichen und bekannten Naturfotografen, waren diese Bilder, diese unschuldigen und lebensfrohen Robbenbabys das Paradies schlechthin. Bodo schloss kurz die Augen. Ihm war, als hörte er Ewalds erregte Stimme.

      Vor seinem geistigen Auge sah er nun wieder, wie sich Ewald mit seiner Kamera auf allen vieren an die kleinen Robben heranarbeitete, um hautnah Bilder schießen zu können. Die Evolution hatte es so eingerichtet, dass aus der Sicht der Robben vom Menschen keine Gefahr ausging. Also blieben die Robben­mütter seelenruhig liegen, und die Robbenbabys ließen ihrer Neugierde freien Lauf und schnupperten am Objektiv von Ewalds Kamera.

      »Schau dir das an. Sind sie nicht süß? Toll. Danke Bodo«, flüsterte er aufgeregt zu Bodo, Simone, Ole und Vincent hinüber.

      Durch die Robben abgelenkt, war ihnen entgangen, dass sich ein Kutter näherte. Bodo hatte mit den Robbenjägern erst am darauffolgenden Tag gerechnet, da die Jagdsaison erst ab dem 15. April freigegeben wurde. Sie hörten das Tuckern des Motors und das Zerspringen der dünnen Eisdecke. Kurz darauf fuhr der Kutter knirschend auf die Kiesbank. Dann ging auf einmal alles sehr schnell. Sechs Männer in braunen Overalls sprangen vom Boot. Offensichtlich hatten sie die Aktivistengruppe bereits gesehen. Die beiden größten Robbenjäger stapften rasch auf Bodos Gruppe zu. Die restlichen Robbenschlächter begannen im Akkord mit ihren Hakapiks, den Spitzhacken, auf die jungen Robben einzuschlagen. Lautes Jammern und Klagen erfüllte die kalte Luft – und immer wieder die dumpfen Schläge der Hakapiks. Keine Robbe machte Anstalten, zu fliehen. Es war, als hätten sie ihr Schicksal klagend angenommen; als würden sie lediglich flehen und bitten, verschont zu werden. Doch die Schläge trafen selbst die weißen Robbenbabys. Für die Robben­schlächter waren es Whitecoats. Die Preise pro Robbenfell waren rückläufig. Aber für Whitecoats zahlten die Chinesen viel Geld. Die Jagd auf weiße Robbenjungen war seit 1987 offiziell verboten. Umso erstaunlicher war es gewesen, dass diese Männer in einen Tötungsrausch verfielen, obwohl sie davon ausgehen mussten, beobachtet zu werden.

      Ewald fotografiert hektisch und rannte auf die Robbenschlächter zu; schreiend und weinend. Er kam nicht weit. Einer der beiden Robbenjäger war bei ihm angelangt. Ohne Vorwarnung schlug einer von ihnen mit der Hakapik Ewald die Kamera aus der Hand. Wie erstarrt blickte der Fotograf einige Sekunden auf seine zertrümmerte Kamera. Seine Kamera war sein Heiligtum! Wie von Sinnen stürzte er sich auf den Robbenjäger. Der Fotograf war 195cm groß und durchtrainiert. Er hob den Robbenschlächter hoch wie ein Spielzeug. In diesem Augenblick traf ihn die Spitzhacke des zweiten Jägers.

      Ewald ließ den Mann fallen, sackte in die Knie und krümmte sich

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