Bodos zornige Seele. Kurt Pachl

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Bodos zornige Seele - Kurt Pachl

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in die Magengrube. Der Mann taumelte mehrere Meter zurück und ging in die Knie. Noch bevor er aufstehen konnte, hatte der deutsche Hüne ihn hoch­gerissen und ihn in hohem Bogen durch die Luft geworfen. Krachend durch­brach der Körper die dünne Eisdecke und landete im Wasser. Ole traktierte den zweiten am Boden liegenden Robbenjäger.

      Vincent hatte aufgrund seiner Kriegs­einsätze sofort erkannt, dass Ewald schwer verletzt sein musste. Rasch öffnete er die wattierte Windjacke. Der Pullover war im Bauchbereich blutge­tränkt. Simone kniete inzwischen auf der anderen Seite von Ewalds Kör­per und schluchzte. «Ist er schwer verletzt?« Vincent nickte.

      »Wir müssen die Blutung rasch stillen. Mach eine Faust.«

      Er hatte bereits Simones Hand genommen. »Fest drücken«, befahl Vincent und griff nach seinem Rucksack.

      Mit einem »Ewald« hatte sich Bodo am Kopfende seines Freundes fallen lassen. Das Gesicht des Fotografen war schmerzverzerrt. Aus dem Mund­winkel sickerten Blutstropfen.

      »Ich glaube, das war‘s mein Freund«, röchelte der verwundete Fotograf und versuchte, Bodos Hand zu ergreifen.

      Doch das Schicksal hatte Ewalds Ende noch nicht vorgesehen. Vincent konnte rasch einen Hubschrauber organisieren. Bodo bestand darauf, mitgenommen zu werden.

      »Geld spielt keine Rolle«, hatte er viele Male gesagt. Es war erstaunlich, wie rasch sich mit Geld viele Türen öffnen ließen. Erst zu diesem Zeitpunkt stellten beide Freunde fest, dass sie die gleiche, sehr seltene Blutgruppe, AB Rhesus­faktor positiv, besaßen. Am ersten Tag musste Bodo 1,5 Liter Blut spenden und im Abstand von zwei Tagen noch einmal je einen halben Liter. Ewald wurde in ein Klinikum in Montreal verlegt und verbrachte dort zwei Monate. Entgegen den Ratschlägen der Ärzte verließ der Fotograf vorzeitig das riesige Krankenhaus. Bodo bestand darauf, ihn zu begleiten. In der Einöde von Quebec, hundert Kilometer südlich der Hudson Bay, gingen Ewalds Kräfte endgültig zu Ende. Der einzige Kindheits-, Jugendfreund und Blutsbruder starb in Bodos Armen.

      Dies war das zweite große Schlüsselerlebnis, welches Bodos Seele erkranken ließ und sich zu einem schweren Trauma ausweiten sollte.

      Vor zehn Jahren, fast auf den Tag genau, hatte sich das Unglück mit Ewald und den Robbenschlächtern ereignet. Es war Amaros Aufgabe gewesen, die Namen der sechs Robbenjäger ausfindig zu machen. Kein Zweifel durfte bestehen. Als Indianer, Jäger und Fischer war er im Dorf dieser sechs Personen nicht weiter aufgefallen.

      Er übernachtete mehrere Male im Haus eines alten und kranken Inuit. Sie gaben vor, miteinander verwandt zu sein. Akkilokipok hieß der zahnlose Inuit. Er hasste diese sechs crazy devils, wie er sie nannte. In deren Adern floss das Blut von Wikingern und Basken. Diese Burschen waren körperlich größer als die Ureinwohner Labradors. Es waren Raufbolde und Säufer, die ihre Frauen schlugen. Diese degenerierte Brut hatte kein Gefühl für die Natur und deren Geschöpfe. Sie waren eine Schande für dieses ehemals schöne Land. Von diesem traurigen und wütenden Alten hatte Amaro die zuverlässige Information: Es war die gleiche Mannschaft wie vor zehn Jahren, auf die sie heute warteten.

      »Bodo, Bodo, sie sind da«.

      Es war Ole, der genau registrierte, dass Bodo in seinen Gedanken weit weg war. Und er ahnte, woran Bodo in den letzten Minuten gedacht hatte.

      Der Kutter war an der ersten Kiesbank angelangt. Als würde sich alles minutiös wiederholen, sprangen sechs Männer in braunen Overalls vom Kutter. Ohne Zögern gingen sie auf die Robbenjungen zu. Die Robbenjäger waren inzwischen aufgrund des Druckes der Tierschützer verpflichtet, die Tiere zu­nächst mit einem gezielten Schuss zu töten und anschließend mit der Hakapik die noch dünne Schädeldecke zu zertrümmern. Doch es fiel kein Schuss. Auch die geschützten Whitecoats wurden nicht verschont. Viele Leiber zuckten noch, als die Robbenjäger begannen, die Decke der Robben vom Körper zu lösen. Nein, sie hatten nichts dazu gelernt. Das waren nach wie vor seelenlose Schlächter.

      »Der Dritte von links«, vernahm Bodo aus der Ohrmuschel. Er blickte durch das Fernglas. Ihm war, als ob der Mann direkt vor ihm stand. Er war älter geworden. Aber es war zweifellos der Bursche, welcher Ewald damals die Spitzhacke in den Bauch gerammt hatte. In diesem Moment wusste er: Diese Aktion war richtig und gerechtfertigt. Diese Aktion musste ausgeführt werden.

      Kapitel 3

      Während ein Robbenjäger die Felle auf einen Schlitten legte, um diese zum Kutter zu ziehen, stapften die anderen Männer zur zweiten Bucht.

      »Schau dir das an. Das Robbenjunge ganz hinten rechts«, hörte Bodo Vincents Stimme. Bodo blickte wieder durch das starke Fernglas. Das zuerst niedergeschlagene Robbenjunge bewegte sich noch und hob den Kopf. Es rief nach seiner Mutter. Die Mutter erkannte das Klagen ihres Jungen. Sie kam näher und schnupperte an diesem lebendigen Kadaver. Sie erkannte ihr Junges nicht mehr. Der lebenswichtige Geruch war mit dem Fell verschwunden.

      Auf der zweiten Kiesbank waren nur zwei Mütter mit ihren Jungen.

      Die Robbenjäger erledigten rasch ihr Handwerk. Fünf Minuten später machten sie sich auf den Weg zur Kolonie genau gegenüber.

      Jetzt waren sie nur noch dreihundert Meter entfernt. Sie legten eine Pause ein. Vier Jäger kramten aus einer Innentasche ihres Overalls Flachmänner hervor. Sie prosteten sich zu, tranken, lachten und machten offensichtlich Witze. Die Robbenmütter und ihre Jungen sahen keinen Grund, zu fliehen.

      »Masken, Handschuhe«, zischte Amaro angewidert in das kleine Mikrofon.

      Die Schützen hatten die Masken über der Stirn bereits in Position gebracht, und zogen diese nun nach unten.

      Danach streiften sie rasch die weißen und dünnen Stoffhandschuhe über; ein gespenstisches Bild. Diesem Spuk dort drüben nicht sofort ein Ende zu bereiten, war ungemein schwer. Die Schützen mussten warten, bis auch der sechste Robbenjäger sich in Schussposition befand. Darüber hinaus war zuvor festgelegt worden, dass später die Ermittler – und hoffentlich auch Fotografen – das Gemetzel sehen würden, welches diese widerlichen Schlächter angerichtet hatten.

      Bodo kannte das Geräusch sofort. Nur sechs bis sieben Meter neben ihm hatte sich in der Spitze einer Kiefer ein Vogel niedergelassen. Im Bruchteil einer Sekunde sah er, dass es sich um einen Tannenhäher handelte. Das Verhalten dieser Vogelart ähnelte denen der Eichelhäher. Dieses Vieh wird doch jetzt nicht anfangen Lärm zu schlagen, dachte er. Kaum schoss ihm dieser Gedanke durch den Kopf, hallte weithin das schnarrende »chrääh, chrääh, crääh«. So mancher Fuchs, Wolf oder Vielfraß musste aufgrund eines solchen Gezeters die Pirsch abbrechen. Alle Tiere waren im Umkreis von mehreren Kilometern gewarnt. Bodo starrte rasch durch das Fernglas.

      Die Männer mit ihren Flachmännern dort drüben waren tatsächlich degenerierte Teufel, wie Akkilokipok sie Amaro gegenüber klassifizierte. Ein Blick zu Amaro, Christostomo und Ole verriet, dass diese Naturburschen in diesem Moment ähnlich dachten. Bei ihnen hätten angesichts der Rufe des Tannenhähers sofort die Alarmglocken schrillen müssen.

      Bodo hörte das Tuckern des Kutters.

      »Verdammt, wir haben doch nicht alles bis ins letzte Detail durchdacht«, schoss es durch seinen Kopf. »Der Kutter kann zumindest einen Teil des Schussfeldes verdecken.«

      »Amaro. Amaro. Unser Schussfeld«, flüsterte er aufgeregt ins Mikrofon.

      »Keine Sorge, der Kutter wird links außen anlanden«, war die ruhige Ant­wort. Und tatsächlich - der Kutter tuckerte vorbei, und fuhr links außen

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