Der Diplomatenkoffer. Hans W. Schumacher

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Der Diplomatenkoffer - Hans W. Schumacher

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man es erzwingen will."

      "Hm", machte sie und lehnte sich wieder ins Kissen zurück, "kennst du den Witz vom alten Mütterchen?"

      "Nein."

      "Also ein altes Mütterchen kommt ein ganzes Jahr lang jeden Montag in die Lotto-Anahmestelle und studiert die Gewinnliste. Schließlich fällt das dem Besitzer auf, und er fragt sie: 'Liebe Frau, sagen Sie, was machen Sie da eigentlich?'

      'Ich will wissen, ob ich gewonnen habe.'

      'Aber Sie haben doch noch nie ein Los gekauft!'

      Und sie antwortet: 'Bei Gott ist nichts unmöglich.'"

      "Du meinst, ich bin das alte Mütterchen?" sagte er nach einer Weile versonnen.

      Sie kicherte. "Und du?"

      "Könnte schon sein", murmelte er,schloss die Augen und flog wieder auf rosafarbenen Wolken, "könnte sein...." Seine Hand suchte ihren Lieblingsaufenthalt auf ihrer Brust, und er schlummerte wieder ein, während Cleo zärtlich erstaunt seine entspannten Gesichtszüge betrachtete und dachte: Er ist ein Kind, er glaubt noch an Träume.

      Die Frühlingsluft, das monotone Rauschen des Verkehrs und das Spatzengeschilp wirkten wie Schlafmittel auf Julio, er döste ein und in ihm purzelten die Erinnerungen wie in einem sich drehenden Kaleidoskop umeinander. Sein Vater alt und krank, in eine Decke gehüllt, auf dem Balkon des abgenutzten Mietshauses, in dem seine Familie wohnte, seit er denken konnte, der Prüfer im Doktorexamen, der ihn durch seine dicke Brille beobachtet wie ein hässliches Insekt, seine Schwester in ihrem weißen Medizinermantel, die den Vater sorgenvoll untersucht, seine grauhaarige Mutter, die schwer atmend die Treppe hinaufsteigt, beladen mit Einkaufstaschen, und Cleo, die ihn lachend und weinend umarmt, als er ihr mitteilt, dass er eine Lektorenstelle bei Paris bekommen hat. Und wieder Cleo zwischen ihren Bildern im Atelier, Cleo nackt auf dem Sofa, wo sie sich zum ersten Mal geliebt hatten, Cleo, Cleo, Cleopatra....

      Julio hatte nicht bemerkt, dass sich inzwischen ein älterer Mann im Trenchcoat, der einen Aktenkoffer mit sich trug, auf die Nachbarbank gesetzt hatte, nachdem er einen scharfen Blick auf die Cäsarbüste und Julio, seinen Anzug und seinen Diplomatenkoffer geworfen hatte. Er nickte wie zur Bestätigung für sich selbst, setzte das Köfferchen, das dem von Julio glich wie ein Ei dem anderen neben das seines Banknachbarn und flüsterte, halb zu Julios linkem Ohr hinübergeneigt: "Cäsar." Julio klappte im Halbschlaf die Lider einmal auf, einmal zu, stammelte hingerissen: "Cleopatra" und dämmerte weiter vor sich hin.

      Der Mann im Trenchcoat stand auf, bückte sich, ergriff den Diplomatenkoffer und schritt davon, ohne sich nach Julio umzusehen. Der hatte aus dem Augenwinkel mitbekommen, was geschehen war, sah den Mann im Trenchcoat mit seinem Besitz davongehen und wollte gerade rufen: "Hören Sie mal, was soll.....", da fiel sein Blick auf den neben ihm stehenden Koffer. Er biss sich auf die Zunge, beinahe hätte er ärgerliches Aufsehen erregt. Dann schüttelte er den Kopf, besann sich, wo er war, schaute auf die Armbanduhr, stellte fest, dass er eine Viertelstunde im Verzug war, ergriff sein Köfferchen und lief zu seinem Wagen hinüber, den er an der Ecke der Rue Soufflot geparkt hatte. Er startete und reihte sich in den Verkehr ein.

      Kapitel 2

      Julio hatte zwei Routen erkundet, auf denen er je nach Tageszeit und Verkehrslage, ohne Stunden im Stau zu verbringen, zu seinem Arbeitsplatz hinter Versailles gelangen konnte. Die eine führte an den Seine-Quais entlang zum Autobahnzubringer in Boulogne-Billancourt, die andere über einen wenig befahrenen Schleichweg parallel zum Boul’ Mich’ nach Süden und hinter Malakoff auf der Route Nationale Nr. 12 Richtung Petit-Clamart. Gegen elf Uhr war die erste günstiger. Hatte er den Tunnel von St. Cloud erreicht, dann war er in einer halben Stunde am Ziel. Auf der Autobahn ging es zwanzig Kilometer nach Westen, dann verließ er sie und fuhr auf einer Landstraße durch ein Hügelland nach Gersaint, einem Dörfchen an einer Sackgasse, die auf das Tor eines umfangreichen Schlossgeländes zuführte.

      Vor dem Eingang parkte er, ging zu dem winzigen Postamt, das in der ehemaligen Pförtnerwohnung untergebracht war, und hob bei Monsieur Monfils 600 Euro von seinem Postsparkonto ab. Weil er etwas spät dran war, ließ er sich nicht auf den gewöhnlichen Schwatz mit dem Beamten ein, stieg wieder ins Auto, fuhr hinter dem Tor die Allee zum Renaissance-Schlösschen hinüber, in dem Verwaltung und Mensa der Hochschule untergebracht waren, und von dort nach rechts an den Studentenwohnheimen vorbei zu den Hörsälen. Das einstöckige Gebäude war durch lange Gänge mit Laboratorien und Gewächshäusern verbunden. Dahinter breiteten sich Versuchsfelder bis an den Rand des etwa zwei Kilometer breiten Talkessels aus, dessen Mitte der Wald des Schlossparks einnahm.

      Julio begrüßte auf der Freitreppe zwei Studenten seines Kurses, den Libanesen Mohammed Bonnard und den Bretonen Pierre Rude, die auf ihn gewartet hatten, weil sie ihm besonders zugetan waren. Gemeinsam gingen sie zum Hörsaal, in dem zwanzig weitere Kursmitglieder in die höheren Geheimnisse der italienischen Sprache eingeweiht werden wollten. Bonnard schloss die Tür hinter Julio und setzte sich in die erste Reihe zu seinen Füßen. Julio erstieg das Podium, begrüßte seine Hörer im neuen Quartal und verkündete ihnen, dass er die Lehrbücher Italienisch für Fortgeschrittene bei sich habe und nun verteilen würde. Die Studenten, junge Leute, deren gesunde Gesichtsfarbe verriet, dass sie sich viel an frischer Luft bewegten, schauten erwartungsvoll zu ihm auf.

      Julio hob den Aktenkoffer auf den langen Tisch neben dem Lesepult, schob mit beiden Daumen die Riegel beiseite und klappte den Deckel zurück. Mohammed, der zu ihm aufsah, hatte den Eindruck, Julio stünde plötzlich kurz vorm Schlaganfall. Sein Sprachlehrer hielt mit ausgestreckten Armen den Kofferdeckel fest und starrte mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund auf den Inhalt hinunter. Erschreckt schlug er den Deckel zu.

      Der Libanese rief besorgt: "Signor Martini, was ist los? Ist Ihnen nicht wohl?"

      Julio schüttelte den Kopf, aber nicht als Antwort auf die Frage, die er gar nicht vernommen hatte. Was er gesehen hatte, war das Unglaublichste, Unvorstellbarste, Verrückteste, Hirnverbrannteste, es war......es war mehr, als er vertragen konnte. Zum Glück stand ein Stuhl hinter ihm, auf den er sich fallen lassen konnte, als seine Knie nachgaben.

      "Ich habe die Bücher vergessen", stammelte er nach kurzer Verschnaufpause, und seine Gesichtsfarbe wechselte zwischen rot und weiß, "ich habe die falsche Tasche mitgenommen."

      "Aber das ist doch nicht so schlimm", beruhigte ihn Rude, "das kann doch jedem mal passieren. Wir fürchteten schon, Sie würden tot umfallen."

      "Nein, nein, es ist..." stotterte Julio weiter, "es ist wirklich....also sehr peinlich ist mir das." Und in seinem Innern flammte das Fanal: Ich bin Millionär wie mit einem Riesenfeuerwerk in einen pechschwarzen Nachthimmel geschrieben.

      Er legte beide Hände auf den Schatz vor sich, der in braunes Leder mit Messingbeschlägen verpackt und so vor den Blicken der verdutzten Schüler verborgen war, und wusste nicht, was er nun tun sollte. Und vor seinem inneren Auge sah er wieder die Reihen gebündelter Banknoten vor sich, die den Diplomatenkoffer bis zum Rand anfüllten. Und die Zahlen darauf, die vielen Nullen hinter der eins.

      "Ja, was machen wir nun?" fragte er, versuchte auf den weichen Beinen zu stehen, merkte, dass es ihm gelang, und beugte sich vor, um die Schnappschlösser zu schließen. Jetzt ist es passiert, dachte er, ich hatte es geahnt, und er versuchte, des Schwindels Herr zu werden, der ihn schwanken ließ.

      "Es tut mir echt leid....wir hätten sonst....", fuhr er kläglich fort, stellte den Koffer hinter das Pult und fühlte sich bereits in der Lage, seinen Opfern etwas vorzuspielen. Dabei spekulierte er auf die angeborene Arbeitsunlust junger Leute bei schönem Frühlingswetter.

      "Wir

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