Der Diplomatenkoffer. Hans W. Schumacher

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Der Diplomatenkoffer - Hans W. Schumacher

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Einrichtung war zwischen den weißgestrichenen Betonwänden nicht anzutreffen. Es gab nur drei bewegliche Möbel, einen Stuhl, einen Tisch und ein Metallbett, dazu ein Waschbecken mit Spiegel, einen großen Wandschrank und ein in die Wand eingelassenes Bücherregal. Eine Gefängniszelle hatte mehr Komfort. Vor dem Fenster hing ein zweiteiliger Vorhang aus gelbem Plastikmaterial. An den Wänden hatte er mit Klebestreifen ein paar Plakate mit italienischen Motiven befestigt, damit der Raum nicht allzu kahl und ungemütlich aussah. Nachdem er die Tür mit vor Aufregung zitternder Hand von innen abgeschlossen hatte, vergewisserte er sich, dass niemand durch einen Spalt im Vorhang sehen konnte, denn sein Zimmer lag im Erdgeschoss, warf das Köfferchen aufs quietschende Bett, und setzte sich daneben.

      Beinahe versagten ihm die Arme den Dienst, so bebten sie, als die Verschlüsse aufsprangen, als er den Deckel lüftete und endlich seinen Schatz in Ruhe betrachten konnte. Wie in Trance verloren, nahm er ein Päckchen nach dem anderen heraus, wobei er sich ständig verrechnete, weil ihm tausend Gedanken durch den Kopf schossen. Nach mühsamen Kampf mit dem Einmaleins kam er auf die Summe von drei Millionen Euro. Er packte den Haufen und drückte ihn gegen seine Brust.

      Er musste es Cleo sagen, sofort, sie musste wissen, dass alles Elend mit der Bank des Heiligen Geistes vorbei war, dass ein neues Leben ohne Sorgen für sie begann, nur der Kunst und der Liebe gewidmet. Aber wo sollte er telefonieren? Ein Mobiltelefon besaß er nicht, bisher hatte es seine Finanzlage nicht zugelassen. Der Apparat vor der Cafeteria hing unter einer Plexiglashaube an der Korridorwand, jeder konnte mitbekommen, was er sagte. In der Post war es das gleiche. Er hatte den Verdacht, dass Monfils aus Langeweile alle Gespräche mithörte. Er lächelte immer so verständnisvoll, wenn Julio nach dem Telefonat mit Cleo seine Rechnung beglich.

      Der Mann im Trenchcoat hatte sich geirrt. Er hatte das Geld dem Falschen übergeben und zwar für eine Ware, die er in Julios Diplomatenkoffer vermutete. Julio hatte genügend Zeitung gelesen, um zu wissen, worum es sich handelte. Rauschgift! Die kleinen Plastikpäckchen mit Heroin oder Kokain, die der Experte mit seinem Taschenmesser ansticht, um eine Probe auf die feuchte Finger- und Zungenspitze zu nehmen, was der Mann im Trenchcoat aber versäumt hatte.

      Aber wie konnte es zu dieser Verwechslung kommen? Er hatte eine verworrene Vorstellung, wie es geschehen sein konnte. Er war wohl eine Zeitlang eingenickt. Jetzt erinnerte er sich, er hatte von Cleo geträumt, wie sie sich auf dem Sofa dehnte, ihre bunten Ketten am Hals und die mit Reifen geschmückten Arme nach hinten über die Lehne ausgestreckt. Er hatte gedacht: Wenn ich sie doch so malen könnte, wie Delacroix Cleopatra, die Königin von Ägypten gemalt hätte, halbnackt in den Armen von Cäsar in seiner römischen Rüstung. Cäsar? Hatte nicht jemand "Cäsar" geflüstert? Ja, das war es, und er hatte in seinem Dämmerzustand "Cleopatra" geantwortet. Das Passwort für den Austausch.

      Cleopatra hatte das Glück gebracht. Ah, wenn sie jetzt hier wäre und er könnte die Geldscheine über ihren nackten Leib regnen lassen, wie es einer Königin gebührt!

      Aber plötzlich machte sein Herz einen Sprung. Statt Heroinsäckchen abzuwiegen, blätterten nun Hände, die geübt waren, mit scharfen Dolchen Hoden ab- und Herzen herauszuschneiden, in zwanzig Bänden Italienisch für Fortgeschrittene auf der Suche nach dem Namen ihres Besitzers.

      Kalter Schweiß trat auf seine Stirn, er wischte ihn mit der Hand fort und begann fieberhaft nachzudenken. War noch irgendetwas in und an seinem Diplomatenkoffer, was einen Hinweis auf ihn geben konnte? Wenn er sich bloß erinnern könnte? Steckte etwa sein Taschenkalender darin? Er betastete sein Jackett, und ein Stein fiel ihm vom Herzen, das Büchlein war in der linken Brusttasche, seine Brieftasche in der rechten. Sonst gab es nichts Auffälliges, weder hatte er seinen Namen in die Aktenmappe geschrieben, noch war ein Firmenlogo des Verkäufers darin eingeklebt.

      Blieben nur die Bücher, und die waren Hinweis genug. Er sprang auf und lief im Zimmer hin und her, erschrak, als er sich im Spiegel sah mit zerzaustem Haar und verstörtem Blick. Er musste fort von hier, das war das erste, das zweite, er musste so schnell wie möglich zurück ins Hotel de Médicis, um alle Spuren seines Daseins zu beseitigen.

      Natürlich brauchten sie Zeit, ehe sie auf ihn kamen. In Paris und Umgebung existiertengewiss mehr als zwei Dutzend Institutionen, an denen Italienisch gelehrt wurde: staatliche Schulen und Hochschulen, Privatschulen, Sprachlehrinstitute, das Istituto Dante. Aber besonders letzteres war zu fürchten: er hatte zwar nichts mit ihm zu tun, aber das Sekretariat besaß die Namen und Adressen aller Italienischlehrer in Frankreich, um sie mit Informationsmaterial und Büchern zu versorgen. Es war nur eine Frage der Zeit, wann sie vor seiner Tür auftauchen würden.

      Er lief zum Vorhang, zog ihn ein Stückchen zur Seite und lugte durch den Spalt zum Parkplatz hinüber. Dort stand sein kleiner Fiat mit der italienischen Nummer, ein sicheres Zeichen, dass er anwesend war. Der musste weg. Aber was sollte das? Es gab genügend Leute auf dem Hochschulgelände, die seinen Verfolgern sagen konnten, wo er zu finden war.

      Schließlich beruhigte er sich: Sollen sie mich doch erwischen! Ich gebe ihnen das Geld, erkläre ihnen, dass ich mit allem nichts zu tun hatte, dass es mir nur in den Schoß gefallen ist....

      Er hielt inne. Das klappte nicht, sie würden ihn trotzdem umbringen. Er wusste zuviel. Er könnte beteuern, dass er sich an den Mann im Trenchcoat nicht erinnerte, sie würden ihm nicht glauben. Er spürte das Messer schon an der Kehle, den scharfen Schnitt, den Schwall heißen Blutes, der herausschoss. Die Mafia machte gern reinen Tisch.

      Unsinn, sagte er sich, ruhiger geworden. Sie würden Dutzende von Leuten brauchen, um allen Spuren nachzugehen, sie müssen erst herauskriegen, wie und wo sie suchen sollen.

      Aber der Zufall könnte sie ihn als ersten finden lassen, so wie der Zufall ihm zu seinen Millionen verholfen hatte. Und er fragte sich verwundert, warum er sich nicht auf der Stelle in Sicherheit brachte.

      Warum nur?

      Er war zu träge, er konnte sich nicht an die Vorstellung gewöhnen, dass er vom Augenblick an, in dem er ahnunglos das Aktenköfferchen in die Hand genommen hatte, ein Gejagter war. Er betrachtete sich noch immer als einen gewöhnlichen, gesetzestreuen, unschuldigen Bürger, dem nichts Schlimmeres passieren kann, als dass ihm jemand eine Tasse Kaffee über den Anzug gießt.

      Plötzlich kam große Erleichterung über ihn, sein Fieber legte sich: er hatte die Lösung gefunden. Er würde den Koffer mit seinem kapitalen Inhalt zum nächsten Polizeirevier bringen und damit hatte es sich. Ruhe, Friede, Feierabend! Er setzte sich aufs Bett, nahm langsam ein Päckchen nach dem anderen und legte sie in ordentlichen Reihen in das Köfferchen. Er warf zum Abschied noch einen langen Blick auf die braunen Scheine mit den vielen Nullen hinter der eins und drückte den Deckel zu.

      Dann saß er eine Weile stumpf neben dem Schatz, den ihm der Zufall zugespielt hatte, und konnte sich nicht entschließen aufzustehen und hinauszugehen.

      Was? Er sollte aus reiner Bequemlichkeit und Feigheit das Glück, das ihm der Name seiner Cleopatra gebracht hatte, von sich weisen? Wie sollte sie ihre Schulden bezahlen, wie sollten sie jemals auf einen grünen Zweig kommen, heiraten, eine Familie und einen Hausstand gründen können? Gott hatte ihm den Schatz doch nicht in den Schoß geworfen, damit er sich davonstahl aus seiner Verantwortung als Sohn, Liebhaber und Ehemann?

      Zum Teufel, was war er doch für ein Spießer, dachte er plötzlich verwundert. Da lagen drei Millionen vor ihm, damit konnte man anderes anfangen, als sich eine Mietwohnung in der Neustadt von Pitigliano zu kaufen. Und der innere Vorhang hob sich vor einer barocken Bühne: Gärten voller Statuen und rauschenden Fontänen, Feste in prächtigen Palästen mit schönen Frauen, Musik, Tänzern und Sängern, Meerfahrten auf der eigenen Yacht und Cleo, die Schöne, um die ihn jeder beneidete, immer neben ihm....

      Das Glück lag im Koffer, so schön kompakt, und auch noch so dauerhaft, weil

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