Sieben Leben. Stefan Kuntze

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Sieben Leben - Stefan Kuntze

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befreien von den Täuschungen und Verhüllungen bürgerlichen Denkens und bürgerlicher Gesinnung. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen zur Veränderung der bürgerlichen Wirksamkeit und des bürgerlichen Staates, zur entschiedenen Bekämpfung des Faschismus und zur Entfaltung eines einheitlichen proletarischen Klassenbewusstseins.“

      In Köln hatte sich mittlerweile ein Diskussionskreis gebildet, der Studenten, Jungsozialisten und Proletarier aus der Sozialistischen Arbeiterjugend zusammenbrachte.

      „Ich sage euch, die wollen die SPD wieder auf den richtigen Weg, den der Übernahme der Macht in den Betrieben und der Bildung einer Räteregierung führen!“, schrieb Reichenbach begeistert nach Berlin. Im Februar 1931 übernahm der Kölner Kreis, dem inzwischen auch Hans Mayer angehörte, die Zeitschrift. Sie wurde von den unterschiedlichsten Personen als Forum teils scharfer Kritik an der SPD und ihrer Politik genutzt.

      Für diese überwiegend rätekommunistisch denkenden Menschen war schon das Verhalten der SPD-Minister bei der Bewilligung des Geldes für den Panzerkreuzer A nach der Wahl 1928 eine Provokation gewesen. Als nun aber die SPD-Fraktion im Reichstag am 20 März 1930 durch Stimmenthaltung die Verabschiedung des Wehretats ermöglicht und damit die Mittel für ein zweites Kriegsschiff bereitgestellt hatte, ging ein Sturm der Entrüstung durch die Partei. Die neun Abgeordneten, die unter Führung des Sprechers des linken Flügels, Max Seydewitz, gegen den Fraktionszwang und gegen den Etat gestimmt hatten, wurden gefeiert.

      In dieser aufgeregten Situation fand am Osterwochenende die von Wagner angesprochene Reichskonferenz der Jungsozialisten in Leipzig statt, auf der vor allem er selber die Parteiführung fundamental angriff.

      „Die SPD betreibt geradezu eine Entdemokratisierung, um ihren reformistischen Kurs gegen jede sozialistische Vernunft durchzusetzen. Im Grunde stellt das eine Entpolitisierung des Proletariats dar. Sie setzt alle Mittel ein, um von oben nach unten durchzuregieren!“

      Als der tosende Beifall etwas abgeebbt war, fuhr er fort: „Wir jungen Proletarier und unsere Freunde sind Ausdruck des erwachenden revolutionären Kampfwillens der Arbeiterklasse, und wir werden nicht ruhen, bis wir in dieser Partei wieder eine revolutionäre, marxistische Politik durchgesetzt haben!“

      Schröder las beim nächsten Treffen der Gruppe in Berlin Passagen aus diesem Referat vor, das in der Nummer 6 des „Roten Kämpfer“ abgedruckt war.

      „Ihr werdet sehen, was die SPD auf dem nächsten Parteitag Ende Mai hierauf zu erwidern hat! Ich denke aber, dass dieser junge Heißsporn Helmut das Maul ziemlich voll nimmt. Wir sollten es uns nicht vollständig mit der Partei verderben.“

      Der Parteitag der SPD fand vom 31. Mai bis zum 5. Juni 1931 statt. Die Diskussionen standen zunächst im Zeichen der Abrechnung mit der so genannten „Seydewitz-Gruppe“, wie die neun Abgeordneten genannt wurden, die gegen den Wehretat gestimmt hatten.

      Unter dem harmlos klingenden Tagesordnungspunkt „Beschluss des Kasseler Parteitages über die Organisation von Jungsozialisten-Gruppen“ wurde schließlich auch das Verhältnis zu den Jungsozialisten diskutiert.

      Das zugehörige Referat mit dem Titel „Partei und Jugend“ hielt der Reichsvorsitzende der SAJ, Erich Ollenhauer. Es wurde eine Abrechnung, wie sie nicht einmal Karl Schröder sich hatte vorstellen können. Die Jusos hätten komplett und auf der ganzen Linie versagt und ihre Funktion als Mittler zwischen Partei und Jugend verfehlt. Sie gefielen sich in sektiererischen Positionen und trieben eine Parteispaltung voran, ja, sie seien mit ihrem parteifeindlichen Blatt „Der Rote Kämpfer“ geradezu kommunistische Wühlarbeiter. Das war starker Tobak.

      Noch heftiger kam es für die jungen Linken im Redebeitrag eines anderen Vorstandsmitgliedes: „Wir können und wollen uns diese Treibereien, wie sie im Machwerk, dem „Roten Kämpfer“, zum Ausdruck kommen, nicht länger gefallen lassen.“

      Nach einem weiteren offiziellen Statement wurde ein Vorschlag zur Abstimmung gestellt, den die Versammlung mit großer Mehrheit annahm: „Der Beschluss des Kasseler Parteitages über die Organisation von Jungsozialisten-Gruppen wird aufgehoben.“ Das war das Ende der selbständigen Organisation der Jungsozialisten.

      Drei Wochen später war nicht nur in Kiel der erste Panzerkreuzer des deutschen Reiches unter dem Namen „Deutschland“ vom Stapel gelaufen, sondern die Sozialwissenschaftliche Vereinigung in Berlin hatte den „Roten Kämpfer“ von den finanziell knappen Kölner Studenten in Eigenregie übernommen und arbeitete auf Hochtouren an der Entwicklung und Darlegung rätedemokratischer Ideen in diesem publizistischen Forum.

      Wagner war nach dem Parteitag verbittert nach Dresden zurückgekehrt und begann, an einem theoretischen Konzept für die Überwindung der politischen Krise zu arbeiten. Sein Aktionsprogramm der ‚Gruppe revolutionärer Sozialisten‘ rief zur Gründung einer Partei auf, die den Klassenkampf zu führen bereit sei. Ähnlich wie Reichenbach und Schröder 1921 die Zukunft in einer revolutionären Partei, der KAPD, gesehen hatten, war er überzeugt, dass jetzt und sofort eine Organisation geschaffen werden müsse, die die Revolution in die Hand nehme.

      „Der … Weg des Entstehens einer revolutionären Partei ist gekennzeichnet durch die Bildung von programmatisch klaren, zielbewussten Kernen und Kadern, die in organischem Wachstum alle Massenorganisationen der Arbeiterklasse durchsetzen und sich durch sichere Analyse, konkrete taktische Vorschläge und Solidarität in allen politischen Kämpfen allmählich das Vertrauen ihrer Klassengenossen schaffen und unermüdlich an der Klärung des Bewusstseins arbeiten.“

      Am 29. September wurde Wagner wegen seiner zersetzenden Tätigkeit aus der SPD ausgeschlossen.

      In Berlin schüttelte Schröder den Kopf über die Einschätzung des jungen Genossen. Er war nach den Erfahrungen mit der KAPD der Überzeugung, dass die Chance, die 1918/19 bestanden hatte, vertan worden war und dass es jetzt darum gehen müsse, die Nationalsozialisten abzuwehren und – wenn dies nicht gelinge – die zu erwartende faschistische Diktatur zu überleben. Die Revolution, sosehr er sie herbeisehnte, musste warten.

      „Karlchen, lass dich nicht von diesem Revoluzzer blenden. Mit seiner Partei wird er ins Unglück rennen und uns mit hineinreißen!“

      Schröder legte in der Septemberausgabe des „Roten Kämpfer“ ausführlich dar, dass eine revolutionäre Partei nicht am grünen Tisch entstehen könne, sondern Ergebnis einer organischen Entwicklung sein müsse. Der revolutionäre Schwung des Dresdner Genossen beeindruckte Karl allerdings sehr und er spürte etwas von dem unglaublichen Optimismus, den Helmut verbreitete.

      „Mensch, Onkel, sollen wir tatenlos zusehen, wie die Nazis an die Macht kommen?“

      „Wer soll es denn verhindern, wenn die Linke nicht zusammenhält? Das Kapital lässt den Hitler die Drecksarbeit machen, um aus der Krise zu kommen. Die haben nichts gegen die Nazis. Du wirst sehen, die Großindustrie stützt dieses Pack. Wir Sozialisten müssen an die Zeit danach denken.“

      „Aber Bernhard hat doch gemeint, einen Versuch mit den Jungen in Dresden kann man machen.“

      „Das stimmt schon und er wird es tun, aber ich sag‘ dir ganz ehrlich: Das geht nicht gut. Der Helmut will schon Morgen mit dem Kampf beginnen, aber seine Truppen bestehen nur aus ein paar Studenten und SAJ-lern. Mit denen kann man keinen Klassenkampf führen. Mit seinem Ordnerdienst kann er vielleicht die eine oder andere Schlägerei mit der SA überstehen, aber mehr auch nicht.“

      „Wieso macht Bernhard dann mit? Ich denke, er sieht das genauso wie du.“

      Diese Frage stellte sich in der Tat und sie kann nicht eindeutig beantwortet werden. Nachdem am 4. Oktober 1931 in Berlin die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) Deutschlands

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