Sieben Leben. Stefan Kuntze

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Sieben Leben - Stefan Kuntze

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eines friedlichen Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus anklinge.

      Das lag unter anderem daran, dass auch die Reichstagsabgeordneten um Max Seydewitz an der Gründung teilnahmen. Sie glaubten immer noch an einen parlamentarischen Weg. Das war eigentlich Verrat an rätedemokratischen Glaubenssätzen.

      Reichenbach und eine kleine Gruppe der Berliner SWV und der Roten Kämpfer aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet schlossen sich trotz dieser Kritik als Fraktion der neuen Partei an. Einen Versuch könne man ja machen, und vielleicht bleibe man so in Kontakt mit den vielen unzufriedenen Jungsozialisten und Jungarbeitern der SAJ.

      Die SAP beteiligte sich an den Landtagswahlen im April 1932 und an den Reichstagswahlen im Juli, die als „Schicksalsschlacht des deutschen Proletariats“ bezeichnet wurden. Sie erhielt 0,4 bzw. 0,2 % der Stimmen. Da Reichenbach und die nach ihm benannte Gruppe mit dem Slogan „Nicht Wahlkampf, sondern Klassenkampf“ zum Wahlboykott aufgerufen hatten, kamen sie dem drohenden Parteiausschluss durch Austritt zuvor. In ihrer Erklärung vom 1. August 1932 heißt es u.a.: „Die kurze Episode der SAP hat bewiesen … : Nur auf rätekommunistischer Fundierung, nur in Ablehnung aller Methoden der alten parlamentarischen Führerparteien … kann die Neuformierung der revolutionären Arbeiterschaft zu breiter Klassenhandlung der sich erhebenden Proletarier erfolgen.“

      Diese Haltung war mitgeprägt worden von dem zusammen mit der SAP gegründeten Sozialistischen Jugendverband (SJV), in dem Wagner den Ton an- und die Inhalte vorgab, womit er sich bei Schröder zunehmend unbeliebt machte. Dessen Abneigung ging so weit, dass er, der reisende Redner und beliebte Referent, eine Anfrage für einen Vortrag vor den Mitgliedern des SJV in Dresden am 27. November 1931 ablehnte.

      „Natürlich liegt die Zukunft in einer Räteregierung und die bekommen wir nicht kampflos, aber ohne die Massen der Arbeiter gewinnen wir keinen Blumentopf, Karlchen, lass dir das gesagt sein!“

      Auch Schwab sprach von „Revoluzzertum“ und jugendlicher Überheblichkeit. Sie saßen im August 1931 kurz vor Beginn des nächsten Gruppentreffens im Hinterzimmer ihres Stammcafés am Halleschen Ufer.

      „Dein Onkel hat Recht. Es ist zwar bitter, aber wir müssen erkennen, dass die revisionistische Politik der SPD den zweifelhaften Erfolg hat, dass die Proletarier trotz allen Elends nicht zum revolutionären Kampf bereit sind. Wir müssen für die Roten Kämpfer die Menschen gewinnen, die in der Zukunft einen Kern der Kampftruppen sein können. Ein echter Revolutionär braucht einen langen Atem!“

      Natürlich stand Karl auf der Seite seines Onkels und der Berliner Roten Kämpfer und wollte das System überwinden, aber er war ein wenig erleichtert, dass der bewaffnete Kampf nicht unmittelbar bevorstand. Von den hierzu notwendigen Waffen hatte er weder bei der SWV noch bei den Roten Kämpfern etwas gehört.

      Ein Wiedersehen

      „Haben Sie schon die passende Kette zu Ihrem Kleid?“ war auf einem der kleineren Plakate an der Fassade des Juweliergeschäftes in der Friedrichstraße zu lesen. Karl stand auf dem Trottoir und staunte über die Menschenmenge, die sich vor dem Laden drängte. Er war aufgeregt. Marianne hatte sich tatsächlich an ihn gewandt und mit ihm ein zweites Treffen verabredet. Jetzt wollte er von seinem schmalen Gehalt ein Schmuckstück für sie erwerben.

      Kurz nach Ostern war sie bei ihm in der Schule in Neukölln aufgetaucht. Glücklich und verlegen zugleich begrüßte er sie.

      „Guten Tag, Marianne, das ist aber eine Überraschung.“

      „Ich bin jetzt auch an einer Neuköllner Schule und da habe ich gedacht…“

      Sie gab ihm die Hand und kam anschließend gleich zur Sache.

      „Karl, du kennst dich doch in der Politik aus. Ich durchschaue das nicht mehr. Kannst du mir sagen, wie es weitergehen soll? Die Lage wird immer schlimmer und deine Linken streiten und diskutieren, als gäbe es nichts Wichtigeres als die Theorie.“

      „Ach, Marianne, wenn das so einfach wäre mit der Einheitsfront.“

      „Was sagt denn der historische Materialismus dazu, dass die Nazis immer mehr Zulauf bekommen und die SPD die Rüstungspolitik von Brüning, DVP und dem Zentrum unterstützt?“

      „Ich muss gleich zur Konferenz, aber danach hätte ich Zeit.“

      Er schlug ihr einen gemeinsamen Spaziergang am Nachmittag vor. Bis zu dem Treffen am Brandenburger Tor war er nervös wie schon lange nicht mehr. Das Palaver der Kollegen schien kein Ende zu nehmen, und als er endlich fliehen konnte, musste er sich beeilen. Mit der U-Bahn fuhr er vom Rathaus Neukölln bis Friedrichstadt und hatte Glück, dass der Anschluss Richtung Ruhleben gut klappte. Vom Potsdamer Platz rannte er bis zum Treffpunkt.

      Jetzt waren sie im Tiergarten unterwegs und setzten sich auf eine Bank in dem Rondell oberhalb des Gewässers mit der künstlichen Rousseauinsel. Er hatte bislang nicht gewagt, den Arm um sie zu legen.

      „Bist du eigentlich noch in der SPD?“ Sie hatte kaum gelächelt, als er erzählte, dass die Geschichte „Mit dem kalten Schlittschuh in der Hand“ hier an diesem Gewässer spielte.

      „Ja, aber sag einmal, wie geht es dir eigentlich? Hast du eine gute Stelle und was macht deine Freundin Thea?“

      Sie schien es gar nicht gehört zu haben.

      „So kann es doch nicht weitergehen. Über 5 Millionen Arbeitslose kommen kaum über die Runden und sogar kleine Geschäfte werden reihenweise geschlossen. Der Goebbels brüllt in den Sälen und auf den Straßen muss man Angst haben vor den Schlägertrupps der SA. Die Regierung schmeißt Geld raus für Schlachtschiffe und deine SPD macht nichts! So sieht es aus. Wenigstens hat der Seydewitz dagegen gestimmt.“

      Es gelang ihm nicht, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu lenken. Er konzentrierte sich und holte tief Luft.

      „Ja, ich bin noch in der SPD, aber wir Jungen haben inzwischen unsere eigene Organisation, die die Partei wieder auf den richtigen Weg bringen wird.“

      „Und was wäre der richtige Weg?“ Diesen spöttischen Ton kannte er noch gut, ließ sich aber nicht beirren.

      „Marianne, es ist doch klar, dass wir in einer historischen Situation in Deutschland leben. Wir erleben gerade die Todeskrise des Kapitalismus.“

      Er hatte diesen Begriff erst vor wenigen Tagen bei einem Auftritt seines Onkels gehört.

      „So sieht es aber gar nicht aus, wenn ich sehe, wie die Nazis immer stärker werden. Den Bossen scheint das ganz recht zu sein.“

      „Das ist es doch! Die Nazis sind die Knechte des Großkapitals. Die schicken sie nach vorne, um den Parlamentarismus abzuschaffen. Danach wollen sie ihre Ausbeuterherrschaft noch ungehinderter ausüben.“

      „Hoho, das sind ja starke Worte. Wer sagt denn so etwas?“

      Er ließ den Blick kurz in die Umgebung schweifen und als er keinen Menschen bemerkte, setzte er sich aufrecht und sah ihr gerade ins Gesicht.

      „Die Roten Kämpfer sagen das.“

      „Wer ist das denn?“

      „Ich habe dir doch von meinem Onkel, dem Karl Schröder, erzählt.“

      „Ja, der war doch beim Spartakusbund.“

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