Sieben Leben. Stefan Kuntze

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Sieben Leben - Stefan Kuntze

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      „Von denen habe ich noch nie gehört.“

      „Das ist auch richtig so. Wir sind nämlich eine Geheimorganisation.“

      „Das ist aber interessant. Was ist denn euer Ziel?“

      „Wir lehnen den Parlamentarismus ab, weil er ein Herrschaftsinstrument der Bourgeoisie ist. Es gilt, die Macht in den Betrieben zu übernehmen und landesweit eine Räteregierung zu bilden. Das geht nur über eine echte Revolution.“

      „Das sagt die KPD auch. Ich dachte übrigens, für eine Revolution braucht es die Massen des Proletariats. Habt ihr die hinter euch?“

      Er war sich nicht sicher, ob in der Frage wieder dieser spöttische Unterton mitschwang.

      „Natürlich geht es nicht ohne die Arbeiter, aber so lange die in der SPD bei der Aufrechterhaltung der Herrschaft des Kapitals mitmachen oder in der KPD nach Stalins Pfeife tanzen, müssen wir die Besten und Fähigsten zusammenbringen, um eine wahrhaft revolutionäre Organisation zu schaffen.“

      Sie sah ihn mit einem merkwürdigen Ausdruck an.

      „Ich muss jetzt leider gehen, aber was du da sagst, klingt interessant. Du muss mir mehr davon erzählen.

      Karl lehnte sich vorsichtig zurück. Es würde ein weiteres Zusammentreffen geben. Vielleicht wurde etwas aus dieser Beziehung. Der Abschied auf dem U-Bahnsteig war für seinen Geschmack viel zu kühl, aber er wanderte zufrieden zurück.

      Wenige Wochen später, an einem frischen Apriltag, stand Karl also in der Friedrichstraße. Eine kalte Nachmittagssonne beschien die Rücken der Menschen, die sich vor dem Geschäft drängten. Er zögerte. Es war ihm peinlich, vom Elend anderer zu profitieren, aber er hätte sich sonst keinen solchen Luxusartikel leisten können.

      Vorsichtig zwängte er sich durch den Pulk von Mantel- und Hutträgern, der sich vor dem Eingang gebildet hatte, über dem ein riesiges Transparent hing, das auf die heutige Auktion hinwies: „22.000 Mk Miete ist unerschwinglich deshalb Total-Auflösungs-Ausverkauf!! Die ausgezeichneten Preise haben keine Gültigkeit mehr. Wir akzeptieren jedes nur mögliche Angebot!!“

      Zehn Minuten später verließ er das Geschäft. Seine rechte Hand versicherte sich alle paar Minuten in der Manteltasche, dass das kleine Säckchen noch da war. Einen Bernsteinanhänger in Tropfenform hatte er erwerben können und hoffte inständig, er würde ihr gefallen. Er stellte sich vor, wie gut er zu ihren graugrünen Augen passen würde und konnte das vereinbarte zweite Rendezvous kaum erwarten.

      Sie hatte vorgeschlagen, gemeinsam das Pergamonmuseum zu besuchen. Bereits eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit lehnte er an der Mauer zur Spree vor dem bombastischen Mittelteil des U-förmig angeordneten Museumsgebäudes, das mit den kahlen, hohen Außenwänden an einen Hochbunker erinnerte.

      Gerne hätte er mit ihr hier draußen eine Zeit lang gesessen, aber sie wollte sofort hineingehen, als sie endlich mit gebührender Verspätung aufgetaucht war. Staunend wandelten sie durch die riesige Prachtstraße mit den glänzenden blauen Kacheln und den goldenen Drachen auf das Ischtar-Tor von Babylon zu.

      Als sie im nächsten Saal auf den Stufen des Pergamonaltars standen, gelang es ihm, das Päckchen aus seiner Tasche zu ziehen und ihr mit feierlicher Miene zu überreichen.

      „Was ist das denn?“

      „Ein kleines Geschenk zur Erinnerung an die Studentenzeit.“

      „Karl, das sollst du doch nicht.“

      Er errötete und wandte sich ab, während sie das Band um die Schachtel löste, das Säckchen öffnete und die Kette herausnahm.

      „Oh, der ist aber schön! Du hast dich daran erinnert, dass ich Bernstein liebe. Du bist ein ganz Aufmerksamer!“

      Jetzt war die Röte in seinem Gesicht nicht mehr zu übersehen, aber das war ihm egal und wenn sich nicht so viele Menschen um sie herum auf den Tempeltreppen aufgehalten hätten, hätte er sie geküsst. Sie legte sich die Kette um den Hals und ließ es geschehen, dass er ihren Nacken streichelte, während er an dem Verschluss arbeitete. Sie löste sich aber rasch von ihm und wollte den Museumsrundgang fortsetzen.

      Erst als sie vor den klassizistischen Säulen der Vorhalle des Alten Museums im Lustgarten saßen, kam sie zur Ruhe und begann eine Unterhaltung, die sie trotz der überwältigenden antiken Kultur und der frischen Aprilsonne sofort wieder auf die aktuelle Politik brachte.

      „Wie ist das nun mit deinen Roten Kämpfern? Was habt ihr konkret vor?“

      „Psst, nicht so laut, man weiß nie.“

      „Jetzt stell dich nicht so an! Ihr müsst schließlich Mitkämpfer gewinnen und dazu sollte man über euch sprechen.“

      „So einfach ist das nicht. Alexander Schwab und mein Onkel wissen, dass es im Augenblick um etwas anderes geht.“

      „So, sagen sie das? Und was soll das bitteschön sein?“

      „Ich kann dir das nicht so genau sagen, aber nach dem letzten Vortrag haben sie im Anschluss im Café gesagt, wir müssen sehr vorsichtig sein.“

      „Was für ein Café?“

      „Wo wir uns immer versammeln, im Nebenzimmer.“

      „Wie heißt das und wo ist es genau?“

      „Das darf ich dir nicht sagen.“

      „Das kommt mir aber seltsam vor.“

      „Marianne, du hast mir noch gar nicht erzählt, wie es dir geht und was du für eine Arbeit hast.“

      „Das ist doch jetzt nicht wichtig.“

      „Darf ich es nicht trotzdem erfahren?“

      „Ein Geheimnis ist es nicht. Ich bin an der Schule am Mariendorfer Weg und darf eine Grundschulklasse unterrichten. Da geht es vielleicht laut zu!“

      „Das ist ja ganz bei mir in der Nähe! Und wie ist es, macht es dir Spaß?“

      „Ach, weißt du, Karl. Ich frage mich manchmal, was diese Kinder für eine Zukunft haben werden und was aus ihnen wohl wird, wenn die Nazis das Sagen haben.“

      „Das müssen wir verhindern!“

      „Und wie soll das funktionieren?“

      Karl wusste nicht, was er auf diese Frage zur Antwort geben konnte. Klar war ihm jedenfalls, dass Marianne nicht zufrieden war. Sie schlug vor, er solle sie doch einmal zu einem Treffen mitnehmen.

      „Das geht auf keinen Fall!“

      Damit war ihre Neugier erst recht geweckt.

      Ein Beitritt

      Den Genossen Wagner traf Karl jetzt öfter. Helmut hatte eine Gruppe der Roten Kämpfer in Dresden gegründet und kam häufig nach Berlin, um für seine Idee einer neuen Partei zu werben. Die Jungsozialisten in Sachsen bildeten eine große Gruppe und mit dem roten Zentrum in Freital verstanden sie sich als Speerspitze der Revolution.

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