Die Elf Augen. B. L. Hach

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Die Elf Augen - B. L. Hach

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erkennen.«

      »Mann, dann lass mich mal!« Arnold schob seine Schwester zur Seite.

      Orville hatte begonnen, den Inhalt des Koffers auf den Boden zu räumen. Lauter kleine Tuben, Dosen und Gläschen. Jetzt nahm er eine Kamera aus dem Koffer und begann, das Zimmer zu fotografieren. Sehr gründlich ging er vor. Er fotografierte wirklich jeden Quadratzentimeter. Das Fensterbrett, den Nachttisch, die Deckenlampe – sogar die Teppichfransen. Als Nächstes begutachtete der Spurensucher die eingetrockneten Blutflecken. Mit einem großen Lineal maß er ihren Durchmesser. Er nahm eine Schere aus dem Koffer und schnitt jeden einzelnen Fleck säuberlich aus. Aus dem Rest schnitt er blitzschnell – vielleicht zur Übung, vielleicht auch nur zum Spaß – eine Sternengirlande.

      »Könnte auch ein Scharlatan sein«, murmelte Arnold.

      In genau dem Moment hielt Orville für den Bruchteil einer Sekunde inne und lauschte. Arnold erschrak so sehr, dass er freiwillig zur Seite rückte. Agatha blickte wieder durch das Schlüsselloch.

      Orville hatte ein gewaltiges Mikroskop aus dem Koffer gehoben. Nacheinander legte er die Bettlakenstücke unter das Objektiv. Es dauerte eine Ewigkeit, denn Orville machte sich in einem kleinen Heft ausführliche Notizen.

      »Gibt's was Neues?«, flüsterte Arnold.

      »Er zieht mit einer Pinzette kleine Fasern aus dem Lakenstoff. Die stopft er in ein Reagenzglas … und jetzt tropft er eine giftgrüne Flüssigkeit darauf. Irgendwie merkwürdig.«

      »Ein Scharlatan, sag ich doch«, flüsterte Arnold.

      »Hauptsache, er verschüttet nichts«, flüsterte Agatha zurück.

      Orville platzierte das Reagenzglas in einem Ständer auf dem Fußboden, daneben stellte er einen altmodischen Wecker. Dann setzte er sich kerzengerade auf das Bett, verschränkte die Arme vor der Brust und pfiff leise vor sich hin.

      Nach wenigen Sekunden drehte er den Kopf zur geschlossenen Tür. Agatha war, als würde er ihr durch das Schlüsselloch direkt ins Auge sehen. »Mes enfants, könnt ihr mir vielleicht etwas zu trinken bringen? Spurensuchen strengt an. Leo macht doch diese hervorragende Limonade, nicht wahr?«

      Wie vom Blitz getroffen wichen die Zwillinge von der Tür zurück.

      Ein paar Minuten später brachten sie Orville das gewünschte Glas Limonade, mit einem extra Eiswürfel.

      »Merci beaucoup«, sagte Orville, nahm einen großen Schluck und unterdrückte einen Rülpser. »Köstlich. Jetzt gibt es nichts anderes zu tun, als zu warten, bis der Wecker klingelt. Setzt euch doch.« Er klopfte einladend auf die Matratze neben sich.

      Zögernd nahmen die Zwillinge Platz. Agatha sah zum Reagenzglas. Die Flüssigkeit darin war so grell, dass ihr die Augen schmerzten. Schnell wandte sie den Blick wieder ab. Ganz anders Orville, der das Reagenzglas anstarrte, jede Farbveränderung registrierte und nur ab und zu von der Limonade trank. Arnold wippte mit den Füßen. Das Ticken des Weckers kam ihm unerträglich laut vor.

      Endlich klingelte es.

      »Na, dann wollen wir mal«, sagte Orville. »Jetzt heißt es Daumendrücken, mes enfants.« Er krempelte sich die Ärmel hoch. »Ich werde nun einen Streifen Humanopapier in das Reagenzglas halten. Färbt sich der Streifen, haben wir ernsthaft Grund zur Sorge.«

      Orville war so angespannt, dass sich sein Akzent verstärkte. Vorsichtig nahm er einen Papierstreifen aus dem Aktenkoffer und tunkte ihn in die grüne Flüssigkeit. Nach einigen Sekunden zog er den Streifen wieder heraus . Die Flüssigkeit perlte ab, der Streifen war so weiß wie zuvor. Orville hielt ihn ein zweites Mal in die Flüssigkeit: Wieder blieb der Streifen weiß. Erleichtert atmete der Spurensucher aus. Arnold spürte, wie ein Teil der Anspannung von ihm wich. Zwar wusste er nicht warum, doch mit einem Mal hatte er Vertrauen in diesen seltsamen Typen.

      Agatha wollte es genauer wissen: »Was bedeutet das?«

      Orville schraubte das Reagenzglas zu.

      »Alors, die zu untersuchende Substanz …«, begann Orville, wurde jedoch von Arnold unterbrochen: »Du meinst das Blut.«

      Orville zog die Augenbrauen hoch. »Ob es Blut ist, musste erst überprüft werden. Nimm nichts als das, was es scheint. Erste Spurensucherregel.« Er kratzte sich am Kopf. »Nein, das ist die zweite Regel. Die hab ich schon während meiner Ausbildung immer verwechselt. Aber ja, in diesem Fall ist es tatsächlich Blut. Das hat meine Analyse mit dem Mikroskop eindeutig gezeigt.«

      Agatha stöhnte sichtlich genervt: »Und was war das mit dem grünen Zeug eben?«

      Oberlehrerhaft erklärte Orville: »Das grüne Zeug ist ein Molekül-Lösungsmittel. Es hat das Blut von dem Stoff gelöst. Dadurch konnte ich den Test mit dem hochwertigen Humanopapier durchführen. Da sich dieser Streifen nicht verfärbt hat, können wir davon ausgehen, dass es sich nicht um menschliches Blut handelt. D'accord?«

      Jetzt verstand Agatha, warum Orville so erleichtert war. »Das heißt, Mama und Papa sind gar nicht verletzt?«

      »Zumindest nicht schwer«, sagte Orville. »Und das hätte mich auch gewundert. So gut, wie eure chère maman trainiert ist.«

      »Aber woher stammt das Blut dann?«

      »Gute Frage. Schwere Frage«, Orville wog den Kopf. »Um sie endgültig beantworten zu können, muss ich die Proben mit in mein Labor nehmen. Dort habe ich mehr Gerätschaften. Vorher sollte ich noch eine Luftprobe nehmen.«

      Orville hob ein braunes Päckchen aus seinem Koffer. Unter normalen Umständen hätte Agatha sich gewundert, wie all die Dinge darin überhaupt Platz hatten. Aber das hier waren alles andere als normale Umstände.

      »Diese Luftsauger sind unglaublich teuer«, erklärte Orville. »Kaum kauft man einen, gibt es ein halbes Jahr später schon wieder einen besseren. Dieser hier ist noch brauchbar, hat ja auch euer Vater entwickelt, wie der Fachmann unschwer erkennt.«

      Er hatte das Packpapier entfernt und strich mit den Händen liebevoll über eine Art Staubsauger im Miniformat. Die Maschine war, wie die Geräte aus der Dachkammer, mit einer samtartigen Schicht überzogen. Ein langes Kabel hing zu Boden. Orville schob das Ende in die Steckdose hinter dem Nachttisch. Im gleichen Moment begann das Sauggeräusch. Die Maschine hob ab. Kaum eine Handbreit schwebte sie über den Boden. Verdutzt nahmen die Zwillinge die Füße hoch, damit die Maschine unter ihnen entlanggleiten konnte.

      Orville schien sehr zufrieden. »Wirklich ein gutes Gerät. Lässt keine Ecke aus. Früher hatten wir zum Sammeln von Luftproben nichts als Schraubgläschen. Die musste man mit der Hand durch die Luft schwenken, das gab Muskelkater! «

      Nachdem der Luftsauger den Boden abgeflogen war, positionierte er sich in der Mitte des Raumes. Hier schwenkte er sein Saugrohr Richtung Decke, saugte einen Moment, stockte – und bekam einen Hustenanfall. Nach einem letzten Ächzen verstummte der Sauger. Das Rohr war verstopft.

      Orville kniete sich neben die Maschine und klopfte ein paar Mal auf das Gehäuse. Da spuckte der Sauger im hohen Bogen etwas aus, das langsam zu Boden segelte.

      Es war eine anthrazitfarbene Feder.

      Agatha und Arnold stockte der Atem. Die kannten sie aus ihrem Traum! Der ihnen von Minute zu Minuter echter schien. War die Feder nicht der letzte Beweis? Das, was sie Nacht für Nacht sahen und hörten, war Realität!

      Auch

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