Der Schneeball. Neo Tell

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      Er riss jäh an ihren Haaren und gab nicht nach. Rosa musste ihren Kopf in den Nacken gelegt halten, um den ohnehin schon kaum aushaltbaren Schmerz nicht noch zu verstärken.

      „Rennst du zu den Bullen oder sonst wohin, sage ich einfach, dass du mich heute verführt hast, als wir hier alleine zwischen den Jahren gearbeitet haben; dass du ganz heiß auf mich gewesen bist; dass du dich erst dann dazu entschlossen hast, mir eine in Wirklichkeit niemals geschehene Vergewaltigung anzuhängen, als ich reumütig zurück zu meiner wunderbaren Frau wollte; dass du dich schlichtweg nicht mit dem Umstand hast abfinden können, niemals mit mir zusammen sein zu können; dass du ein bemitleidenswertes kleines Ding bist und es keine Sekunde alleine in deinem miserablen WG-Zimmer aushältst.“

      Lüstern flüsterte er ihr jetzt seine ernüchternde Schlussfolgerung ins Ohr:

      „Dann steht nämlich Aussage gegen Aussage, Prinzessin. Kannst du dich daran erinnern, wie dieser ARD-Wetterfrosch damit gefahren ist? Ganz zu schweigen davon, dass du einen langen und teuren Prozess durchstehen musst, während deine Karriere brachliegt und langsam zerbröckelt.“

      Rosa schäumte vor Wut. Verzweifelt schmiss sie mit einer weit ausholenden Armbewegung alles um, was vor ihr auf der Theke stand. Der dadurch verursachte Krach wurde von der lauten Musik beinahe vollständig verschluckt.

      „Nur zu, schmeiß alles um, du Furie. Ich sag einfach, dass du rauen Sex wolltest und dich dabei komplett vergessen, dich ganz purer Leidenschaft überlassen hast.“

      Trotzig ruderte sie weiter mit den Armen. Eine Tasse fiel zu Boden und zerbrach. Eine Lache von Milchkaffee breitete sich aus. Jetzt drückte von Schirach sie nieder. Rosa lag auf einmal bäuchlings im kalten Milchkaffee auf den Porzellanscherben. Über ihr der zwei Zentner schwere von Schirach. Der Schmerz wuchs ins Unerträgliche. An Bewegung war schon deshalb nicht mehr zu denken, weil die scharfen Kanten des Porzellans riesige Schnittwunden reißen würden.

      Sie schrie wie am Spieß.

      Gewaltige Mengen Adrenalin schossen ihr in die Adern. Ihr Verstand raste. Sie machte sich keine Illusionen darüber, dass sie kurz davor stand, Opfer einer grausamen Vergewaltigung zu werden. Ihr Hinterteil war entblößt und wenn sie sich nicht täuschte, öffnete von Schirach gerade seinen Hosenschlitz. Sie bereute, heute keine ihrer hautengen Skinny Jeans angezogen zu haben. Vielleicht hätte sie es ihrem Peiniger dadurch einen Deut schwerer gemacht, der die Teeküche für sein Verbrechen perfekt ausgewählt hatte.

      Es war mit Ausnahme der Toiletten der einzige Ort in dem Loft, an dem niemand sie aus den alten Speichergebäuden am Brooksfleet auf der einen und aus den Neubauten am Sandtorkai auf der anderen Seite beobachten konnte. Die laute Musik übertönte jedes Geschrei. Hinzu kam, dass ein plötzlich auftauchender Kollege äußerst unwahrscheinlich war. Die paar, die keinen Urlaub zwischen Weihnachten und Neujahr genommen hatten, waren bereits zur frühen Mittagszeit nach Hause gegangen.

      Nie hätte sie sich träumen lassen, dass dies eines Tages tatsächlich passieren würde. Sie hatte über zahlreiche Vergewaltigungen tiefer gehend gelesen. Dieses Verbrechen war so alt wie die Menschheit selbst. Stets hatte sie sich geschworen, sich die Seele aus dem Leibe zu schreien und zu kämpfen bis zum Schluss. Aber ihre Kräfte schwanden. Die Handgelenke schmerzten. Sie ächzte unter dem gewaltigen Gewicht des von Schirach. Zudem war der Mann stark wie ein Stier. Ihr Wille brach. Leise weinend ergab sie sich ihrem Schicksal und hoffte inständig, dass es nur bald vorbei sein würde.

      2 – Heron Tower, City of London

      „Was hat das zu bedeuten ‚Belsazar aber ward in selber Nacht von seinen Knechten umgebracht‘?“, fragte Alexander Büsking seinen Freund Fiete Peters hoch oben in den Wolken über der City. Die Tonalität geriet ihm alles andere als freundlich.

      Es war diesig und regnete noch immer leicht in London. Von ihrem Fenstertisch im 40. Stockwerk des Heron Towers konnten sie wegen des schlechten Wetters kaum Themse und umstehende Wolkenkratzer erkennen.

      „Das ist aus einer Ballade von Heinrich Heine, du literarischer Analphabet, du schamloser Kulturbanause.“

      „Ach, weiß ich doch selber, dass das eine Heine-Zitation ist, du Arsch. Ich hab mein Abitur mit 1,0 gemacht. Kenne die Hälfte der Klassiker der deutschen Literatur noch heute auswendig. Nein, ich meine: Was will man uns damit sagen? Ist das eine Morddrohung?“

      „Blaff mich nicht so an, Alexander. Mir ist auch nicht gerade danach zumute, bei Moët & Chandon in der Champagne anzurufen und quer durch die Nordsee eine Dom Pérignon-Pipeline nach Sylt legen zu lassen.“

      Büsking musste lachen. Offensichtlich hatte sein Buddy trotz der misslichen Lage den notorischen Appetit des Investmentbankers für derben und stumpfen Humor noch nicht verloren. Er gluckste:

      „Und das ganze West Stream zu nennen, Gerhard Schröder als Aufsichtsrat der Betreibergesellschaft mit einem Jahressalär von sieben Millionen Euro einzusetzen und so zu tun, als habe das nicht den geringsten politischen Hintergrund und geschähe das allein um der Management-Qualitäten des Altkanzlers wegen?“

      Schallendes Gelächter. Sie saßen im Duck & Waffle und aßen ungefähr zur gleichen Zeit, zu der Rosa Peters in Hamburg Opfer einer Vergewaltigung wurde, ein zweites Frühstück. Fiete Peters hatte eine 50-Pfund-Note Schmiergeld gezückt und dem Personal am Empfang zugesteckt, um nachmittags noch an ein English Breakfast zu kommen. Vor noch nicht einmal einer Stunde war er mit seiner Cessna Citation auf dem London City Airport gelandet. Seinem Piloten hatte er beim Verlassen des Jets mitgeteilt, dass er nach seiner Unterredung mit Büsking umgehend zurück nach Sylt fliegen wollte.

      „Ich denke“ – Peters gab nur widerwillig eine Antwort auf Büskings Eingangsfrage – „dass das eher metaphorisch zu verstehen ist. Man will uns nicht tatsächlich umbringen, sondern uns nur unser Vermögen nehmen, uns sozusagen in unserer Eigenschaft als vermögende Person annullieren.“

      „Aber wieso? Wenn ich mich recht entsinne, hat Belsazar in Heines gleichnamiger Ballade Gotteslästerung betrieben:

      ‚Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;

       Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

       Und der König ergriff mit frevler Hand

       Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

       Und er leert ihn hastig bis auf den Grund

       Und ruft laut mit schäumendem Mund:

       Jehova! dir künd ich auf ewig Hohn –

      Ich bin der König von Babylon!

      Was haben wir mit derlei Blasphemie zu schaffen?“

      „Das meinst du nicht im Ernst, Alexander, oder?“

      Sie waren Freunde seit dem gemeinsamen Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster. Peters wartete ab, bis die junge Kellnerin ihm Kaffee nachgeschenkt hatte. Das tat er nicht, weil er die blutjunge Latina nicht an ihrem Gespräch teilhaben lassen wollte, sondern vielmehr, weil ihr abyssisches Dekolleté seine volle Aufmerksamkeit beanspruchte. Als sie sich Gästen am Nebentisch zuwandte, fuhr er fort:

      „Denk doch mal nach! Welche Leichen liegen bei dir im Keller? Wo kommt das Geld her, mit welchem du dir gerade dein Eisberg-Haus baust mitten im Babylon des 21. Jahrhunderts?

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