Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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und eins von einem Polen, die katholische Hure.«

      Aus Krakau war sie geflohen, weil sie einer deutschen Minderheit angehörte. Nun war sie als Katholikin in einer protestantischen Gegend. Die gegenseitige Abneigung der beiden Religionsgruppen war ein Problem wie überall; schwerwiegender waren allerdings die sozialen Verhältnisse. Jeder Neue wurde zuerst einmal als ein Wettbewerber um einen der begehrten Arbeitsplätze angesehen, denn davon gab es nicht genug, um allen Einwohnern einen halbwegs ausreichenden Broterwerb zu sichern. Und so wurden Gerüchte in die Welt gesetzt, um Maria möglichst auszugrenzen. Jeder zeigte ihr seine Abneigung. Doch selbst wenn sie gewollt hätten; keiner der Heimarbeiter konnte sich eine Frau mit zwei Kinder leisten. Sie hätte bei den Löhnen, die gezahlt wurden, nicht den Lebensunterhalt für sich und die Kinder verdienen können.

      Maria erkannte sehr schnell, dass sie eine andere Lösung finden musste. Am nächsten Morgen machte sie sich auf die Suche nach Arbeit. Sie zog ihre besten Sachen an und fragte in den umliegenden Gütern nach Arbeit. Überall bekam sie Absagen. Jetzt war nur noch eines geblieben. Voller Sorge weil dies vielleicht ihre letzte Chance war, klopfte sie an die schwere Türe aus schlesischer Eiche. Eine freundliche Frau ließ sie herein, und es dauerte auch nicht lange bis sie zu dem Verwalter des Gutes geführt wurde. Sie erklärte ihm, dass sie Arbeit suche, und dass sie nicht mehr weiter wisse. Der Verwalter, ein untersetzter, schon etwas älterer Mann mit einer Halbglatze, die er mit ein paar grauen Haaren zu kaschieren versuchte, hörte sich an, was sie zu sagen hatte. Dann straffte er seinen Rücken, zwirbelte seinen Bart und sah sie an.

      »Du kannst in der Ziegelei arbeiten. Zehn Taler im Monat, Kost und Logis frei. Morgen meldest Du Dich beim Ziegler

      Lanzkus. Der zeigt Dir, was Du zu tun hast und wo Du schlafen kannst.«

      Dann drehte er sich um. Es war alles gesagt. Maria ging.

      »Danke.«

      In einer Ziegelei. Was würde auf sie zu kommen? Doch der erste Schritt war getan. Sie war erst einmal untergekommen und hatte eine Chance, den Winter zu überleben.

      Tags drauf, als sie sah, wo sie zukünftig würde leben müssen, war sie erschüttert. Sie hatte eine Kammer in einem der Nebengebäude des Gutes. In der Kammer standen ein Ofen und ein Bett. Auf ihren Wunsch hin war ein zweites Bett für Gustav und Martha aufgestellt worden. Als der Vorarbeiter wieder gegangen war sah sie sich um. Es war traurig, doch irgendwie war sie froh, dass sie erst einmal eine Bleibe hatte.

      Zehn Taler im Monat waren nicht viel, doch wenn man bedachte, dass eine Weberfamilie trotz aller Mühe auch nicht mehr als höchstens zweihundert Taler im Jahr verdiente, ging es ihr bei freier Kost und Logis erst einmal nicht so schlecht. Hinzu kam die Pension ihres Mannes. Wenn sie sparsam wäre könnte sie vielleicht etwas zurücklegen.

      Fürs erste würde sie mit den Kindern hier bleiben, wenn es auch noch so schrecklich war.

       Es ist in jedem Anbeginn

      Das Ende nicht mehr weit.

      Wir kommen her und gehen hin

      Und mit uns geht die Zeit.

      Gustav

      1852 bis 1866

       Kindheit und Jugend in Langenbielau, Schlesien

      Gustav Szlapszi war sieben Jahre alt, als er mit seiner Mutter und seiner Schwester auf dem Gut ankam. Die schwierigen Lebensverhältnisse nahm er noch nicht wahr. Dazu war er noch zu klein. Er lebte auf dem Gut und spielte mit seinen Gleichaltrigen. Die Gutsbesitzer waren ebenso wie alle anderen Gewerbetreibenden per Gesetz verpflichtet, von Kinderarbeit abzusehen. Das schützte Gustav aber nur bis zu seinem sechsten Lebensjahr. Im Sommer des Jahres 1853 wurde er zum ersten Mal zur Mithilfe bei der Ernte eingeteilt. Zusammen mit den anderen Kindern, die auf dem Hof aufwuchsen, musste er auf den Feldern helfen. Morgens ging er schon früh mit den Erwachsenen auf die Felder, und erst am Abend, wenn es dunkel wurde, kam er zusammen mit seiner Schwester nach Hause. Er empfand nichts Außergewöhnliches dabei. Alle machten es so. Es war Bestandteil ihres Lebens, doch Maria hatte in Krakau erlebt, dass Kinder anders aufwachsen konnten.

      Es gab in Langenbielau keine katholische Schule, die wurde erst 1859 gegründet, und deshalb erhielt sie keine Information darüber, dass Gustav mit sieben Jahren schulpflichtig wurde. Die protestantische Gemeinde in Langenbielau sah keine Veranlassung, Katholiken darüber zu informieren, und die Gutsbesitzer freuten sich über jedes Kind, das trotz der Schulpflicht, die in Preußen schon gesetzlich geregelt war, nicht zur Schule ging und somit als Arbeitskraft zur Verfügung stand.

      Durch Zufall erfuhr Maria, dass Martha und Gustav zur Schule gehen konnten. Friedrich I. hatte bereits 1717 die Schulpflicht in Preußen eingeführt, in dem er erließ, dass die Eltern überall dort, wo es eine Schule gab, ihre Kinder in dieselbe zu schicken hätten. Es gab allerdings nur wenige Schulen. Und dort, wo es Schulen gab, gingen auch viele Kinder nicht hinein, denn die meisten Familien waren darauf angewiesen, dass ihr Kind beim Broterwerb mitarbeitete. So blieben die meisten der Schule fern und damit Analphabeten. Durch den Schock der verheerenden militärischen Niederlage 1806 gegen Napoleon und der in deren Folge politischen Bankrotterklärung Preußens erkannte man die Notwendigkeit von Reformen, die auch das Schulwesen umfasste. Enorme Anstrengungen wurden unternommen, flächendeckend Schulen zu bauen und ausgebildete Lehrer einzustellen. 1840 führte Preußen die allgemeine Schulpflicht ein und verpflichtete die Eltern. Trotz der angedrohten Sanktionen im Falle des Nichterscheinens wurde das Gesetz jedoch oft genug unterlaufen. Die Kinder wurden weiterhin als billige Arbeitskräfte missbraucht, und die am Existenzminimum lebenden Familien wehrten sich nicht dagegen, da sie zum Überleben jeden Groschen brauchten. Hinzu kam, dass es den einfachen Menschen häufig auch an der Einsicht fehlte, dass eine bessere Bildung die Lebensperspektiven ihrer Kinder verbesserte. Die meisten der Lohnarbeiter waren selbst Analphabeten, und von den Kanzeln wurde ihnen erklärt, dass dies Gottes Wille sei und sie sich in ihr Schicksal, in einer ständisch strukturierten Gesellschaft am unteren Ende zu leben, zu fügen hätten. Kaum einer stellte sich die Frage, warum ihnen Hunger als Prüfung Gottes auferlegt würde und warum Gott anderen diese Prüfung ersparte.

      Auch Maria war gottesfürchtig und fügte sich soweit es sie selbst betraf. Für ihre Kinder erhoffte sie sich jedoch eine bessere Zukunft. Gregors Eltern waren in seiner Kindheit zum katholischen Glauben konvertiert, damit er auf die Klosterschule gehen und preußischer Beamter werden konnte. Jetzt war Gregor tot und sie lebten in einem Dorf, in der es nicht einmal eine katholische Schule gab. Ihre Kinder mussten auf die Schule, und wenn es die evangelische war, auch gut. Sie setzte alle Hebel in Bewegung, dass Gustav und Martha auf die Schule konnten. Sie erwog sogar, mit ihren Kindern erneut zu konvertieren und protestantisch zu werden, was die Aufnahme in die Schule sehr erleichtert hätte, doch sie zögerte. Was würde Gregor sagen? Es ist schwer, sich zu emanzipieren, wenn man jahrhundertelang eingetrichtert bekommen hat, wie man zu leben und zu denken hätte. Natürlich nur, um Gott zu gefallen und die ewige Seligkeit zu erlangen. In Wahrheit dienten all diese Aussagen und Maßnahmen nur einem Ziel: der Bewahrung bestehender Strukturen durch Unterdrückung. Und dies zur Bevorzugung der Unterdrücker.

      Martia brauchte eine Lösung zum Wohle ihrer Kinder. In ihrer Not wandte sie sich an den Gutsverwalter. Sie hoffte, er würde ihr helfen können. Einmal im Monat durfte das Gesinde um ein Gespräch beim Gutsverwalter nachfragen. Als sie bei ihm vorsprach hörte er sich ihr Anliegen an. Nach einer Weile nickte er zustimmend mit dem Kopf.

      »Komm heute Abend gegen acht Uhr zu mir. Ich werde schauen, ob ich etwas für Dich tun kann.«

      Am Abend klopfte Maria an die Tür des Gutsverwalters. Er öffnete persönlich

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