Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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denn in die katholische Schule in Reichenbach aufgenommen würden, gab ihr der Pfarrer die ersehnte Antwort: »Also gut. Sie sollen am Montag kommen.«

      Maria war erleichtert. Der Weg zurück nach Langenbielau fiel ihnen leicht, doch als Maria in der hereinbrechenden Nacht das Gutshaus sah bekam sie Angst. Wo konnte sie wohnen? Bald würde der Winter kommen, und die Winter im Riesengebirge waren lang und hart.

      Sie müsste bei der Gutsverwaltung bitten, wieder angestellt zu werden. Schon der Gedanke daran lastete wie ein schwerer Stein auf ihrem Herzen. Es wurde auch nicht einfach. Sie klopften an die Türe der Küche, die einen Ausgang zum Hof hatte, um die Abfälle leichter entsorgen zu können. Die Köchin öffnete. Sie kannte Maria, und es hatte sich natürlich auf dem Hof herumgesprochen, dass Maria entlassen worden war.

      »Darf ich reinkommen?«

      Die Köchin nickte, obwohl es ein großes Risiko für sie war. Sie hielt den Finger auf ihren Mund als Zeichen, nicht zu sprechen. Als alle drin waren schloss die Köchin die Türe zum Flur.

      »Was willst Du?«

      Maria erzählte, was passiert war und dass sie über Nacht einen Schlafplatz brauchte. Morgen wollte sie direkt in der Frühe um Wiedereinstellung nachsuchen. Die Köchin sah, dass alle todmüde waren. Sie ging zum Ofen und gab allen von der Suppe, die vom Abendessen übrig geblieben war. Dazu erhielten sie ein Stück Brot. Das war das erste Essen seit fast zwei Tagen. Als sie satt waren gab ihnen die Köchin den Schlüssel zu ihrer Kammer. Es war ein Privileg, das Köchinnen und Köche auf den Gutshöfen oftmals hatten, während die Dienstmägdeund Küchenhilfen irgendwo unterm Dach oder im Keller in Mehrbettzimmern, oftmals ohne Fenster, untergebracht waren. Maria schlich mit den Kindern aus der Küche in das Zimmer der Köchin. Es war sehr klein, hatte ein Bett und einen Schrank. Die drei legten sich auf den Boden. Der war hart, doch das merkten sie nicht. Als sie am nächsten Morgen aufwachten war das Bett der Köchin schon leer. Sie wussten nicht, wie spät es war, doch es war schon Tag.

      »Bleibt hier und rührt Euch nicht. Ich bin gleich wieder da.«

      Maria trat auf den Flur des Nebengebäudes, in dem auch der Gutsverwalter mit seiner Familie wohnte. Langsam ging sie hinunter, in Sorge, jeden Augenblick entdeckt zu werden. Unten angekommen trat sie schnell auf den Hof. Sie wollte gerade die Treppenstufen hinab treten als sie aufgehalten wurde.

      »Was machst Du denn hier? Habe ich Dir nicht gesagt, Du sollst verschwinden.«

      Maria war entsetzt. Sie war entdeckt. Verwirrt schaute sie umher.

      »Wo kommst Du her?«

      Maria hatte sich wieder gefasst.

      »Ich habe Sie gesucht.«

      »Hier?«

      Maria überhörte das.

      »Ich wollte Sie bitten, mich wieder einzustellen. Ich weiß nicht wohin.«

      »Ich habe Dir schon gesagt, wie ich darüber denke.«

      Maria versuchte alles, doch der Gutsverwalter blieb hart. Sie flehte, bettelte, doch es war vergebens. Der in seiner Ehre gekränkte Gutsverwalter ließ sich nicht erweichen. Zu sehr hatte sie ihn verletzt, als sie ihn zurückstieß. Er hatte auch Sorge, dass sie vielleicht einmal über seinen Annäherungsversuch reden könnte, und das konnte er gar nicht gebrauchen. Ihm waren die Mädchen lieber, die für ein paar Vergünstigungen großzügig seine Wünsche erfüllten. Maria gehörte nicht dazu.

      »Geh. Ich sage es nicht noch einmal.«

      Deprimiert verließ sie mit ihren Kindern den Hof.

      Ihre Cousine war nicht erfreut, als sie wieder vor ihrer Tür standen.

      »Kein Essen, nur etwas Wasser und ein Dach überm Kopf. Für eine Nacht. Ist das zu viel verlangt, liebe Cousine?« Sie ließ sie hinein.

      Am Abend saßen sie beisammen und teilten das wenige Brot, das sie hatten. Es herrschte Stille. Keiner sagte ein Wort, bis Maria, deren Gehirn fieberhaft nach einem Ausweg suchte, einen letzten Versuch unternahm.

      »Kann ich nicht vielleicht doch ein paar Tage bei Euch bleiben?«

      Sie bemerkte, dass Ihre Cousine erschrak und fügte hastig hinzu:

      »Ich habe eine kleine Pension als Witwe. Jeden Monat fünfzehn Taler. Die gebe ich Euch. Ich arbeite auch dafür. Nur so lange, bis ich etwas gefunden habe.«

      »Fünfzehn Taler, das ist mehr als wir verdienen. Ist das wirklich wahr?«

      »Ich sag‘s Euch doch.«

      »Gut, aber nur bis Du etwas gefunden hast.«

      Noch am Abend zog Maria mit den Kindern und den wenigen Habseligkeiten, die sie noch hatte, in das Haus ihrer Cousine ein.

      Prügeln ist keine Sünde

      Unrecht erleben, gar erleiden, ist für einen kleinen Jungen eine bittere Erfahrung.

      Für Gustav begann nun in der Schule in Reichenbach eine Zeit, in der er mit Unrecht ständig konfrontiert wurde. Er war inzwischen neun Jahre alt und ging in die Schule. Jeden Morgen machte er sich zusammen mit seiner Schwester auf den sechs Kilometer langen Weg. Im Sommer war dies nicht weiter schlimm, doch wenn im Winter Regen und Schnee den Feldweg aufgeweicht hatten, war es sehr beschwerlich. Hinzukam, dass ihr Lehrer ihnen eingebläut hatte, nicht durch den Dreck zu laufen, da sie das Schulgebäude und den Klassenraum sonst nur verdrecken würden. Gustav hatte das am eigenen Leibe zu spüren bekommen, als er mit vom Schlamm des Feldweges verschmutzten Schuhen in seiner Schulbank saß. Sein Lehrer hatte die Fußspur, die nicht zu übersehen war, verfolgt und Gustav aufgefordert, aus der Bank zu treten. Dann musste Gustav ihm sein Lineal geben und die rechte Hand mit der Handfläche nach oben ausstrecken. Gustav war zuerst nicht bewusst, was geschehen würde, doch nur nach ein paar Sekunden der Unsicherheit spürte er es. Der Lehrer schlug ihm mit dem Holzlineal auf die Fingerspitzen. Gustav zog die Hand weg. Dies machte seinen Lehrer aber nur noch wütender. Er musste die Hand wieder ausstrecken und erhielt zehn Schläge auf die Finger. Der Schmerz war fast unerträglich für ihn. Er war von seiner Mutter nie verprügelt worden. Insofern war diese Erfahrung neu für ihn. Aus den Erzählungen einiger seiner Schulkameraden wusste er, dass sie von ihren Eltern häufig heftige Prügel bezogen; und dies sogar auch für Kleinigkeiten. Gustav versuchte, trotz des höllischen Schmerzes keine Miene zu verziehen. Am Ende der Schulstunde beschloss er, seiner Mutter nichts von dem Vorfall zu erzählen. Was würde dies schon helfen? Auf dem Heimweg weinte er; aber nicht die schmerzenden Finger waren die Ursache hierfür. Vielmehr weinte er aus Wut. Die Schläge auf seine Finger hatten ihm seine Ohnmacht gezeigt. Er war bestraft worden, obwohl es für die Strafe keinen Grund gegeben hatte. Wie sollte man auf einem vom Regen aufgeweichten und von den Gespannen zerfurchten Feldweg laufen, ohne seine Schuhe zu verdrecken. Ihm war reine Willkür widerfahren.

      Körperliche Züchtigungen gehörten in der Schule zu Gustavs Alltag. Sie waren bei den Lehrern einfach von Zeit zu Zeit angesagt, um den Kindern die eigene Macht zu demonstrieren. Immerhin war die Prügelstrafe erlaubt, und die Lehrer machten nicht nur von ihr Gebrauch. Sie fühlten sich dabei sogar auch noch im Recht. Es kam ihnen nicht einmal in den Sinn, dass zumindest der willkürliche Gebrauch nach den gültigen preußischen Gesetzen grobes Unrecht war und bei den Kindern nachhaltige Schäden verursachen würde. Jeder, der sich zur Erziehung von Kindern berufen fühlte, machte von ihr Gebrauch.

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