Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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schlimmer gewesen. Alle waren von der Not betroffen, zumindest die armen Leute, und das waren fast alle. Nur wenige brauchten sich keine Sorgen zu machen, nicht satt zu werden. Sie lebten weiterhin im Überfluss. Schlimm war nur, dass sie, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Probleme der Masse nicht einmal zur Kenntnis nehmen wollten. Selbst diejenigen, deren Lebensinhalt die Seelsorge der Armen und Leidenden war, ignorierten die bittere Armut, die sie umgab.

      Eines Tages schickte der Lehrer Gustav ins Pfarrhaus, um einen sehr wichtigen und eiligen Brief beim Pfarrer abzugeben. Er wurde von der alten Haushälterin in die Stube gebeten, weil Pfarrer Broszka sich nicht beim Mittagessen stören lassen wollte. Gustav trat in die große Wohnküche. An einem riesigen Tisch saß der Pfarrer und aß. Auf dem Teller vor ihm lag ein riesiges Stück Braten. So etwas hatte Gustav schon lange nicht mehr gesehen.

      »Was ist, Gustav?«

      Der Pfarrer schwenkte seinen Blick eher ein bisschen widerwillig von seinem Essen zu Gustav. Mit einer Serviette wischte er sich das Fett von seinem kauenden Mund. Gustav blickte hoch und streckte die Hand mit dem Brief aus.

      »Hier, vom Herrn Lehrer. Den Brief soll ich Ihnen geben.«

      »Danke, ist gut Gustav«, war die Antwort und schon fasste ihn die Haushälterin an die Schulter und schob ihn zur Tür.

      Am Abend erzählte er seiner Mutter, was er erlebt hatte. Mutter hatte ihn angeschaut, als sie hörte, was Pfarrer Broszka alles zu essen hatte. Dann nahm sie seine Hand und sagte:

      »Sei Gott gefällig, Gustav, dann wird es Dir auch wohl ergehen.«

      Gustav wusste nicht so recht, was er damit anfangen sollte. Er hatte nichts getan, was Gott nicht hätte gefallen können, aber Mama würde es sicher besser wissen. Er wollte an Gott glauben, doch dafür bedurfte es weder übler Drohungen noch ständiger Ermahnungen.

      Kinderarbeit

      Drei Jahre wohnte Maria mit den Kindern inzwischen bei ihrer Cousine. Morgens stand sie schon sehr früh auf und webte eine Stunde, bevor sie die Kinder weckte und ihnen das Frühstück machte. Sie bemühte sich sehr, ihrer Cousine und ihrem Mann ihre Dankbarkeit mit fleißiger Arbeit zu vergelten. Auch gab sie ihnen die Hälfte ihrer Pension. Alles in allem reichte das. Sie verhungerten nicht, und sonntags gab es häufiger auch schon einmal wieder ein Stück Fleisch. Doch eines führte immer wieder zu Kontroversen. Während Gustav in die Schule ging, arbeitete der Junge ihrer Cousine am Webstuhl. Immer wieder hatte sie Maria gefragt, wann Gustav beim Weben mithelfen würde. Dann bräuchte ihr Mann nicht vierzehn Stunden zu arbeiten, denn die Arbeit fiel ihm immer schwerer. Maria hatte sich aber jedes Mal, wenn ihre Cousine das Thema ansprach, geweigert. Ihre Kinder sollten auf die Schule gehen, und davon ließ sie nicht ab. Wahrscheinlich war es Eifersucht oder Neid; in jedem Fall führte diese Frage zu Spannungen, die sich zwangsläufig einmal entladen würden. Und dann war es auch so weit.

      »Ihr könnt hier nicht länger bleiben, Maria. Es ist zu eng für uns alle hier im Haus. Deine Kinder werden größer. Es geht nicht mehr.«

      »Aber wo soll ich denn hin mit den Kindern?«

      »Ich weiß, dass dies nicht leicht ist. Aber in ein paar Monaten, wenn der Frühling kommt, kannst Du vielleicht auf einem Gut anfangen. Dann geht die Arbeit auf den Feldern los.«

      Maria wusste, warum ihre Cousine sie rausschmiss.

      »Stört Dich, dass Gustav und Martha in die Schule gehen und Dein Sohn nicht?«

      »Nein. Das hat damit nichts zu tun. Es ist einfach zu eng. Das Haus ist zu klein für uns alle und ein anderes können wir nicht bauen. Dazu fehlt es an Geld.«

      »Und wenn Gustav arbeiten würde? Ging es dann?« Die Cousine überlegte, was sie darauf sagen sollte.

      »Wenn Gustav arbeiten würde könnte er mit meinem Sohn das Bett teilen. Dann kann einer sich ausruhen, wenn der andere arbeitet. Das könnte gehen und wir würden mehr schaffen.«

      »Also doch. Es ist Dir ein Dorn im Auge, dass Gustav zur Schule geht und Dein Sohn nicht.«

      »Nein. Das ist mir völlig egal.«

      »Das glaube ich Dir nicht. Schick Deinen Sohn doch auch auf die Schule. Es steht ja sogar im Gesetz.«

      »Das können wir uns nicht leisten. Wir brauchen unseren Jungen hier bei der Arbeit.«

      »Aber keiner weiß, wie lange Ihr noch Aufträge für das Weben von Stoffen bekommt.«

      »Das weiß nur der Herrgott, aber das ist jetzt auch nicht wichtig.«

      Marias Cousine kam immer mehr in Rage.

      »Mein Mann ist ehrlich, fleißig und gottesfürchtig und kann auch nicht lesen. Da muss doch sein Sohn auch nicht Schreiben und Lesen lernen, oder?«

      Sie machte eine Pause.

      »Und so ein Dahergelaufener schon gar nicht.«

      Damit war Gustav gemeint. Maria verstand das sofort. Sie ließ ihre Cousine einfach stehen und verließ das Haus. Verzweiflung ergriff sie. Wo sollte sie hin? Ziellos lief sie durch die kleinen Straßen, vorbei an den Weberhäusern mit ihren vielen eigenen Schicksalen. Ohne es zu planen führte ihr Weg sie nach Reichenbach. Als sie wieder klarer denken konnte wurde ihr bewusst, dass sie vor der Schule stand, in der ihre Kinder waren. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Die Schule musste bald zu Ende sein. Sie wollte warten und Gustav und Martha abholen. Jetzt, da ihre Cousine sie vor die Türe gesetzt hatte, würde sie noch härter für ihre Kinder kämpfen müssen.

      Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Türe und die Schulkinder verließen das Gebäude. Gustav und Martha erblickten ihre Mutter und gingen zu ihr.

      »Warum bist Du hier? Ist etwas passiert?« Die Kinder blickten sorgenvoll zu ihrer Mutter, der man ansehen konnte, dass sie geweint hatte.

      »Wir müssen uns eine Bleibe suchen.«

      Mehr sagte sie nicht, doch es reichte. Gustav und Martha war sofort bewusst, was es bedeutete, ohne Dach über dem Kopf zu sein. Vielleicht würden sie wegziehen müssen und dann konnten sie auch nicht mehr in die Schule gehen. Mutter hatte ihnen jeden Tag eingetrichtert, dass sie in die Schule müssten, damit es ihnen später einmal besser gehen würde.

      Ratlos standen die drei auf dem kleinen Schulhof als ein älterer Mann zu ihnen trat. Als Gustav seinen Lehrer bemerkte trat er instinktiv einen Schritt zurück. Selbst im Beisein seiner Mutter flößte ihm der Mann, Angst ein. Er hatte seiner Mutter nie erzählt, dass er im Unterricht geschlagen wurde. Was hätte es auch gebracht? Geändert hätte sich sowieso nichts, und so lebten die Kinder in der Welt, in der körperliche Gewalt zum Alltag gehörte.

      Der Lehrer sah die Frau mit den beiden Kindern.

      »Sind Sie Frau Szlapszi, die Mutter von Martha und Gustav?« Maria bejahte die Frage und verbeugte sich leicht. Obwohl sie schon eine erwachsene Frau mit zwei Kindern war konnte sie ihren Respekt vor dem Lehrer nicht verbergen.

      Sie schloss für einen Moment die Augen. Warum war es ihr nicht möglich, den ihr in ihrer Kindheit eingeprügelten Respekt vor Repräsentanten der gesellschaftlichen Ordnung, zu denen der Lehrer gehörte, ein Leben lang nicht mehr ablegen zu können?

      Zu

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