Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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      »Darf ich mich vorstellen? Ich bin Johann Gawliczek, der Lehrer an dieser Schule.«

      Marias Gesicht hellte sich in Anbetracht der Höflichkeit des Mannes etwas auf.

      Johann Gawliczek war schon fast sechzig Jahre alt und verwitwet. Seit dem Tode seiner Frau lebte er zurückgezogen in dem kleinen Haus neben dem Schulgebäude, dass ihm die Verwaltung zur Verfügung gestellt hatte. Als Lehrer verdiente er nicht viel. Aber er brauchte auch nicht viel. Er war bescheiden. Johann Gawliczek war gerne Lehrer und gab sich Mühe, den Kindern so viel beizubringen wie er nur konnte. Dass er dabei auch den Rohrstock zur Hilfe nahm war für ihn selbstverständlich. Der gehörte zur Erfüllung der pädagogischen Ziele dazu, und dass er Angst und Schrecken bei den Kindern verbreiten könnte, wenn er falsche Antworten mit dem Rohrstock bestrafte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Es hatte ihn auch niemand darauf angesprochen und es ihm gesagt. Warum auch? Auch die Eltern der Kinder hatten es ja nicht anders erfahren, wenn sie überhaupt zur Schule gegangen waren. Also ertrugen die Kinder schweigend dieses Leben der ständigen Maßregelungen durch Gewaltanwendung, und der Lehrer war ja nicht einmal der Einzige. Und er war auch nicht der Schlimmste, im Gegenteil; vielleicht hätte er sogar die Prügel eingeschränkt, wenn man es ihm gesagt hätte.

      »Entschuldigung, ich wusste ja nicht…..«.

      »Kein Grund, sich zu entschuldigen. Sie kannten mich ja nicht, Frau Szlapszi. Auf ihre Kinder können Sie stolz sein. Sie lernen sehr gut und sind auch fleißig.«

      Maria freute sich, doch Gustav schaute ungläubig zu seinem Lehrer auf. Ihm und seinen Mitschülern gegenüber begegnete er immer unerbittlich hart.

      »Martha wird die Schule im nächsten Jahr mit einem guten Zeugnis verlassen.«

      Er blickte Martha freundlich an.

      »Und Gustavs Zeugnis ist auch sehr gut.«

      »Das freut mich sehr.« Maria machte instinktiv einen leichten Knicks.

      Der Lehrer schaute in Marias traurige Augen. Ein wenig erinnerte sie ihn an seine Frau, als sie noch jung war. Die dunkelbraunen langen Haare, die sich im Nacken in natürlichen Locken verloren und die dunklen, fast schwarzen Augen.

      »Sie sehen besorgt aus, Frau Szlapszi?« Maria wandte sich ab. Zuerst wollte sie nicht über ihre Probleme sprechen, doch dann entschied sie sich, wie von einer inneren Kraft gesteuert, ihre Sorgen vor dem Lehrer auszubreiten. Als sie alles erzählt hatte, legte Johann Gawliczek eine Hand auf ihre Schulter.

      »Kopf hoch, Frau Szalapszi, ich schaue mal, ob ich Ihnen helfen kann. Ein guter Freund von mir ist Gutverwalter auf Gut Schwissnitz. Mit dem werde ich sprechen.« Maria wusste nicht, wie sie ihm danken sollte. Hoffnungsvoll gingen die Drei zurück nach Langenbielau. Als Marias Cousine hörte, dass sie mit den Kindern in ein paar Tagen ausziehen würde, ließ sie sie noch so lange in ihrem Haus wohnen. Diese Zeit der Ungewissheit wurde Maria zur Qual. Nach zwei Tagen endlich brachte ihr Gustav einen Brief von Johann Gawliczek mit. Hastig riss sie ihn auf und überflog die Zeilen. Sie würde mit den Kindern auf Gut Schwissnitz leben und arbeiten. Es war der schönste Tag für sie seit langer Zeit. Tags drauf verließen Maria, Martha und Gustav das Haus, in dem sie drei Jahre gewohnt hatten. Auf einem Handkarren, den sie sich vom Gut geliehen hatten, waren ein paar Koffer und weitere Kleinigkeiten, die ihnen noch von Krakau geblieben waren.

      Johann Gawliczek hatte Wort gehalten. Auf Gut Schwissnitz ging es allgemein erträglich zu, so hieß es, und Maria hoffte, dass die Geschichten, die über Schwissnitz im Umlauf waren, zutrafen. Der Freiherr galt als unnahbar, aber gerecht. Gesehen wurde er in der Umgebung selten. Selbst in den sonntäglichen Gottesdienst kam er nicht, und es ging das Gerücht um, er sei ein Atheist oder, schlimmer noch, vielleicht sogar einer von diesen geheimnisumwitterten Leuten, von denen man jetzt immer häufiger schon mal hörte, den Freimaurern. Den Freiherrn störte das Gerede, das ihm auch von Zeit zu Zeit zugetragen wurde, nicht. In seinem Selbstverständnis verkörperte er das, was er für preußische Tugenden hielt; gradlinig loyal im Denken, liberal gegenüber Andersdenkenden und pflichtbewusst bis auf die Knochen. In seiner Bibliothek hing ein Gemälde von Friedrich dem Großen. Das Gemälde war eingerahmt von einer Kalligrafie.

      ‚Nulla poena sine lege‘

      Sein Verwalter war angehalten, nach diesem Grundsatz, ‚Keine Strafe ohne Gesetz‘, zu handeln, doch im Grunde war dies eine Farce. Gesetzlich legitimiert war alles, was die Gutsherren zur Durchsetzung ihrer Interessen und Vorstellungen für sinnvoll hielten. Dafür hatten sie mit ihrem Einfluss beim Gesetzgeber gesorgt. Die Landarbeiter und das Gesinde wurden in allen Lebensbereichen bevormundet. Dass die Leibeigenschaft in Preußen durch Erlass des preußischen Königs bereits seit 1810 abgeschafft war, kümmerte keinen. Der Gutsherr entschied darüber, wer wen heiraten durfte, wer welche Arbeit zu erledigen hatte, und es kam immer noch vor, dass Gutsherrn Bedienstete ohne deren Zustimmung gegen Bedienstete anderer Gutsherren tauschten. Dies war eine sehr bequeme Lösung, um den Bedarf an Personal zu decken. Ohne Trauschein des Gutsherrn durften Pfarrer keine kirchlichen Trauungen vornehmen, und damit diese Vorschrift nicht unterlaufen wurde, hatte man Ledigen den Geschlechtsverkehr einfach verboten. Wer dies nicht beachtete wurde ebenso mit körperlicher Züchtigung bestraft wie derjenige, der die Erledigung der Arbeiten nicht nach den Vorstellungen des Gutsherrn ausführte. Dazu musste nicht einmal ein Gericht einbezogen werden. Es lag in der Vollmacht des Gutsherrn, als Dienstherr zu züchtigen. Freiherr von Schwissnitz und sein Verwalter übten ihre Macht mit Augenmaß aus. Jeder, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, wurde angehört, bevor die Strafe ausgesprochen wurde. Das war sehr viel in einer Zeit, in der Herrschende das Recht des Stärkeren immer für sich in Anspruch nahmen und Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen skrupellos und willkürlich anwandten.

      Der Verwalter hatte Maria eine Stelle in der Küche des Gutes gegeben und Martha wurde als Dienstmagd in seinem eigenen Haushalt beschäftigt. Gustav musste nach der Schule in der Ziegelei arbeiten. Viele Güter in Schlesien betrieben eine eigene Ziegelei. Die Arbeit in der Ziegelei war unglaublich hart und die Schichten dauerten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Da nur im Sommer, wenn es trocken und nicht zu kalt war, in der Ziegelei gearbeitet werden konnte, bedeutete dies einen Arbeitstag von fünfzehn Stunden und mehr. Pausen gab es keine. Der Ziegelstreicher bestimmte, wenn eine kurze Pause gemacht wurde, um ein Brot zu essen.

      Mit Hacken und Schaufeln gruben ausgemergelte Arbeiter den Lehm aus der nahe der Ziegelei angelegten Grube und transportierten ihn auf Loren zur Ziegelei, wo er für die Formung durch die Ziegelstreicher vorbereitet wurde. Die mit Lehm gefüllten Formen wurden zum Trockenschuppen getragen und dort über Wochen an der Luft getrocknet. Diese Arbeiten erledigten Frauen und Kinder. Gustav war einer von ihnen. Er musste die auf Brettern gestapelten Ziegelsteinformen zum Trockenschuppen tragen. Wenn er nach zwei Stunden nicht mehr konnte, wurde er abgelöst und wendete die schon ein paar Tage im Trockenschuppen liegenden Formen, damit der Lehm von allen Seiten gleichmäßig trocknen konnte. Die Arbeit war nicht ganz so schwer und erlaubte den Kindern, die alle nicht älter als elf, zwölf Jahre alt waren, sich etwas zu erholen. Alle zwei Stunden wurde gewechselt. Für Frauen galt dieses Privileg nicht. Sie mussten während der gesamten Schicht die schweren Tragebretter mit den Ziegeln schleppen. Den Arbeitsrhythmus bestimmten die Ziegelstreicher und an guten Tagen, wenn der Ton gut aufbereitet war, schafften die Ziegelstreicher auf Schwissnitz fünftausend Formen, die von Gustav und den anderen in den Trockenschuppen geschleppt werden mussten. Überall hingen die Tonspritzer herum und auch Gustav sah in seiner verdreckten Kleidung aus wie eine Steinsäule auf einem Marktplatz. Besonders schlimm war es bei Regen. Der Boden war dann aufgeweicht und Gustav versank bis über die Knöchel im Matsch. Das Gewicht der Formen mit den Lehmziegeln tat ein Übriges, und wenn einer der Träger ausrutschte und die frisch geformten Ziegel in den Matsch fielen und dabei vielleicht auch noch kaputt gingen, war der Teufel los. Die Ziegelstreicher wurden im Akkord bezahlt und jede Ziegel, die im Matsch versank

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