Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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man mir nichts gegeben.«

      »Bist Du in die Bäckerei eingebrochen?«

      Gustav zögerte mit seiner Antwort. Mutter hatte ihn erzogen, nie zu lügen. Aber was wäre, wenn er jetzt die Wahrheit sagen würde.

      »Nein. Ich war es nicht.«

      Der Bäcker konnte nicht mit absoluter Bestimmtheit sagen, dass es Gustav war, den er in der Nacht in seiner Backstube überrascht hatte. Also ließ man ihn laufen. Eilig machte sich Gustav auf den Heimweg. Brot hatte er seiner Mutter mitbringen wollen und jetzt hatte er gar nichts. Als er heimkam war seine Mutter in Aufregung.

      »Wo warst Du?«

      »Ich war in der Stadt«, antwortete Gustav.

      »Wir haben um Brot gebettelt. Aber die Soldaten kamen und jetzt habe ich nichts mehr.«

      Tränen liefen ihm über die Wangen. Er drehte sich um, um sie zu verbergen. Seine Mutter nahm ihn in den Arm.

      »Lass nur, Gustav. Es wird schon.« Doch auch sie wusste, dass sie nicht mehr gesund werden würde. Ihr Körper war schon zu geschwächt. Er hielt die Strapazen des Hungerns nicht mehr aus.

      »Ja, Mutter.«

      Einige Wochen später starb Maria, gerade einmal vierzig Jahre alt. Gustav hatte ihr nicht helfen können.

      Gustav und Henriette

      1866 bis 1894

      Krieg

      Königgrätz, Sommer 1866. Es herrschte Krieg. Die preußische Armee war in das habsburgische Böhmen eingefallen. Krieg sollte die Entscheidung über die Führungsrolle in Deutschland herbeiführen. Preußen oder Österreich. Beide Mächte standen sich unversöhnlich gegenüber.

      Gustav war dabei. In Eilmärschen waren sie über das Riesengebirge marschiert. Jetzt wühlten sie sich in den Dreck wie Maulwürfe. Jeder Zentimeter, den sie sich mit ihren groben, dreckverkrusteten Fingern in die Erde Böhmens kratzten, bedeutete für sie ein bisschen mehr Leben, oder besser Überleben. Sie wussten nicht genau, wo sie waren, und es war ihnen auch egal. Ihnen war nur eines klar. Wenn sie aus diesem Inferno heil rauskommen wollten mussten sie sich ganz klein machen, so klein, wie sie nur konnten.

      Es waren die ersten Kämpfe, die Gustav mitmachte, obwohl er schon zwei Jahre bei der preußischen Armee war. Er hatte oft bereut, damals zu den Soldaten gegangen zu sein, denn die Zeit in der Armee war geprägt von Drill und Demütigungen. Absoluter Gehorsam wurde von ihm und seinen Kameraden gefordert. Schon die geringste Übertretung einer Anordnung oder ein nicht sofort ausgeführter Befehl hatte schlimmste Bestrafung zur Folge. Eiserne Disziplin stand über allem. Sie wurde jedem Einzelnen von ihnen abverlangt. Die Prügelstrafe war offiziell zwar schon seit Jahren abgeschafft; wurde jedoch immer wieder angewandt, wenn Fehler beim Exerzieren gemacht wurden, oder die Soldaten nicht auf Anhieb begriffen oder taten, was die Vorgesetzten von ihnen verlangten. Nach den vernichtenden Niederlagen in den napoleonischen Kriegen etwa fünfzig Jahre zuvor hatten Scharnhorst und Gneisenau ganze Arbeit geleistet und eine schlagkräftige und bestens ausgerüstete Armee mit eiserner Disziplin geschaffen.

      Die meiste Zeit hatte Gustav auf der Festung Glatz verbracht. Der Trott des täglichen Dienstplans bestimmte das Leben. Wecken um fünf. Appell, Exerzieren, Drill, Schießübungen. Erst am Abend kamen sie etwas zur Ruhe. Nach den kargen Rationen, die Abendessen genannt wurden, musste jeder seine Kleidung und Ausrüstung reinigen und flicken. Um zehn war Zapfenstreich. Die Petroleumlampen wurden gelöscht. Die Soldaten schliefen auf Strohsäcken, die auf groben Eisengestellen lagen. In den Schlafsälen für die einfachen Soldaten standen zwanzig davon, dicht an dicht nebeneinander. Jeden Monat tauschten sie das Stroh aus; doch die Wanzen waren trotzdem ihre ständigen Begleiter. Das störte aber keinen von ihnen sonderlich, denn diese kleinen Störenfriede kannten sie schon seit sie denken konnten, und so war es für sie nichts Ungewöhnliches, wenn sie nachts von den Blutsaugern immer und immer wieder aus ihrem Schlaf gerissen wurden. Die Festung Glatz war schon von weitem für jeden, der sich der Kleinstadt in Niederschlesien näherte, zu erkennen. Sie lag auf einem felsigen Hügel am linken Neißeufer. Schon seit Jahrhunderten war sie immer wieder Mittelpunkt kriegerischer Auseinander-setzungen gewesen. Der Grund hierfür war ihre strategische Lage an der Straße nach Breslau. Unterhalb der Festung lag die kleine Altstadt. Umgeben von Mittelgebirgen lag die Stadt in einem Kessel. Diese natürlichen Grenzen gaben ihr eine geostrategische Lage und machten sie damit zu einem bevorzugten Ziel militärischer Operationen. Nach Abzug der französischen Besatzungstruppen fiel Glatz im Rahmen der Neuordnung auf dem Wiener Kongress wieder an Preußen. Die Menschen in Glatz hatten sich an das Bild der Soldaten gewöhnt. Über 5000 von ihnen taten in der Festung und den zwei in den vergangenen Jahren dazu gebauten Kasernen ihren Dienst. Glatz war zu einem riesigen Heerlager geworden. Das brachte immer wieder einmal Probleme, denn wenn so viele Männer auf so engem Raum fern von daheim zusammenleben, geht dies nicht immer ohne Gewalt ab. Auf der anderen Seite war die preußische Militärverwaltung der größte Auftraggeber in der Region, und die kleinen Betriebe und Handwerker der Umgebung lebten sehr gut davon. So hatte man sich arrangiert. Die militärische Führung tat alles, um Störungen in der Stadt zu vermeiden, und die Stadtverwaltung bemühte sich, die zum Alltagsbild gehörenden Soldaten zu übersehen. Durch strenge Bestrafung wurde die Disziplin unter den Männern sichergestellt. Dennoch kam es immer wieder vor, dass Soldaten, die dem eintönigen Trott des Dienstes entfliehen wollten, sturzbetrunken durch die Straßen torkelten. Prügeleien waren dann an der Tagesordnung, doch wenn sich wieder einmal einige in den Gasthäusern schlugen, rückte sofort eine Einheit Bewaffneter herbei und las die Armseligen auf. Die wurden noch an Ort und Stelle in Ketten gelegt und zur Festung gebracht. Dort erwartete sie Kerkerhaft. Doch selbst die vier Wochen in dem dunklen und feuchten Gemäuer hielt die Männer nicht davon ab, sich von Zeit zu Zeit voll laufen zu lassen und dann im Suff ihre Streitigkeiten auszutragen. In dieser Welt lebte Gustav Szlapszi, der damals nicht einmal zwanzig Jahre alt war. Sein Leben wurde vom Gleichklang des Dienstplanes bestimmt, doch das sollte sich bald ändern. Unmittelbar im Anschluss an den Abendappell, als alle schon darauf warteten, in ihre Stuben entlassen zu werden, ertönte ein unerwarteter Befehl. »Kompanie stillgestanden! Rechts um! Im Gleichschritt Marsch!« Gustavs Kompanie marschierte auf der breiten, gepflasterten Straße, die zwischen den Unterkünften und dem Exerzierplatz verlief, in Richtung Regimentsgebäude. Dort trafen sie auf die anderen Kompanien. Nachdem sie alle angetreten waren erschien der Regimentskommandeur, Oberst Carl August von Kalckreuth. Er trat vor das angetretene Regiment und erhob sein Wort. »Soldaten des Infanterieregiments vier! Auf Befehl unseres Kommandeurs, Seine Königliche Hoheit, Kronprinz Friedrich, werden wir aus der Festung Glatz ausrücken. Wir werden morgen bei Tagesanbruch abmarschieren. Auf unser Regiment warten große Aufgaben. Ich erwarte von jedem von Euch, dass er bedingungslos seine Pflicht erfüllt!« Er machte eine kleine Pause und schaute die Reihen der angetreten Soldaten an. Dann straffte er sich und rief. »Unsere Königliche Majestät, König Wilhelm I. Er lebe hoch!« Aus den mehr als 2000 Kehlen dröhnte ein »Hoch!« Sie konnten weg treten. Gustav machte sich mit den anderen auf den Weg zu seiner Unterkunft. Dort wurden sie angewiesen, ihren Tornister für den Marsch in eine ungewisse Zukunft zu packen. In dieser Nacht schlief Gustav schlecht. Sorge erfüllte ihn, und wenn er an die bevorstehenden Kämpfe dachte überkam in Angst. Der nächste Tag begann schon sehr früh. Schon um halb vier wurden sie geweckt. Im Dämmerlicht der aufgehenden Sonne rückten sie aus. Ihr Weg führte sie nach Böhmen. Hier würde entschieden werden, ob die Politik Otto von Bismarcks, einen deutschen Nationalstaat preußischer Prägung oder gar von Preußen dominiert, erfolgreich sein würde. Dazu musste jedoch der größte Widersacher dieser preußisch-deutschen Lösung, Österreich, besiegt werden. Die schier unendlich scheinende Heerschlange bahnte sich ihren Weg über das Riesengebirge. Unter größten Entbehrungen und nach mühevollen Märschen erreichten sie nach ein paar Tagen ihr Ziel Horice in Böhmen. Bei ihrem Marsch über das Riesengebirge

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