Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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ein riesiges Feldlager. Von hier würde der Aufmarsch gegen die österreichischen Truppen stattfinden. Es herrschte emsiges Treiben. Pferdegespanne wurden entladen und die Großzelte, die im Rahmen der Militärreform in der Armee eingeführt worden waren, wurden aufgebaut. Obwohl völlig erschöpft, arbeiteten die Soldaten bis in die Dunkelheit. Dann hatten sie die Zelte aufgestellt. Gustav suchte sich einen Schlafplatz in einem Zelt und fiel todmüde um. Ohne etwas zu essen oder zu trinken legte er sich, sein Kopf auf dem Tornister, der ihm als Kopfkissen diente, auf den Boden und schlief sofort ein.

      Nach zwei Tagen in dem Feldlager begann es zu regnen. Über Nacht verwandelten sich die Wege in tiefe Schlammfurchen, die sie fast unpassierbar machten. Doch der Strom der herbei marschierenden Soldaten riss nicht ab. Fast endlos schien der Zug von Pferdegespannen, die sich ihren Weg durch den Morast bahnten. Bis zu den Knien versanken die Artilleriesoldaten in der aufgewühlten Erde. Mit ihren bloßen Händen griffen sie in die Speichen der Wagen und halfen den mit heftigen Peitschenschlägen angetriebenen Pferden, die Geschützlafetten mit den schweren Artilleriegeschützen vorwärts zu bewegen. Jeder Meter wurde zur Qual, und je mehr Gespanne sich ihren Weg zu bahnen versuchten, desto beschwerlicher wurde es für Mensch und Tier. Der Dauerregen tat sein Übriges. Die Uniformen sogen sich voll Wasser und wurden für die sie tragenden Soldaten zu schweren Gewichten, die noch zusätzlich an ihren Kräften zerrten.

      Viele Pferdegespanne blieben stecken, und so waren nicht genügend Zelte vorhanden, doch die hereinströmenden Soldaten suchten Schutz vor dem Regen und drängten in die Zelte. Bald waren die Zelte so überfüllt, dass sie sich nicht einmal mehr legen konnte. Doch das war immer noch besser als draußen im Regen zu campieren. Inzwischen lagerten bei Horice sechzigtausend Soldaten. Die völlig erschöpften und durchnässten Soldaten versuchten zuerst einmal, sich und ihre Kleidung zu trocknen. Überall wurden dafür Feuer entzündet. Vor allem die Stiefel, die sich durch die Nässe vollgesogen hatte, mussten kräftig geknetet und gewalkt werden, denn mit der Trocknung verzog sich das schlechte Leder zu einer knochenharten Schwarte. Jeder, der hierbei nachlässig war, würde dafür schon nach ein paar Kilometern Marsch bitter bezahlen. Zuerst würde das harte Leder scheuern. Dann riss die Haut auf, und kurz darauf würde sich das rohe Fleisch an dem rauen Leder reiben bis das Blut in den Stiefel floss und die Socken zu einer harten klebrigen Masse verklumpten. Jeder Schritt würde so zur Qual. Aber die Vorgesetzten kannten keine Gnade. Sie würden trotzdem weitermarschieren müssen. Auf Rücksicht konnte keiner hoffen. Nachts spendeten die Feuer Wärme, und der Schein des flackernden Lichtes vermittelte jedem etwas Vertrautes. Gustav blickte gedankenverloren in eines der Feuer. Fast wie zuhause, wenn Mutter das Feuer im Ofen entzündet hatte, kam es ihm unwillkürlich in den Sinn. Nach einer Woche des Wartens in der klammen Kälte der Nässe kam der Befehl zum Aufbruch. Gustavs Regiment wurde in die vorderste Linie verlegt. In Eilmärschen,

       täglich acht Stunden über ausgetretene Wege, marschierten sie ihrem ungewissen Ziel entgegen. Wer umfiel und aus den Marschkolonnen heraus brach, wurde hochgetrieben. Mit Stöcken hieben die Korporale auf die Soldaten ein.

      Nach zwei Stunden Marsch gab es jeweils eine kurze Pause.

       Etwas trinken, die wunden Füße versorgen und ein wenig liegen und durchatmen. Mehr Zeit blieb nicht. Zu essen gab es erst am Abend. Der Tornister mit ein paar Sachen, dem Stückchen Brot, das sich Gustav vom Abend zuvor aufbewahrt hatte, und hundert Patronen, die jeder als Teil seiner Bewaffnung mitschleppen musste, wurden von Kilometer zu Kilometer schwerer. Jetzt diente er den meisten dazu, ihren Kopf darauf zu legen. Bei einigen waren die Füße mit Blasen übersät. Die Haut war aufgerissen und das pure Fleisch scheuerte bei jedem Schritt gegen das grobe Leder der Stiefel. Die Socken waren verdreckt und blutig, denn sie hatten schon seit ihrem Abmarsch in Horice keine Zeit mehr gehabt, sie ordentlich zu waschen. Der Dreck gelangte in die Wunden, die sich entzündeten und eiterten. Notdürftig banden sie Lappen um die Füße, damit das rohe Fleisch der Füße nicht zu sehr an den Stiefeln rieb. Alle versuchten, die kurze Rast so gut es ging zu nutzen, doch der Befehl zum Weitermarschieren war unerbittlich. So hetzten und keuchten sie los, angetrieben von den Korporalen und Offizieren.

      Bei Sonnenuntergang gelangten sie in ihr Nachtlager. Vor-ausmarschierende Soldaten hatten den Lagerplatz vorbereitet, doch die Nacht mussten sie im Freien verbringen, denn Zeit, Zelte aufzuschlagen, wurde ihnen nicht gewährt. So saßen sie vor den Feuern, die überall im Lager angezündet waren, und aßen den Kanten trockenes Brot und den Hartkäse, ihre Tagesration. Dazu bekamen sie Grießbrei und einen Hering. Vier Tage vergingen so. Wer absolut nicht mehr konnte wurde zurück gelassen. Rechts und links vom Weg lagen sie und hofften darauf, dass eines der nachfolgenden Fuhrwerke sie mitnahm. Die Marschkolonnen zogen stumm an ihnen vorüber. Am Abend des vierten Tages erreichten sie ihr Ziel. Erleichtert fiel Gustav auf die Knie, als der Befehl kam, die Zelte wieder aufzubauen. Endlich. Das Leiden hatte ein Ende. Ein paar Tage Ruhe. Sie konnten ausruhen und wurden medizinisch versorgt. Die Feldscher kümmerten sich um die zerschundenen Füße und verbanden Wunden. Das wichtigste war aber, dass sie warmes Essen bekamen. Suppe, Kartoffeln, zwei Heringe und etwas Fleisch. Dazu gab es gesüßten Rum. Gustav trank, und die Qualen der vergangenen Tage verschwanden im Dunst des Alkohols.

      Erinnerungen überkamen ihn. Zwei Jahre war es her, seit er Soldat geworden war. Er hatte sich sogar freiwillig gemeldet. Wie konnte er nur? In Gustavs Kopf zogen die letzten Jahre wie in einem Film vorüber. So hatte er sich das Soldatenleben nicht vorgestellt, als er sich damals von dem preußischen Korporal mit seinen beiden Soldaten in ihrer prächtigen Uniform zur königlich preußischen Armee hatte anwerben lassen.

      Rrrrratttatamm, rrrrratttatamm, rrrrratttatamm. Die Trommeln erstarben genauso schnell, wie sie stakkato artig begonnen hatten.

      »Kommt nur näher! Kommt her und hört zu, was Euch Euer König, Seine Majestät, König Wilhelm, zu sagen hat. Die Armee braucht Euch. Sie ist eine starke Armee, und sie ist dazu da, unser Land, unsere Frauen und unsere Kinder zu verteidigen, sie zu beschützen gegen die Feinde, die nur darauf warten, Euch Euer Hab und Gut zu nehmen, Eure Frauen zu schänden und Eure Kinder zu töten.«

      Rrrrratttatamm, rrrrratttatamm, rrrrratttatamm. Ein Trommelwirbel unterbrach die zündende Rede des Korporals. Er trug den blaugrauen Waffenrock der Infanterie. Die Farbe der Schulterklappe zeigten, dass er zum zweiten Armeekorps gehörte. Darunter hatte er eine grauschwarze Hose an, die in die Stiefel hineingesteckt war. Auf seinem Kopf trug er einen Tschako. Der Kinnriemen war hochgeklappt und lag auf der Oberseite des Tschakoschirms. Das Koppelschloss trug die Aufschrift Pro Gloria et Patria über einem Adler, der von der Seite zu sehen war und ein Schwert in seinen Klauen hielt. Seine beiden Begleiter waren ebenso gekleidet, doch hatten sie statt des Tschakos eine Pickelhaube, deren Vorderseite der preußischen Adler zierte, auf dem Kopf. Vor dem Bauch trugen sie eine Trommel. Sie hing an weißen Gurten, die am Koppel befestigt waren und über die beiden Schultern führten.

      »Gut genährt sehen sie aus«, rief Franz den anderen jungen Männern zu, die sich unterhalb des Pferdewagens, auf dem die Werber standen, eingefunden hatten und lachte. Die Jungen verfolgten das Treiben neugierig.

      »Recht so Burschen! Bei der Armee bekommt Ihr täglich warmes Essen und auch im schlimmsten Winter und bei bitterster Kälte ist bei uns noch keiner erfroren.«

      »Da ist was dran«, meinte Gustav.

      »Ich glaub, ich lass mich werben.«

      »Für jeden, der sich heute einschreibt, gibt es fünf Taler extra. Hört genau hin. Fünf Taler für jeden, der jetzt und hier bei mir seinen Eintritt in die stolze preußische Armee erklärt und mit uns geht.«

      »Fünf Taler. Das ist mehr als ich für einen ganzen Monat harte Arbeit bekomme«, sagte Gustav.

      »Ich geh.«

      »Was wird der Herr sagen?« Franz schaute ängstlich drein.

      »Erfreut wird er nicht sein, wenn er hört, dass Du

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