Und Gott schaut zu. Erich Szelersky

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Und Gott schaut zu - Erich Szelersky

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guck uns doch an! Wann hast Du zuletzt was Richtiges gegessen? Immer nur Kartoffelschalen und Salzheringe und manchmal trockenes Brot. Mutter ist vor vier Jahren an Hungertyphus gestorben. Sterben kann ich überall, und wenn‘s bei den Soldaten ist.« Gustav hob, noch etwas zaghaft, die Hand. »Da, Leute, seht her«, hörte er den Korporal schreien. Seine Stimme überschlug sich.

      »Da ist ein kluger Kopf. Komm her zu mir, komm hier herauf.«

      Er streckte Gustav seine Hand entgegen. Der ergriff sie und stand kurz darauf auf dem Wagen, wo er dem Vierten im Bunde seinen Namen sagen musste.

      »Kannst Du schreiben?« herrschte ihn der schreibende Uniformierte, nicht mehr ganz so freundlich wie der Korporal, an. Gustav nickte.

      »Gut, dann schreib hier Deinen Namen hin. Aber schmier nicht.«

      Gustav schrieb seinen Namen, wie er es in der Volksschule von Reichenbach gelernt hatte, an die Stelle, die ihm die dicken Finger des Schreibsoldaten zeigten. Er drehte sich um und blickte zu Franz. Für einen Moment durchzuckte ihn der Gedanke, er könne vielleicht doch einen Fehler begangen haben; doch dann dachte er an die fünf Taler in seiner Tasche. Gustav war Soldat in Preußens Armee.

      »Kompanie antreten!« Gustav schreckte aus seinem Halbschlaf und seinen Gedanken hoch.

      »Raus! Aber ein bisschen plötzlich!«

      Der Korporal riss das Zelt auf. Draußen war es noch dunkel. Gustav suchte seine Sachen zusammen und zog sich an. Sein Schädel brummte vom gesüßten Rum, den sie am Abend zuvor bekommen hatten. Die erfahrenen Soldaten wussten, was das bedeutete. Am nächsten Tag würden sie in die Schlacht ziehen.

      Als Gustav fragte, worum es denn in der Schlacht ging, wurde er aufgeklärt.

      »Leg Dich hin und schlaf, Kleiner. Morgen wirst Du schon sehen, worum es geht.«

      Es war kalt für einen Sommertag. Mit ihm schlurften die anderen seiner Kompanie durch den Buchenwald der Lichtung zu. Es war der Morgen des 3. Juli 1866. Alles war feucht vom nicht enden wollenden Regen. Aus den feuchten Niederungen der Bistritza stieg Nebel empor. Nach einem kurzen Appell marschierten sie los. Der Morgen graute allmählich. Trotzdem hatte es den Anschein, als wollte die Sonne diesen Tag nicht zum Leben erwecken. Heftige Windböen peitschen über die Auen und bliesen den Soldaten den Regen ins Gesicht. Unerbittlich wurden sie von den Unteroffizieren und Feldwebeln angetrieben. Die Feuchtigkeit des Regens machte ihre Klamotten klamm. Der Uniformrock klebte auf dem Hemd und war inzwischen schwer wie Blei. Bei jedem Schritt versanken die Soldaten bis zu den Knöcheln im Dreck. So marschierten sie am Südufer der Bistrica entlang in Richtung Sadowa; ihrem Feind entgegen. Der Nebel versperrte ihnen den Blick auf das gegenüberliegende Ufer der Bistritza, wo die Österreicher auf sie warteten. Noch waren sie durch den Fluss getrennt, aber die Brücke von Sadowa war schon in Sicht, und über diese Brücke führte die Straße in Richtung Chlum und dann weiter nach Königgrätz. Dort würden sie auf die Österreicher treffen.

      Plötzlicher Kanonendonner riss Gustav aus seiner Lethargie. Darauf Schüsse aus Gewehren. Unter wildem Geschrei fielen die ersten, getroffen von Kugeln aus österreichischen Gewehren oder von Splittern der Granaten der österreichischen Artillerie. Die Getroffenen krümmten sich auf dem Boden. Die Schreie der Sterbenden oder Zerfetzten drang in Gustavs Ohren wie das Inferno der Hölle.

      »Vorwärts, vorwärts, los, wollt ihr wohl los. Zur Brücke, zur Brücke!«, riefen die Offiziere. Sie rannten und rannten, ohne auf die Schüsse zu achten, die um sie herum einschlugen, auf die Brücke zu. Auf der gegenüberliegenden Seite sahen sie schemenhaft im Nebel die österreichische Infanterie, die mit ihnen gleichauf lief, nur durch die Bistritza getrennt, und sie über das Flüsschen hinweg beschoss. Als sie auf Höhe der Brücke waren, steigerte sich das Gewehrfeuer von der österreichischen Infanterie, die sich nun auf der Nordseite der Brücke verschanzt hatte, zu einem todbringenden Inferno. Die österreichischen Stellungen bestanden aus einer Reihe von Höhen, welche den Raum zwischen Bistritza, Elbe und Trotina ausfüllten. Der nach Westen gerichtete Teil der Front verlief hinter der Bistritza. Das Überschreiten der Bistritza und der Trotina war wegen des morastigen Talgrunds nur der Infanterie möglich. Deshalb hatte die zweite Armee den Auftrag, Sadowa und die Brücke über die Bistritza zu nehmen und für die Kavallerie und Artillerie zu sichern. Vorher konnte die preußische Artillerie nicht nachhaltig eingesetzt werden. Die auf den beherrschenden Höhen nördlich der Bistritza in Stellung gegangene österreichische Artillerie hatte dagegen eine hervorragende Stellung. Pausenlos feuerte sie auf die sich südlich der Bistritza vor der Brücke konzentrierende preußische Infanterie. Gustav gehörte mit seiner Kompanie zu der preußischen Spitze, die sich Sadowa näherte und als erste unter das Feuer der österreichischen Batterien geriet. Er stürmte, angetrieben von den Offizieren und Unteroffizieren, mit seinen Kameraden trotz der um sie einschlagenden Artilleriegranaten auf die Brücke zu. Schwer getroffen fielen die ersten zu Boden. Die Brücke war aus Holz und etwa fünf Meter breit. Ein gefährliches Nadelöhr für jeden, der bei dem feindlichen Feuer darüber musste. Schießen, laden, schießen, laden, und vor, vor. Gustav rannte auf die Brücke, als er das sirrende Pfeifen und den dumpfen Knall einer neben ihm einschlagenden Granate spürte. Er warf sich hin und suchte Schutz und Deckung hinter einem gefallenen Soldaten. So ist mancher auf der Brücke mehrmals gestorben. Zuerst, als er über die Brücke stürmend vom Abwehrfeuer der Österreicher niedergestreckt wurde, und dann, als sein toter Körper als Deckung für einen Nachfolgenden herhalten musste. Die Österreicher kämpften verbissen, konnten aber die Brücke nicht halten. Der erste Strom preußischer Soldaten ergoss sich auf das nördliche Bistritzaufer. Die Österreicher mussten ihre Stellungen aufgeben und strebten ungeordnet die Hügel hinauf nach Norden, um hinter den Artilleriestellungen Schutz zu suchen. Das Schlachtfeld war übersät mit Toten und Verwundeten. Sie lagen dort mit aufgerissenen Bäuchen oder verstümmelten Gliedmaßen. Sie flehten um Hilfe; doch keiner kümmerte sich um sie. Wer fragt die Opfer. Im infanteristischen Kampf hatten sich die Preußen einen Vorteil erkämpft. Das lag auch an ihrer technischen Überlegenheit. Vor ein paar Jahren war die Infanterie mit dem modernen Zündnadelgewehr ausgerüstet worden, das von hinten mit einer Patrone geladen wurde und eine deutlich höhere Feuergeschwindigkeit gegenüber dem veralteten Vorderladergewehr der österreichischen Füsiliere brachte. Auf einen Schuss eines Österreichers kamen mindestens drei Schüsse eines Preußen, und, was bei dem Sauwetter an diesem Morgen noch wichtiger war, das Zündnadelgewehr konnte in jeder Lage geladen werden, wohingegen beim Laden des Vorderladergewehrs der österreichische Infanterist stehen musste. Trotzdem hatte der erbitterte Kampf auch bei den Preußen seinen Blutzoll gefordert. Die Brücke war übersät von Leichen, und das Sterben nahm kein Ende, denn die österreichische Artillerie verstärkte ihre Kanonade noch. Mit ihren 160 Geschützen auf der Höhe zwischen Lipa und Langenhof hatten sie eine mächtige Artillerielinie in Stellung gebracht, die den preußischen Angriff der Infanterie zum Erliegen bringen konnte. Ohne Unterstützung der preußischen Artillerie über das Bistritzatal hinweg war an ein Nachsetzen der Preußen nicht zu denken. Gustav schaute zurück. Wann würden die Geschütze kommen und helfen, dem Inferno ein Ende zu bereiten? Sie hatten zwar das nördliche Ufer der Bistritza erreicht; aber es gab kein Weiterkommen, und sie waren einem Gegenangriff der Österreicher hilflos ausgesetzt. Gustav lag am Ufer des kleinen Flusses und wartete darauf, dass die preußische Artillerie in Stellung gebracht werden würde. Die Infanterie der Österreicher hatten sie zwar erst einmal zurückgedrängt, doch das Schlachtfeld lag offen für die Kanoniere der Artillerie, und die nutzten ihren strategischen Vorteil. Sie überzogen die Stellungen der Preußen mit einer unmenschlichen Kanonade. Die Granaten schlugen unaufhörlich ein. Von Splittern zerfetzte Soldaten dezimierten Gustavs Kompanie immer mehr. Schon versuchten die ersten preußischen Soldaten, über die Brücke wieder zurück auf das sicherere Ufer zu laufen, um dem Artilleriebeschuss zu entkommen, doch dort trafen sie auf den Strom derer, die, von ihren Offizieren angetrieben, Gustav über den kleinen Fluss nachfolgen sollten. So entstand auf der Brücke ein Stau. Einige stürzten über das Geländer in die Bistritza und ertranken jämmerlich. Andere wurden erdrückt. Wer auf der Brücke stürzte wurde tot

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