Etwas ist immer. Ben Worthmann
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Ich sagte zu Anna: „Die Beerdigung ist am Mittwoch. Ich werde mir freinehmen müssen. Die Kinder können wir sicher mal einen Tag aus der Schule lassen.“
„Dieter hat übrigens angerufen“, sagte sie. „Du sollst morgen zum Sonntagsdienst in die Redaktion kommen.“
„Was ist denn das nur für ein Unfug“, sagte ich. „Ich hatte doch gerade erst letztes Wochenende Dienst. Oh Gott, was habe ich nur verbrochen, dass ich in diesem Scheißladen arbeiten muss. Die kriegen auch gar nichts geregelt. Na, dem werde ich was erzählen.“
Ich griff zum Telefon.
„Hör mal“, sagte ich, „was soll denn das nun wieder? Muss denn das sein? Wir haben gerade einen Todesfall in der Familie. Mein Großvater ist gestorben, und wo wir gerade dabei sind, am Mittwoch brauche ich einen freien Tag, weil ich zur Beerdigung muss.“
„Dann wirst du doch morgen ein paar Stunden arbeiten können“, entgegnete Dieter ungerührt. „Rolf ist nämlich ausgefallen, er liegt im Krankenhaus, und du weißt doch, dass wir eine gewisse Mindestbesetzung brauchen, um mit Anstand das Blatt machen zu können.“
Ich sah keine Veranlassung, mich zu rechtfertigen. Trotzdem tat ich es.
„Mein Großvater war nicht einfach nur mein Großvater“, sagte ich und schämte mich dabei für meine Heuchelei, jedenfalls ein bisschen. „Er war eine Art zweiter Vater für mich...Wieso liegt Rolf denn eigentlich im Krankenhaus?“
„Er bekam plötzlich keine Luft mehr und hatte hohes Fieber. Es ist eine Art Lungenzusammenbruch, der eine Flügel hat schlappgemacht. So hat es mir jedenfalls seine Frau erklärt. Sag mal, du hattest doch gerade gestern erst einen freien Tag.“
„Ich hatte dir doch gesagt, dass wir zum Architekten mussten.“
„Wisst ihr auch wirklich, auf was ihr euch da einlasst?“, fragte Dieter, in seiner Stimme lag jetzt echte Anteilnahme. „Sag mir später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
„Was ist denn jetzt mit morgen?“, fragte ich.
„Wenn es gar nicht anders geht, müssen wir halt ohne dich auskommen“, sagte er. „Hast du schon was unterschrieben?“
„Ganz so weit sind wir noch nicht“, erwiderte ich, und nachdem ich aufgelegt hatte, sagte ich zu Anna: „So, das hätten wir abgewendet. Ich weiß gar nicht, was in den Dieter gefahren ist, wenn er sich manchmal derartig als Ressortleiter aufspielt.“
„Er ist es ja schließlich“, meinte sie, und wenn sie noch hinzugefügt hätte „im Gegensatz zu dir“, wäre das mit einiger Sicherheit der Auftakt zu einem kleinen Scharmützel gewesen. Sie konnte es einfach nicht lassen, mir von Zeit zu Zeit vorzuhalten, ich kümmere mich nicht genug um meine Karriere. Diese Auseinandersetzungen gingen nie besonders weit. Für schwere Gefechte hatten wir andere Themen. Doch diesmal lag in Annas Bemerkung keinerlei Häme. Sie war offenbar genau so wenig auf Streit aus wie ich. Nach Jahren des Zusammenlebens weiß man, dass man solche Momente hoch zu schätzen hat. Viel mehr als demonstrative Streitunlust sollte man normalerweise kaum erwarten. Alles andere ist unverdientes Glück.
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