Die Sagen und Volksmärchen der Deutschen. Friedrich Gottschalck
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der künftige Freund unserer vaterländischen Volksdichtungen
sie in chronologischer oder geographischer
Form aufzustellen vermag.
Ueberhaupt scheint es mir, als ob man den Volksmährchen
einen größern historischen Werth beilege,
als sie wirklich besitzen. Wer mit mir dieselbe Ansicht
hat, und sie mehr von Seiten der Unterhaltung
nimmt, der wird es daher weniger mißbilligen, wenn
ich hier Mährchen, Sagen und Legenden gebe, ohne
eine besondere Ordnung zu beobachten, und so wie
ich sie auffinde und erhalte. Am Schlusse der Sammlung
kann immer noch durch verschiedene Classificationen
dem Wunsche derer entsprochen werden, welche
mit dieser regellosen Aufstellung nicht zufrieden
seyn möchten.
Woher ich jedes Mährchen nahm, woher ich es erhielt,
das werde ich immer eben so genau angeben, als
wo es sonst schon erzählt, wo es vielleicht schon poetisch
oder romantisch bearbeitet wurde.
Wer über die Bedeutung, über den Werth, über die
Quellen und über die Veranlassung zur Entstehung
der Volkssagen Aufschlüsse verlangt, den kann man
mit Recht auf die gehaltvollen und durchdachten Abhandlungen
verweisen, welche N a c h t i g a l in Halberstadt
seinen »V o l k s s a g e n , n a c h e r z ä h l t
v o n O t m a r « (Bremen 1800. 8.) vorangeschickt
hat, und welche diese Gegenstände in ihrer Art ausführlich
und ernsthaft behandeln. Zugleich aber kann
ich mir nicht versagen, hier auch den folgenden Bemerkungen
noch einen Platz anzuweisen, welche mein
geschätzter Freund, der Hofrath B e c k e d o r f f , als
eine, hoffentlich nicht unwillkommene, Zugabe zu
diesem ersten Bändchen, mir mitzutheilen die Güte
gehabt hat.
Ballenstedt, den 18ten Oct. 1814.
F . G o t t s c h a l c k .
Gesetzt, es gäbe Jemanden, welcher Volksmährchen
zu hören oder zu lesen ein besonderes Vergnügen
fände, – worin er denn allerdings sehr Recht haben
würde – welcher aber sich nicht begnügen wollte,
dem bald heitern, bald ernsten, bald muthwilligen,
bald schauderhaften, immer aber anziehenden Eindrucke
dieser wunderbaren Erzählungen sich ohne
weiteres zu überlassen, sondern verlangte, auch noch
darüber hinaus Etwas zu wissen und von den Sagen
selbst allerhand zu erfahren, so etwa, wie man von
einem Menschen, der uns gefällt, gern noch mancherlei
persönliche Dinge zu wissen begehrt, als da sind:
wie er heiße, woher er komme, was er wolle, wohin er
gehe, und dergleichen mehr; ein solcher würde wahrscheinlich
eine Menge Fragen thun, die ihm denn
doch beantwortet werden müßten.
Ich will eine solche Antwort auf die natürlichsten
von diesen Fragen hier, so gut es gehn will, versuchen.
Vielleicht, daß einige Leser dadurch befriedigt
werden. Andersdenkende aber mögen ihre abweichenden
Ansichten daran prüfen, befestigen, oder auch berichtigen.
Erste Frage:
Was sind Volkssagen?
Im Grunde könnte man darunter alle jene Erzählungen
von verschiedenartigstem Inhalte verstehen, die im
Munde des Volks leben, und sich dort von der Großmutter
zum Enkel getreu fortpflanzen. Indessen möchte
alsdann manches dazu gerechnet werden, was diesen
Namen eigentlich nicht verdient, als z.B. wirkliche
historische Anekdoten, eigentliche Mährchen, die
das Gepräge absichtlicher Erfindung an sich tragen,
und und endlich, falls sie sich unter dem Volke erhalten
sollten, jene erdichteten Erzählungen mit moralischer
Richtung, die man in der neuern Zeit ihm geflissentlich
in Kalendern, Aufklärungsschriften, Volksbüchern
und dergleichen, hat in die Hände spielen
wollen. Echte Volkssagen aber, lassen sich vielleicht
an folgenden Unterscheidungszeichen erkennen:
1) sie ruhen auf einem geschichtlichen oder örtlichen
Grunde; sie beziehen sich entweder auf wirkliche
historische Personen, Familien und Begebenheiten,
oder auf bekannte Gegenden und Orte, und bekommen
eben dadurch einen Schein und Anstrich von
Wahrheit;
2) sie enthalten aber auch einen wunderbaren oder
wenigstens abenteuerlichen Bestandtheil, durch welchen
jener Anschein von Wahrheit immer wieder zunichte
gemacht, und ein zweifelhaftes und eben dadurch
anziehendes Halbdunkel über das Ganze verbreitet
wird; und endlich