Die Sagen und Volksmärchen der Deutschen. Friedrich Gottschalck

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Die Sagen und Volksmärchen der Deutschen - Friedrich Gottschalck

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3) sie haben keine anderen Quellen, als sich selbst;

       sie sind da, sie werden erzählt, sie gefallen, sie reizen,

       aber wer sie erdacht, wer sie zuerst erzählt habe, ist

       unbekannt.

       Und durch dieses alles werden sie nun dasjenige,

       wofür sie eigentlich gehalten werden müssen, nämlich

       der Kreis und Inbegriff der gesammten Volks-Dichtung:

       sie enthalten den Stoff der ganzen National-Poesie,

       und was von dieser überhaupt gilt, das findet auf

       sie ebenfalls Anwendung.

       Wenn wir annehmen, daß wohl jeder Mensch von

       Zeit zu Zeit das Stückwerk seines Daseyns lebhaft

       empfindet, daß er sich bald durch die Noth des Augenblicks,

       bald durch das Dunkel der Zukunft, hier

       durch die eigene Kurzsichtigkeit, dort durch fremde

       Verkehrtheit, immer aber durch ein räthselhaftes Geschick,

       und durch eine unübersehbare und unerforschliche

       Weltordnung gedrückt, gehemmt und beschränkt

       fühlt; so werden wir es sehr begreiflich finden, daß er

       sich auch dann und wann hinaus sehnt aus der Enge

       und Verwirrung dieses Lebens in eine Welt voll erkannten

       Zusammenhanges, wo alle billigen Wünsche

       erfüllt, jede Sehnsucht befriedigt, der Schmerz versöhnt,

       und die Thränen getrocknet werden. Da aber in

       der weiten Wirklichkeit eine solche Welt nicht vorgefunden

       wird, so ist es ebenfalls natürlich, daß der

       Mensch sie sich selbst auferbaut in Träumen, Wünschen,

       Hoffnungen und Ahndungen. Und so entsteht

       ihm dann jene wunderbare Welt der Dichtungen,

       wohin der Geist so gern sich flüchtet aus den kleinlichen

       und drückenden Verwicklungen des alltäglichen

       Lebens, und worin er nicht sowohl wirklichen Ersatz

       für den Druck des Lebens, als vielmehr nur ein tröstliches

       Bild und eine Bürgschaft finden will von einer

       zusammenhängenden, weisen und gerechten Ordnung

       der Dinge. Damit aber die solchergestalt erschaffene

       Welt nicht bloß als ein Reich phantastischer Gebilde

       erscheine, so knüpft er sie gern mit festen Banden an

       die Wirklichkeit fest. Bekannte Gegenden und Orte

       müssen den Hintergrund bilden, geschichtliche Personen

       geben ihre Namen her, oder wahre Begebenheiten

       werden auf irgend eine Weise hinein verflochten; und

       wie die meisten Menschen gerne ihrer Jugend gedenken,

       sie als eine Zeit des Glückes und der Zufriedenheit

       sich vorzustellen pflegen, und so aus der Erinnerung

       einer besseren Vergangenheit Erheiterung und

       Trost in der Gegenwart hernehmen mögen, so werden

       auch jene Dichtungen am liebsten in eine frühere, oft

       dunkle, aber immer als glücklicher gepriesene Vorzeit

       verlegt. Endlich aber werden ungewöhnliche und

       abenteuerliche Verhältnisse und wunderbare Wesen

       und Gestalten hineingewebt, theils als Reiz und Spiel

       der Einbildungskraft, theils als Zeugniß von dem in

       der menschlichen Seele tief gegründeten Glauben an

       einen unergründlichen Weltzusammenhang, theils

       endlich als immerwährende Erinnerung, daß das

       Ganze doch nur menschliche Erfindung und Spiel sey.

       Und auf diese Weise bildet sich die Poesie überall

       und zu allen Zeiten. Ihre Quelle ist die im menschlichen

       Gemüthe gegründete unverwüstliche Sehnsucht

       nach einem glücklichen, vollkommenen und befriedigenden

       Zustande, und sie selbst erscheint zugleich als

       Spiegel und als Gegensatz der Wirklichkeit, als bedeutsames

       Bild einer wünschenswerthen Weltordnung

       und als Inbegriff der unerfüllten Ansprüche an das

       Leben. –

       Da indessen nach der Verschiedenheit der Zeiten

       sowohl als der einzelnen Charactere und selbst der

       augenblicklichen Stimmungen auch die Ansichten

       vom Leben und die Ansprüche an dasselbe höchst

       verschieden sind, so müssen auch die einzelnen Dichtungen

       darnach eine sehr ungleiche Gestalt zeigen.

       Bald nämlich sind sie heiter scherzend, bald bitter

       spottend und strafend, dann schmerzlich klagend, und

       dann wieder tröstlich beruhigend, bald vollständig beglückend,

       bald tragisch versöhnend, immer aber doch

       auf die eine oder die andere Weise besänftigend und

       befriedigend.

       Und auf gleiche Weise verhalten sich nun auch die

       Volkssagen. Alles, was von der Poesie hier im Allgemeinen

       gesagt worden ist, gilt von ihnen; ja, es bewährt

       sich an ihnen gerade recht auffallend, und ihr

       Inhalt, so verschiedenartig er auch seyn mag, beweiset

       dieses. Wenn ein verzauberter Kaiser auf seiner verfallnen

       Burg sich bald einem alten Bergmann, bald

      

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