Die Sagen und Volksmärchen der Deutschen. Friedrich Gottschalck
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es allgemein verbreitete Sagen, Sagen einzelner Länder,
Sagen einzelner Provinzen, und endlich ganz bestimmte
Local-Sagen; sie lassen sich d r i t t e n s ordnen
nach den Gestalten, Personen oder Begebenheiten,
die in ihnen wiederkehrend vorkommen, und auf
diese Weise haben wir Hühnen-Sagen, Zwerg-Sagen,
Geister-Sagen, oder auch die Sagen von Karl dem
Großen, vom Kaiser Friedrich, die Mährchen vom
Rübezahl u.s.w.; und endlich v i e r t e n s lassen sie
sich ordnen, – und dieß möchte vielleicht die bequemste
und beste Art ihrer Eintheilung seyn, – nach der
ihnen selbst inwohnenden Zeit; und in dieser Rücksicht
kann man sie füglich in vier Hauptordnungen
bringen: Es giebt Sagen 1) aus fabelhafter Urwelt, 2)
aus dunkler Vorwelt, 3) aus späterer historisch erhellter
Zeit, und 4) die außer aller Beziehung auf irgend
eine Zeit stehen, und welchen man deshalb zur Unterscheidung
die Benennung: V o l k s m ä h r c h e n ,
beilegen könnte, da jene ersteren drei Arten hingegen
vorzugsweise den Namen der V o l k s s a g e n verdienen
möchten. Welche von diesen oder anderen ge-
denkbaren Eintheilungsarten man jedoch annehmen
wolle, scheint höchst gleichgültig zu seyn, oder wird
vielmehr von den besondern Zwecken abhangen, um
welcher willen ihre Sammlungen veranstaltet werden.
Am besten ist es wohl, sie gar nicht zu ordnen, ihr
freies, buntes, durch einander geschlungenes Leben,
durch keine steife Rangordnung zu stören, und dergestalt
den neu entdeckten oder neu erfundenen immer
einen ungehinderten Eintritt in die wunderbare alte
Gesellschaft offen zu erhalten.
Vierte Frage:
Welchen Nutzen haben die Volkssagen?
Wenn man zu Beantwortung dieser Frage zuvörderst
den Begriff von Nutzen überhaupt erörtert und die
mancherlei Zwecke berücksichtigt hätte, zu welchen
die Volkssagen etwa gebraucht werden können; so
würde man wahrscheinlich finden, daß nach Verschiedenheit
der Forderungen, welche an sie gemacht werden,
auch ihr Nutzen höchst verschieden ausfällt.
Wer sich ihrer gelehrten Absichten, für Historie,
alte Erdbeschreibung, Kultur- oder Sitten-Geschichte
und dergl. bedienen wollte, würde schwerlich eine reiche
Ausbeute aus ihnen zu erwarten haben. In allen
diesen Rücksichten liefern sie wenig oder gar nichts;
als Quellen sind sie durchaus nicht zu gebrauchen,
nicht einmal als Hülfsmittel; höchstens zu Belegen
möchten sie dienen können. Und diejenigen, welche
sie zu solchen Zwecken haben anpreisen wollen,
scheinen nicht sowohl ihnen einen übertriebenen
Werth beigelegt, als vielmehr ihren wirklichen Werth
gänzlich verkannt zu haben.
Ihr eigentlicher Nutzen nämlich, und welcher auch
schon oben bei ihrer Beschreibung vorläufig angegeben
und entwickelt worden, ist kein anderer, als den
alle Poesie überhaupt hat und haben kann, welche
nicht bloß unterhält, ergötzt, erfreuet, erheitert, sondern
auch erhebt und stärkt, ja den Blick von den irdischen
Dingen hinweg auf eine höhere Ordnung und
zuletzt auf Gott selbst hin richtet.
Eben so wohlthätig wirken nun auch die Volkssagen,
oder vielmehr sie könnten es, wenn sie in angemessener,
würdiger Gestalt dem Volke, oder besser,
der Nation, in die Hände gegeben würden. Denn freilich
ist es mit ihrem bloßen Inhalte, mit dem rohen
Stoffe allein, nicht gethan; es soll nicht bloß eine müßige
Neugier befriedigt oder eine augenblickliche
Theilnahme erregt werden, sondern auch die Empfindung
will geweckt und genährt und das Nachdenken
selbst beschäftigt seyn. Erst wenn allen diesen Forderungen
ein Genüge geschehen ist, wenn ein an und für
sich Antheil erregender Gegenstand auch auf zweckmäßige
Art dargestellt worden, wenn ihm ein unabhängiger
Anfang und ein befriedigendes Ende, innere
Vollständigkeit, Haltung, nothwendige Verknüpfung,
Wahrheit, Reichthum, äußere Anmuth und Gefälligkeit,
vor allen Dingen aber hinlängliche Klarheit ertheilt
und der Reiz und Zauber der Sprache selbst darüber
verbreitet worden ist, erst dann verdient ein poetisches
Werk seinen Namen und tritt in seine schöne
Wirksamkeit vollständig ein.
Daß nun auch den Volkssagen zu diesem Einflusse
verholfen werde, ist das Geschäft der Dichter, denen
daher diese