Die Sagen und Volksmärchen der Deutschen. Friedrich Gottschalck
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der Poesie, als einer angenehmen Zugabe, eines
herkömmlichen Luxus des Lebens, etwa zur Uebung
des Urtheils und Witzes, oder zu gelegentlicher Er-
wärmung der Empfindung nicht ganz hätte entbehren
wollen; so würde sie doch gewiß nicht unterlassen
haben, derselben eine neue angemessene Richtung zu
ertheilen. Sie würde also zuvörderst das Alterthümliche
und hauptsächlich alles Wunderbare daraus verbannt,
und sie sodann angewiesen haben, sich in allen
Stücken, so viel wie möglich, an die wirklichen Zustände
des Lebens, an die sogenannte Natur und
Wahrheit zu halten, und sich in Form und Inhalt einer
getreuen Nachahmung derselben zu befleißigen,
indem es ja nur darauf abgesehen sey, durch die erdichteten
Darstellungen zu einer recht täuschenden,
schnellen und vielseitigen Berührung mit der geliebten
Wirklichkeit zu gelangen.
Wir kennen sie; und haben sie zum Theil erlebt,
eine solche eigenliebige, an sich selbst verschwendete
und zersplitterte Zeit, und ein großer Meister hat es
übernommen, uns das Bild derselben und ihrer buntscheckigen,
nach den verschiedenen Aeußerlichkeiten
des Lebens aus einander gerichteten, selbst gefälligen
Thätigkeit in Darstellungen »aus seinem Leben« lehrreich
und warnend vor die Augen zu führen, und an
seinem eigenen Beispiele zu zeigen, wie selbst ein
großes Talent und ein gesundes Naturell in solcher
Zeit verleitet werden können, die Dichtung ganz in
das wirkliche Leben herab zu ziehen, und sie zu augenblicklichen
und bloß persönlichen Zwecken zu
verbrauchen, so daß sie am Ende, obgleich immer
ihrer eigenthümlichen hülfreichen Natur gemäß, nur
als ein »Hausmittel« dienen muß, um über innere
peinliche Verwickelungen oder kleine moralische
Verlegenheiten glücklich hinweg zu helfen.
Daß nun ein solches Zeitalter der Wunderwelt der
Volkssagen eben nicht günstig gewesen seyn könne,
läßt sich leicht erachten. Auch hat man darin nicht unterlassen,
sie bald als kindisch zu verspotten, bald als
abergläubisch und gefährlich zu verwerfen; und da
ein, eben dieser Zeit angehöriges, sonst achtbares Bestreben,
die Zustände des Volks zu verbessern und
dasselbe an sich heran zu bilden, hinzugekommen ist;
so hat man vielfältig sogar gesucht, die alten wunderbaren
Sagen und Mährchen ganz zu verdrängen, und
an ihre Stelle eine Reihe sogenannter natürlicher und
vernünftiger, kurz zeitgemäßer Erzählungen unterzuschieben,
so, daß, wenn es gelungen wäre, in kurzer
Zeit Nachbar Velten und Vetter Michel die Stellen
eingenommen haben würden, welche Kaiser Friedrich
und der Ritter Siegfried so lange glänzend behauptet
hatten.
Und in dieser Beschaffenheit der vorletzten Zeit
liegt nun auch der Hauptgrund, warum die Sagen und
Mährchen, wie ihre Sammler jetzt häufig klagen,
unter dem Volke selbst so selten geworden sind. Hernach
ist die Noth und der Druck der jüngsten Zeit hin-
zugekommen, und so haben nach und nach die seltsamen
Wesen und Gestalten der alten Sagenwelt sich
von der unfreundlichen Wirklichkeit in ihre Wälder,
Burgen, Klüfte und Höhlen, oder in ihre luftige Heimath
auf eine Zeitlang zurückziehen müssen.
Aber sie werden wiederkehren, und die glorreiche
Zeit, welche uns angebrochen ist, und worin Alles
ehrwürdig- Alte in erneuerter Form wieder auferstehen
muß, wird auch sie wieder, und hoffentlich in
noch besserer und verjüngter Gestalt, zurückführen
und in ihr altes schönes Recht einsetzen; ja, es ist zu
erwarten, daß diese Zeit selbst dereinst als der Beginn
eines neuen würdigen Sagenkreises und einer großen
nationalen Poesie, von den kommenden Geschlechtern
werde betrachtet werden.
Dritte Frage:
Wie lassen sich die Volkssagen ordnen und
eintheilen?
Diese Frage, welche wohl nur von ordnungsliebenden
Sammlern aufgeworfen werden möchte, läßt sich auf
mannigfaltige Weise beantworten.
Volkssagen lassen sich ordnen e i n m a l auf gleiche
Weise, wie die einzelnen Dichtungsarten selbst
klassifiziert worden sind, insofern dieß nämlich nicht
nach der Form der Darstellung, sondern nach der Art
des Inhalts geschehen ist, und so bekommen wir komische
und tragische, elegische und satyrische, idyllische