Der Auftrag. Ralf Wider
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Der Auftrag - Ralf Wider страница 7
Anschliessend schlüpfte er in seine schwarze Uniform mit den vier goldenen Streifen auf den schwarzen Epauletten. Sie sass nach wie vor, als ob er nie etwas anderes getragen hatte. Dann schlüpfte er in seine Pilotenschuhe. Er zögerte kurz, doch dann griff er nochmals in den oberen Bereich des Spinds und holte ein kleines Baumwoll-Halstuch heraus, ein Glarner Tüchlein, sein Markenzeichen. Niemand ausser ihm hatte sich je getraut, ein nicht-konformes Kleidungsstück zur Uniform zu tragen. Ferry hatte Tüchlein in den Farben aller Staffeln in seinem Schrank und hatte sie je nachdem getragen, mit wem er geflogen war. Heute wählte er Schwarz: seine eigene Staffel.
Er klappte den Deckel nach unten und setzte sich auf die Toilette. Aus dem Spülkasten heraus faltete sich die Rückenlehne aus. Die zwei Schultergurte ragten über das obere Ende der Rückenlehne, doch er beschloss, sie nicht herauszuziehen. In der Sicherheits- und Transferkapsel brauchte man fast nie Gurten. Im Normalfall spürte man nicht einmal, dass sie sich bewegte. Auch bei einem Angriff von aussen konnte man höchstens in ein sanftes Trudeln oder Rollen geraten.
Die Toilette war weiss gekachelt mit Wandkacheln von 20 x 20 cm, was einen guten Standard darstellte. Die Bedienungsfelder hatten damit eine angenehme Grösse. Ferry tippte die Metallabdeckung der Toilettenpapierrolle an, seinen Hilfsbildschirm, da er nicht gut auf den Spiegel sehen konnte, der Winkel war einfach zu schlecht in dem engen Raum. Im Bruchteil einer Sekunde wurde sein Fingerabdruck eingelesen.
"Willkommen, Commander Black", hiess ihn der Bildschirm willkommen. Die Maschine hatte ihn also noch nicht vergessen.
In kurzer Folge tippte Ferry die drei darüber liegenden Kacheln an. Der Joystick, die Navigationskonsole und die Energiesteuerung erschienen. Dann liess er auf den beiden Kacheln, die rechts der Navigation und des Joysticks lagen, die Bewaffnungs- und die Sicherheitskonsole erscheinen. Es war alles da. Nicht, dass eine solche Kapsel viel zu bieten gehabt hätte in Sachen Bewaffnung, sie war schliesslich nur zum Transfer in die Parallelwelt konzipiert, sie war kein Schlachtschiff.
Routiniert aktivierte Ferry auf der Kachel der Energiesteuerung die Hauptversorgung der Triebwerke, der Sicherheitsanlage und der lebenserhaltenden Massnahmen wie Sauerstoff, Wasser und medizinische Überwachung. Dann glitt seine Hand automatisch zur Bewaffnungskonsole, die nur spärlich bestückt war: es gab lediglich zwei Kippschalter und darunter zwei Knöpfe. Er legte die beiden Kippschalter IMPULS und TORPEDO um, worauf die Knöpfe rot zu leuchten begannen.
Seine Hand glitt weiter zur Sicherheitskonsole, auf der er sämtliche Kippschalter für die Innen- und Aussensicherung umlegte und die Drehregler für die Reichweite der Sensoren auf eine mittlere Distanz drehte. Alle Handgriffe sassen noch, stellte er zufrieden fest.
Geflissentlich griff Ferry an sein linkes Ohrläppchen und drückte den Diamanten, womit die direkte Kommunikation freigeschaltet war. Anschliessend tippte er wieder den Hilfsbildschirm an, wischte das Logo weg, welches erschien und wählte den Ordner DATEN an. Es erschien ein Untermenu mit verschiedenen Optionen, von denen er EINSATZBEFEHLE wählte. Darin fand sich nur ein einziges Dokument: Es trug den Namen ATLANTIS.
Ferry runzelte die Stirn. Es war nicht Paris' Art, Einsätzen kryptische, mystische oder historische Titel zu geben. Ferry hätte etwas in der Art erwartet "Black Squadron, 08-04-2015, Search & Rescue". Von ihm aus hätte es auch etwas geographischer sein können, z.B. Himalaya, Atlas oder Dolomiten… Aber ATLANTIS?
Er öffnete die Datei und scrollte auf dem winzigen Hilfsmonitor nach unten. Üblicherweise kam erst eine allgemeine Einleitung mit Hintergrund, Motivation und bürokratisches Allerlei, wer was entschieden hatte und wer wofür zuständig war. Danach meist eine detaillierte Karte des Einsatzgebiets und Aufklärungsmaterial, sowie Angaben zu Treffpunkten, Zeitraster, Fluchtwege, die Teamliste, Frequenztabellen und so weiter. Doch Paris hatte ihm gerade mal einen Sechszeiler gegönnt:
Mission Atlantis, SL-1
To: Commander Black
From: Master Paris
Mission: Search & Rescue
Object: Squad Leader Orange, MIA
Coordinates: 31° 54' 00'' N; 28° 06' 00'' W
Enemy Status: Enemy occupied territory (presumably)
"Fuck!"
Ferry las die Angaben noch einmal.
"Fuck, fuck… fuck!", schrie er aus Leibeskräften. Das durfte nicht sein! Nicht Squad Leader Orange... Nicht Laura!
Er spürte einen Kloss im Hals und dass er rote Ohren bekam. Ihm war plötzlich heiss und kalt zugleich. Er spürte, wie ihm kalter Schweiss auf die Stirn trat. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und versuchte, ruhig zu atmen. Sein Puls war sicher auf hundertachtzig, dachte er. Er hob den Kopf und nochmals las er die Instruktionen durch, Zeile für Zeile. Langsam schüttelte er den Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Nicht Laura! Das konnte nicht sein! Sie war die beste Pilotin, die er kannte. Sie war noch nie abgeschossen worden, hatte noch nie eine Havarie gehabt.
Das mulmige Gefühl, welches sich in der vergangenen halben Stunde in seiner Magengegend eingenistet hatte, erklärte sich nun: sein Unterbewusstsein hatte ihm gemeldet, dass so etwas auf ihn zukommen würde… Jetzt war ihm auch klar, warum Paris gerade ihn für diese Mission ausgewählt hatte…
Die Orange Squad war Teil des Black Commands, also seines Kommandos. Vermutlich hatte man sie an ein anderes Kommando ausgeliehen, als er ausgetreten war, doch offiziell gehörte sie zu seiner Truppe. Er wusste, dass sein Posten nicht neu besetzt worden war. Es war nach wie vor - oder jetzt wieder - sein Kommando, seine Truppe. Laura war seine Pilotin, seine Squad Leaderin... Und seine Freundin. Geliebte. Ex-Geliebte… Laura war die Frau seines Lebens... Vermisst in feindlichem Territorium!
Commander Black starrte auf den kleinen Bildschirm, ohne etwas zu erkennen. Sein Kopf wiegte immer noch hin und her, doch seine Atmung hatte sich beruhigt. Er musste sich zwingen, zu fokussieren. Er starrte weiter auf den Bildschirm, unfähig, an etwas anderes als an Laura zu denken. Er sah sie vor sich, in ihrem silbrig schimmernden Pilotenanzug, der ihre weiblichen Kurven so unglaublich sexy betonte. Ihre langen, glatten, dunkelbraunen Haare, die sie immer schüttelte, wenn sie den Helm abnahm, als ob sie Werbung für Shampoo machte. Ihre glänzenden, mandelförmigen Augen, die fast schwarz waren und die zu glühen schienen, die einen wie Dolche durchbohren konnten, wenn sie es wollte. Ihr feingeschnittenes, ovales Gesicht mit der glatten Haut, den kleinen Leberflecken und dem sonnenverwöhnten, milchkaffeefarbenen Teint einer Latina. Ihren Kussmund mit den weichen und doch festen Lippen…
Ferry merkte, dass er immer noch auf den Bildschirm starrte. Irgend etwas störte ihn, doch er wusste nicht, was. Er verbannte die Bilder von Laura aus seinem Gehirn und versuchte, sich zu konzentrieren... Es waren die Zahlen! Er starrte die Koordinaten an. Er schloss die Augen und rechnete. Schüttelte den Kopf und rechnete noch einmal.
"Das muss ein Fehler sein…", murmelte er ohne echte Überzeugung. Was sollte der Scheiss? Die Koordinaten lagen mitten im Meer!
Schnell tippte er die Koordinaten ins Navigationsgerät ein. Gleich zwei rote Lampen leuchteten auf und informierten ihn, dass es sich sowohl um vermutlich feindlich besetztes Gebiet handelte, als auch, dass es kein Kartenmaterial gab für die eingegebenen Zielkoordinaten. Er drückte auf den Knopf mit dem Welt-Symbol und stand auf, um sich die geographische Lage auf dem Spiegel anzuschauen. Er hatte recht gehabt: die Zielkoordinaten lagen mitten