Wo ist deine Heimat?. Andy Hermann

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Wo ist deine Heimat? - Andy Hermann Das Seelenkarussell

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schaltete den Fernsehapparat wieder aus. Jetzt wusste Vera, was los war, aber das machte Anke auch nicht mehr lebendig. Was Georg ihr nicht sagte, was ihm aber die Polizei gesagt hatte, wie sie Anke gefunden hatten.

      Es waren zwei Sprengsätze gezündet worden, einer in der Galerie im zweiten Stock. Dort hatte man den Selbstmordattentäter gefunden. Der zweite Sprengsatz war im Erdgeschoss zeitgleich in mitten der dichten Menschenmenge detoniert, wobei dieser die meisten Toten gefordert hatte.

      Unklar war für die Polizei, ob es einen zweiten Täter gab, oder ob der Täter den Sprengsatz einfach über das Geländer von der Galerie aus in die Menge geworfen hatte.

      Das hatte Georg aus den Nachrichten von Samstagabend erfahren. Er war bis Freitagabend in München gewesen und hatte erst nach der Landung in Hamburg die schrecklichen Bilder über die Monitore am Flughafen flimmern gesehen. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung, dass seine eigene Familie unmittelbares Opfer geworden war. Da hatte er sich noch auf ein einigermaßen ruhiges Wochenende zu Hause gefreut.

      Er hatte auch zu Hause noch keine Idee von dem was vorgefallen war. Es kam öfters vor, dass weder Anke noch Vera zu Hause waren, wenn er spätabends von einer Geschäftsreise zurückkam. Erst gegen Mitternacht begann er sich Gedanken zu machen, doch da stand bereits ein Streifenwagen der Polizei vor der Villa und eine verständnisvolle Beamtin, geschult für solche Einsätze versuchte, ihm schonend beizubringen, was geschehen war, denn Anke war bereits identifiziert worden.

      Es waren viele Teams der Polizei in jener Nacht unterwegs, denn es gab Familien, die waren fast komplett ausgelöscht worden, da lebte nur mehr ein Vater, der seine Frau und seine Kinder bei den Weihnachtseinkäufen verloren hatte, oder Kinder, die an diesem Nachmittag beide Eltern verloren hatten.

      Doch das alles half Georg und Vera in ihrer Trauer nicht weiter, denn schließlich war es ihre Familie, die ein grausamer Mörder zerstört hatte.

      Kapitel 7

      Das Lernen machte ihr keinen Spaß, früher war das alles ganz anders gewesen, aber nun saß sie vor ihren Skripten und nichts wollte in ihren Kopf. Sie war müde und unkonzentriert.

      Die letzten vier Monate waren ein einziger Horrortrip gewesen. Zuerst das Begräbnis von Anke im Kreis der Familie. Vera musste die Kondolenz aller Angehörigen an der Seite ihres Vaters über sich ergehen lassen und fühlte sich noch viel mehr niedergeschlagen, da ihr alle erklärten, wie arm sie nun sei.

      Dann der große Trauergottesdienst für alle Opfer in der größten Kirche Hamburgs. Da waren Fernsehen und Presse dabei. Sogar die Bundeskanzlerin war da und hielt eine kurze und ergreifende Ansprache.

      In der Schule hatten alle Professoren vollstes Verständnis für Veras Situation als Opfer eines Terroristen, der ihre Mutter auf dem Gewissen hatte. In der Klasse war sie so eine Art stille Heldin. Alle betrachteten sie ehrfurchtsvoll ob ihrer dramatischen Erlebnisse, und sie selbst sagte am liebsten gar nichts dazu. Sie wollte nicht darüber reden.

      Sie war auch etliche Male bei einem Psychologen gewesen, der versucht hatte, sie wiederaufzurichten. Es hatte nichts gebracht. Der Verlust von Anke saß tiefer. Hier war eine Verbindung gekappt worden, die noch sehr ausbaufähig hätte sein können, und die nun nie mehr genutzt werden konnte. Vera konnte nicht begreifen, wie ein Mensch zu so einer Tat fähig sein konnte.

      Durch glückliche Umstände erfuhr Vera nicht, dass sie den Attentäter persönlich gekannt hatte und einmal in ihn verliebt gewesen war. Die Polizei hielt die Daten über die Familie des Attentäters geheim, da sich bei dieser keinerlei Anhaltspunkte über eine Mitwisser- oder Mittäterschaft ergeben hatten. Es drang nichts an die Presse durch. Das Bild von Ali, das durch alle Medien ging, war so schlecht, er war darauf einfach nicht zu erkennen. Nur in manchen nicht öffentlichen rechten Internetforen wurde darüber gemunkelt, der Attentäter sei der Sohn des Besitzers einer Hamburger Bäckereikette gewesen, aber Beweise wurden nicht gebracht. Doch Vera war in solchen Foren nicht aktiv und öffentlich bekannt wurde nichts, da die Beweise von der Polizei unter Verschluss gehalten wurden.

      Trotzdem war Hassan, Alis Vater, ein gebrochener Mann, der nicht mehr daran dachte, sein Filialnetz zu erweitern, sondern der sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen wollte und sich schwerste Vorwürfe machte, Ali zu wenig kontrolliert zu haben. Das war nicht sein Gott, der da als Rechtfertigung für die Terroristen herhalten sollte. Allah konnte so etwas niemals befehlen. Er würde seine Filialen verkaufen und sich zurückziehen.

      So blieb Hassan zumindest die Öffentlichkeit erspart, wobei die Deutschen Zeitungen nach Interviews mit der Täterfamilie geradezu gegiert hatten. Aber die Hamburger Polizei hatte richtig entschieden, es sollten nicht noch mehr Leben zerstört werden. Stattdessen gingen die Ermittlungen in Richtung einzelner Moschee Vereine, die im Ruf standen, Salafisten zu unterstützen.

      Aber all das war Vera völlig egal. Sie saß alleine in der großen Villa und versuchte, ihre Gedanken auf das unmittelbar bevorstehende Abitur zu konzentrieren. Georg konnte seine Geschäfte nicht völlig vernachlässigen und sie waren auch eine willkommene Ablenkung vom Tode von Anke.

      Doch so ganz alleine war sie nicht, denn Sigrid Tatenberg, eine alte Freundin ihrer Mutter, kümmerte sich um Vera. Denn Veras Großeltern, die Eltern von Georg, waren mit der Situation überfordert, und die Eltern von Anke waren schon vor Jahren gestorben. Sie hatten den Tod ihrer einzigen Tochter nicht erleben müssen.

      Die Noten der letzten Schularbeiten von Vera waren in den Keller gerasselt. Sie stellte sich immer wieder die Frage, wieso Anke ausgerechnet zu dieser Boutique in diesem Moment gewollt hatte. Und sie hatte ständig ihre Vision des gelben Minikleides im Kopf und ihre eigene Panik vor dem Tod, die ihr das Leben gerettet hatte, da sie, wäre sie nicht vor dem Kleid davongelaufen, jetzt genauso tot wäre, wie ihre Mutter. Sie hatte keine Idee, was das gelbe Minikleid mit der ganzen Geschichte zu tun hatte, und wieso sie die Panik unmittelbar vor der Explosion so deutlich hatte spüren können. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen und der Psychologe, mit dem sie versucht hatte, darüber zu sprechen, hatte das alles als Stressreaktion auf den Verlust ihrer Mutter begründet.

      Als Vera ihm versuchte zu erklären, dass zum Zeitpunkt ihrer Panik ihre Mutter ja noch gelebt habe, erzählte er ihr irgendetwas über posttraumatische Belastungsstörungen, die Vera dazu brächten, ihre Erinnerungen zu vermischen. Vera glaubte dem Psychologen nicht, wusste aber bald selbst nicht, was sie glauben sollte, und was nicht.

      Doch Sigrid Tatenberg hatte die Gabe, tröstende Worte zu finden und Vera zu helfen, wieder an ihre Zukunft zu denken und nicht in Trübsinn zu versinken. Sie kannte die Familie Bauer schon so lange. Sie war einmal maßgeblich an der Rettung Georgs beteiligt gewesen, als dieser von Terroristen entführt worden war, und niemand mehr sein Versteck kannte, in dem er gefangen gehalten wurde (siehe „Das Seelenkarussell“ Band 1 – Vera). Denn alle Terroristen bis auf einen, waren bereits tot. Und dieser eine wollte Georg in seinem Verließ vermodern lassen, wenn nicht Sigrid mit ihren medialen Fähigkeiten eingegriffen hätte, und sie Georg in letzter Sekunde gefunden hätten. Diese Geschichte kannte Vera gut, da sie ihr X-Mal von Anke erzählt worden war.

      Und nun hatte Sigrid Vera den Rat gegeben, sich in das scheinbar Sinnlose zu fügen und einfach nach vorne zu schauen, um ihr Leben wieder leben zu können. Sie sollte versuchen, ihre Zukunft wieder aktiv zu gestalten und in die Hand zu nehmen. Ihr Leben lag ja noch vor ihr.

      Vera war sich da nicht so sicher, aber sie nahm sich die Ratschläge von Sigrid zu Herzen und konzentrierte sich auf ihr Abitur.

       Aus dem Weblog von Ali – Eintrag 13

      Die Freitagspredigten sind so langweilig. Mein Vater will aber, dass

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