Wo ist deine Heimat?. Andy Hermann

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Wo ist deine Heimat? - Andy Hermann Das Seelenkarussell

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tat Ali leid, aber sie hatte keine andere Wahl gehabt, eigentlich mochte sie ihn noch immer, aber das war jetzt Vergangenheit.

      Und Ali würde Vera nie vergessen, aber er war in seiner Tradition gefangen. Und alles nur, weil Vera keine Muslima war, dachte Ali, denn wäre sie eine oder wäre sie konvertiert, dann hätte sie ihn nicht abgewiesen.

      Es wäre alles ganz anders gekommen, aber so nahm das Schicksal seinen Lauf.

      Kapitel 5

      Er konnte nichts sehen, rund um ihn herum war nur ein hellgrauer milchiger völlig undurchdringlicher Nebel.

      Er fühlte sich stolz, aber auch ein klein wenig ängstlich. Die gewaltige Anspannung der letzten Tage war völlig von ihm abgefallen. Ruhig und langsam setzte er Schritt für Schritt durch diesen seltsamen Nebel. Er wusste nicht, wo er sich befand.

      Er hatte es getan. Er hatte gemacht, was ihm aufgetragen worden war. Er hatte gegen die Ungläubigen gekämpft und sie getötet. Wie viele es waren, wusste er nicht, aber das war ihm jetzt auch egal. Nun war er ein Held und die Freuden des Paradieses warteten auf ihn. So hatte man es ihm gesagt und er hatte es bereitwillig geglaubt.

      Nun würde er seinen gerechten Lohn erhalten. Er war jetzt ein Krieger Gottes im heiligen Krieg gegen die Ungläubigen. Ihm war das Paradies versprochen. Hüris, Paradiesjungfrauen würden auf ihn warten, ihm süße Früchte kredenzen und alle seine Wünsche erfüllen. Seine Tat erfüllte ihn mit Stolz und Freude, er war jetzt ein Held und würdig für das Paradies.

      Doch vorerst war nur dieser seltsame Nebel um ihn. Der Boden, auf dem er stand, schien fest und war auch von grauer Farbe. Wenn er seine Hand ausstreckte, konnte er sie sehen, aber nach drei Metern war die ganze Umgebung durch diesen Nebel verhüllt. Das Paradies musste doch anders aussehen, dachte er bei sich, als er zögerlich einen Schritt vor den anderen setzte, um nicht irgendwo dagegen zulaufen.

      Doch hier gab es nichts, wogegen er hätte laufen können, der Boden war glatt und völlig ohne Hindernisse.

      Er blieb stehen und sah sich um, nichts als Nebel ringsum und dann stand SIE vor ihm.

      Eine so schöne Frau hatte er noch nie gesehen. Er war überwältigt. Sie trug ein langes in Falten geworfenes helles Gewand. Ihre Haare waren züchtig mit einem Schleier verhüllt und ihr Gesicht zeigte nicht den geringsten Makel, sondern nur strahlende Schönheit. Sie lächelte ihn freundlich an und sagte: „Ich bin Ayasha, willkommen in deinem Paradies, du großer Krieger.“

      Dabei streckte sie ihm verheißungsvoll die Hand entgegen. „Lass dir dein Paradies zeigen, komm“, lud sie ihn ein.

      Ali jubelte innerlich, es war wirklich wahr und hier war schon die erste Hüri zu sehen, die ihm gleich die Herrlichkeiten des Paradieses zeigen würde. Freudig erregt ergriff er ihre dargebotene Hand.

      Der Schmerz war so überwältigend und intensiv, wie wenn er eine Hochspannungsleitung berührt hätte. Alles in ihm verkrampfte sich. Seine Versuche, sich loszureißen scheiterten. Sie hielt ihn fest und sein ganzer Körper brannte wie Feuer.

      Er ging in die Knie und Ayasha hielt noch immer seine Hand und lächelte.

      Dann überflutete eine Welle von Trauer seinen Geist, alles um ihn herum wurde schwarz und finster. Er fühlte sich in einem Meer von Tränen und meinte, darin ertrinken zu müssen.

      „Wer bist du“, stammelte er, auf dem grauen Boden knieend und sich vor Schmerz windend.

      „Jemand, der es gut mit dir meint, ich bin dein Schutzengel, und jetzt sehen wir uns einmal ein wenig um“, sprach sie mit sanfter Stimme.

      Die Dunkelheit und der Nebel wichen von der Szenerie und er erkannte die Shopping Mall wieder, die er vor wenigen Augenblicken verlassen hatte. Doch wie sah es hier aus.

      Deckenverkleidungen waren herabgestürzt, Mauerteile waren geborsten. Das Geländer der umlaufenden Galerie des zweiten Stockes war zerschmettert und auf die Köpfe der Menschenmenge im Erdgeschoß gekracht. Alles war voll Glasscherben und überall am Boden lagen menschliche Körper in ihrem Blut. Abgerissene Gliedmaßen waren verstreut zwischen den Trümmern der Weihnachtsdekoration.

      Die Schmerzensschreie der Verwundeten wurden von den auf Hochtouren schrillenden Alarmsirenen übertönt. Blutende Leichtverletzte, denen nur die umherfliegenden Glassplitter zugesetzt hatten, taumelten unter Schock umher. Kleine Kinder, die auf den Weihnachtsmann gewartet hatten, schrien blutverschmiert nach ihren Müttern.

      Über all dem lag noch der Rauch der Explosion, als die ersten Alarmeinheiten am Tatort eintrafen.

      Er stand mitten im Geschehen, völlig alleine und unsichtbar für alle.

      Ayasha hatte seine Hand losgelassen und stand neben ihm. Sie weinte.

      Und er sah die Folgen seiner Tat und war dem Schmerz und der Verzweiflung seiner Umgebung plötzlich direkt und unmittelbar ausgeliefert. Sein Stolz wandelte sich augenblicklich in Entsetzen. Das war nicht mehr wie im Videoclip oder wie beim Egoshooter, jetzt waren die Schmerzen real. Und er war die Ursache all dieses Schmerzes. Er war jetzt ein Massenmörder, der vor seinen Opfern stand. Sein Herz verkrampfte sich. „Ich will nicht mehr leben“, stammelte er.

      „Du bist schon tot“, erwiderte Ayasha mit ernster Stimme. „Die Verantwortung trägst du alleine, für das, was du hier angerichtet hast.“

      „Ich habe doch nur meinen Auftrag ausgeführt“, wollte er sich rechtfertigen. „Sie haben mir gesagt, ich solle es tun.“

      „Getan hast nur du es, du warst der, der die Bombe gezündet hat, nur du alleine“, entgegnete Ayasha.

      „Die Leben, die du vorzeitig ausgelöscht hast, kannst du nicht wieder auf Erden lebendig machen und etliche der Überlebenden werden ihr ganzes restliches Leben ihre Wunden, Narben und Verstümmelungen mit sich tragen müssen.“

      „Ich will nicht, ich bin nicht schuld, man hat mich hereingelegt“, wollte er aufbegehren.

      „Du kannst es nicht ungeschehen machen, es ist passiert und es ist auf immer in die Seelen aller Beteiligten eingebrannt, und in deine ganz besonders.“

      „Gnade“, schrie er, „Allah vergib mir, was habe ich angerichtet.“

      „Allah braucht dir nicht vergeben, denn du sollst wissen, du bist nicht verurteilt. Du musst nur die Folgen deiner Tat tragen. Das ist etwas ganz anderes, und ein viel härteres Schicksal.“

      Sanitäter rannten an ihnen vorbei und durch sie hindurch. Sie versuchten, zu retten, wen sie noch retten konnten, denn die Bombe war sehr stark gewesen.

      Langsam war er an der Seite von Ayasha weitergegangen. Er hatte keine Ahnung, wie er das je wieder gut machen konnte, was er getan hatte.

      Dann sah er sie liegen. Wenn ihm sein Schuldgefühl jetzt schon die Eingeweide halb zerriss, dann war jetzt die Steigerung gekommen. Sein Herz drohte zu bersten, als er sie erkannte. Dort drüben lag Vera, die er einmal geliebt hatte, die er immer noch zu lieben glaubte, am Boden und bewegte sich nicht mehr. Ali wollte seine Existenz sofort beenden und mit der Sache nichts zu tun haben, aber er konnte nicht vor sich selbst flüchten, Seine Seele lebte weiter und würde es noch lange tun. Schmerz und Wut auf alle, die ihn in diese Lage gebracht hatten und auf sich selbst, der das zugelassen hatte,

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