Die Todgeweihten grüßen dich. Friederike Kielisch
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„Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Satan.“
Der Fluch, den ich einst unwissend und selbst schmerzerfüllt über Menschen mit meinem wenigen arabischen Worten ausgebreitet habe, da ich tief im Innern glaubte, auch für den Verlauf von ihrem Schicksal mitverantwortlich zu sein.
Dadurch etwas an ihnen wieder gut machen zu müssen, mit meinem Leben dahinter zu stehen, oder um mit all meiner Liebe an ihnen und uns etwas zu verändern.
Doch was vermag schon einen einzelnen Menschen zu erreichen? Was ist das, was uns am Ende bleibt? Mit weniger als Nichts, nur mit unserer eigenen Seele, die darum kämpft, sich selber vergeben zu können, denn es gibt keine Sieger.
Jedoch Eines können wir dennoch besiegen: Den Wahn. Mit Offenheit und ohne Furcht, denn der Mensch ist sein eigener größter Gegner. Und nur das bedeutet Eigenverantwortung.
Durch Erkennen und angewandtes Verstehen unseres Selbst, und der Welt in der wir leben. Der verändernde X-Faktor liegt nur in uns.
Nur so kann ein neues Gleichgewicht entstehen, ein Gleichgewicht, das bitter notwendig ist, und Möglichkeit eröffnet, eine Strategie zu entwickeln, im Alltag bestehen zu können, ohne Kriege.
Durch den Kampf mit unserem Selbst, dem ureigenen Ich, gehen wir als eine veränderte und neu strukturierte Person hervor. Denn der Mensch ist im Grunde wie ein Stein, der durch das Leben geschliffen wird: Mal springt Etwas ab, mal zerbricht Etwas, und doch erscheint manchmal unter der groben Schale eine strahlende Facette.
Die Hoffnung stirbt immer zuletzt, doch wenn sie gestorben ist, gibt es kein Zurück. So müssen wir lernen uns auch zu verabschieden, von allem was uns nicht guttut, oder sogar von Menschen, die uns in Stück in unserem Leben begleitet haben.
Lassen wir sie in Dankbarkeit gehen, denn ihr Seelenweg ist ein Anderer, und doch waren sie immer eine Herausforderung an uns Selbst, ein Lehrer.
Sei meine Sehnsucht
Mein ganzer Mut
Sei wie ein Tropfen von meinem Blut
Ich liebe Dich mein Edelstein
Über Alles, über Alles hinaus,
Über alle Welten
Und wenn Du etwas liebst, dann lasse es frei, und kommt es einst zurück, dann bleibt es für immer Dein, in Ewigkeit…
Friederike Kielisch
1.Teil
Frühjahr 1985
Ergün Sevgilim,
Sag‘ mir: „ Welcher Gegner ist gefährlicher: Der, welcher sich kontrolliert, oder der, der sich instinktiv von seinem Gefühl leiten lässt?“
Die Antwort war: „Der Gegner, der sich selbst nicht mehr kontrolliert, denn dann wir dieser auch nicht mehr für seinen Feind berechenbar.“
Nun, meine Fähigkeit war nie die Kontrolle. Im Fluss der Zeit vertraue ich auf mein Gefühl.
Ich bin nun eine Zeitreisende.
Eine Zeitreisende, auf den Spuren ihrer eigenen alten Wahrheit.
Damals, im Jahre 1985, war ich ein junges Mädchen aus „guten Hause“ mit den besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Leben. Zwar waren meine biologischen Eltern bereits seit Jahren getrennt, aber nun ich hatte Zugang zu Büchern und durchaus Freiräume. Was mir am meisten dort fehlte war eine Bezugsperson, und jemand der mir zuhörte, und mich verstand, eben menschliche Wärme und nicht nur bloßes Versorgt werden mit den Segnungen der immer breiter werdenden Konsumgesellschaft. Familiäre Herzlichkeit und Geborgenheit. Mein Zuhause war nach außen gerichtet, bedacht auf Status und den sogen. „guten Ruf.“ Für mich zu kalt und oberflächlich.
Und so verliebte ich mich in einen jungen sensiblen Mann, der aus genau umkehrten Verhältnissen kam, eine warmherzige aber nicht so gut situierten Abstammung. Das war genau der Harken, seine fremde Herkunft sollte auf Grund meiner Sozialisation nicht zu mir passen. So sollte ich erzogen worden sein. Das Spannungsfeld der Werte begann.
Jahrelang hatte ich mich davor in eine eigene Welt begraben, mich mit unseren Dichtern beschäftigt, und mir ein eigenes Welt Gefüge zusammen gebastelt. Ich konnte nie wie andere Mädchen sein, ich lebte irgendwo, in Träumen, und schrieb selber Gedichte, und studierte auch Lao Tse, den Tao te King, beispielsweise.
Einfach um zu lernen, das Leben ist ein Tal, von Bergen umschlossen, und wir jeden Tag einen Berg zu ersteigen haben, und doch jedes Mal, wenn wir es geschafft haben, ein neuer Berg auf uns wartet. Auch wenn unser Atem immer dünner wird.
Manchmal erscheint doch der Berg unüberwindlich und zu hoch, und wir stürzen ab, und müssen von vorne anfangen, doch erst wenn auch dieser Berg geschafft ist, können wir weiter gehen.
Aber auch dies war genau das, was mich mit Ergün verband. Und als ich ihn fand, stand er erst noch am Anfang seiner Kung Fu Berge, er wurde darin später einmal Weltmeister. Schon damals war er berauschend und wundervoll, voller Fantasie und Elan.
Bis die wirkliche Welt uns einholte, denn manche Berge sind von Mauern umgeben. Meine Grenze war Europa, bis Griechenland schaffe ich es, doch niemals weiter hinaus. Das stand nur in Deinen Pass, aber das warst Du nicht. Ich wählte diesen Weg, der sogenannten Freiheit, bis zum Tod. Und doch ist Liebe ein Licht, das auch über Mauern springt, auch wenn ein Kampf vergeblich scheint.
Wir hatten es uns so sehr gewünscht, damals, ich hatte sogar schon ein Hochzeitskleid, ein schwarzes mit goldroten Stickereien aus Afghanistan, und er schenkte mir alles Gold, das er besaß…
Aber er war ein Sohn von Gastarbeitern, mit sunnitischer Abstammung, und er konnte neben mir, meiner Wirklichkeit und Familie nicht bestehen, meine Waffen reichten nicht aus, diesen Kampf zu bestehen. Eine junge Frau, die sich nicht traute, das finale Risiko zu bestehen. Zu rational und kalt waren meine Realität, aber meine Gefühle nie! Zur Pflicht erzogen, um die Kür zu opfern.
Ergün hatte es nie leicht gehabt. Er war der älteste Sohn einer sehr weisen und intelligenten Frau die mit 16 Jahren zwangsverheiratet wurde, damit sie bloß nicht in einer griechischen Provinzstadt die Ausbildung zur Krankenschwester beginnt. Ihr Mann war erheblich älter. Ihre ältere Schwester hatte die Hochzeit eingefädelt, manchmal glaubt Fatima dass es aus Neid gewesen sein könnte, denn Fatima war eine Hübsche mit herausragenden schulischen Leistungen. Doch sie hatte Glück im Unglück, denn ihre Schwiegermutter war sehr stolz auf sie, und herzlich ihr zugetan. Man könnte sagen: dankbar für diese Tochter. Beide hielten nicht besonders viel von Männern, im scherzhaften Sinne gemeint, glaube ich. Wenn ich mit Fatima redete, sprach ich etwas griechisch mit ihr, mit ihrem Mann türkisch. Fatima sagte dann: „Du sprichst Dorftürkisch!“ Sie meinte mein Dialekt. Ich lächelte dann charmant, und antworte: „Fatima, ich komme doch vom Dorf!“ Bei Ergüns Eltern hatte ich keine Angst so zu sein wie ich bin. Jeder Mensch fühlt sich dort wohl. Mit 17 Jahren bekam sie Ergün, er muss ein Prachtbaby gewesen sein, der Stolz der gesamten Familie. Fatima ließ ihn in den fürsorglichen und liebevollen Händen ihrer Schwiegermutter, um dann in Deutschland zu arbeiten. Sie arbeitete ihr ganzes Leben hart für die Familie, ihr Mann eher weniger, er, vom Dorf, fürchtete sich etwas vor der deutschen Welt. Er kam sich nicht so wertvoll vor. Mit acht Jahren holten sie Ergün zu sich, er wurde gelockt mit goldenen Versprechungen, die sich in seinen Augen leider nicht erfüllten. Mit 12