Die Todgeweihten grüßen dich. Friederike Kielisch
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Aber leider zu wenig Eurer Söhne!
Es trauert mich darum, dass so viele Träume untergegangen sind.
Ali, der Ältere, durfte mich auch privat zu Hause besuchen. Manchmal rief er einfach an, mal hatten wir beide Langeweile, er nach der Arbeit, und ich nach der Schule. So kam er einfach vorbei, und ich kochte ihm nach bosnischer Art einen türkischen Mocca, das hatte ich damals in Bosnien gelernt, als wir dort den zweiten Mann meiner Mutter besuchten, der sich dorthin aus beruflichen Gründen versetzen ließ. Dann redeten wir, er vertraute mir alles an, oder wir fuhren in seinem Auto umher. Er sprach oft von seiner großen Liebe, einem zartem Mädchen aus dem Nachbardorf. Er liebte sie so sehr, doch wollte er genau wie ich, in seiner Kultur bleiben, er wollte moslemische Kinder. Es zerriss ihn wie mir die Seele, unser Herz. Dieser Ali hat nie geheiratet später… Und später machte ich zu unseren gemeinsamen Bekannten den Witz, dass mein Mocca schuld war. Ja, Ali mein Freund, auch Dich nehme ich in meine Seele auf, wenn auch nur ein winziges Stück, denn wir waren nie verliebt ineinander. Unser Vertrauen und Ehrlichkeit bleibt bestehen. In dieser Zeit schrieb ich Gedichte, war immer froh, wenn ich diese einem Zuhörer erklären konnte. Wir lachten viel, und er kam mir mit sunnitischer Koranlehre, das was er in der Moschee mitbekommen hatte. Interessant ist vor Allem die Auslegung des Alten Testaments, welche ja die Grundlage des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens ist. Ja, im Islam wird auf die wortwörtliche Übersetzung beharrt, während wir Christen durchaus in der Lage sind, unseren Glauben der Wissenschaft und der Evolutionsgeschichte anzugleichen, oder zu reformieren. Jedenfalls wir evangelisch lutherischen Deutsche. Von Ali lernte ich, seine Sichtweise einer Friedensreligion, er lehrte mir, das friedliche Betrachten seines Glaubens. Ergün sprach nie mit mir in der Form darüber. Ali hat so hohe Werte von Freundschaft und Gerechtigkeit. Ein unendlich freundlicher Mensch, wer ihn zum Freund hat, wird nie enttäuscht. Aber wie wir Christen sagen würden, auch er hat sein Kreuz zutragen, und seine Verantwortung. Mehr werde ich dazu nicht ausführen.
Einmal mutierte ich auch zu Alis Kleidung und Stil Beraterin, er nahm mich mit zum Einkaufen. Des Weiteren versuchten wir auch Kumpels zu trösten, deren Verheiratung bevorstand. Damals war so etwas noch durchaus üblich, und nun ich denke, das ist auch eine mögliche Ursache, für den fast Stillstand der türkischen Kultur in Deutschland. Diese fremden Frauen aus der Türkei importiert, Gelins, zogen dann die Kinder auf. Sie hatten es nicht leicht, auch wenn sie perfekt Türkisch sprachen, ließ oft die eingeheiratete Familie nicht mehr an Bildung und Beruf zu, so dass sie dann auch selten den gemeinsamen Kinder helfen konnten, in der Schule, beispielsweise. Und unser Land machte es sich auch nicht als Pflicht, das einzureisende Verwandte die dauerhaft hier bleiben wollten, die Auflage bekamen, mindestens zwei Jahre Deutschkenntnisse ich einem Sprachkurs zu erlernen. Selten wurde dann eine solche Ehe wirklich glücklich.
Besonders schön ist die Weisheit: Frauen sind aus der Rippe des Mannes gemacht, ein Mann muss sie gefühlvoll behandeln, denn sie sind gebogen. Wer versucht die Rippe zu begradigen, zerbricht sie. Frauen müssen gefühlvoll behandelt werden!
Reformiert könnte es so lauten:
Als es vollbracht war, sprach Adam zu Gott: Adam: „Die Frau, die Du mir gemacht hast ist wunderschön!“ Gott: „Ich habe sie so schön gemacht, damit Du sie liebst!“ Adam: „Aber warum ist sie so schrecklich dumm?“ Gott: „Nun, Adam, wäre sie nicht so dumm, würde sie Dich dann lieben?“ Die Frau ist nicht aus der Rippe des Mannes, sondern aus seinem Gehirn. Der Beweis: die Rippe hat er noch!
Ali fand es gut, dass wir alle zusammen ausgingen, und manchmal war auch sein geliebtes Mädchen aus dem Nachbardorf dabei. Er dachte wohl, dann würde sie sich wohler fühlen, bei ihm, mit uns. In meiner Gesellschaft. Ich machte mir keine Gedanken, mir ging es gut, in dieser Zeit.
Mein Herz schlug noch, freundlich und sanft, und verspielt.
Ergün jedoch befand, dies sei nie und nimmer der passende Umgang für mich. Das denkt er bis heute.
Doch ich wollte normal sein, nicht auf einem Sockel stehen, sondern das Leben fühlen.
So lernte ich auch bei einem unserer nächtlichen Ausflüge Yasin kennen. Er saß irgendwann einfach mit in Alis Auto. Nun, Yasin, das war so eine Sache… von ihm wusste ich nur, das er sehr lange Zeit auch mit einem Mädchen aus meinem Dorf befreundet gewesen war, Sofia. Sofia war ein sehr lebensfroher Mensch, eine junge Frau, mit naturrotem Haar und einem warmen Lächeln. Sie war etwa ein Jahr jünger als ich, und besuchte ein anderes Gymnasium. Ich glaube sie musste durch die Leute in unserem Dorf etwas leiden, denn sie war ja mit einem „angeblichen“ Türken zusammen, und das wurde nicht sehr hoch geschätzt. Nun, ich hatte etwas mehr Glück gehabt, mein Ex-Ergün gehörte nicht zu den türkischen Kreisen, und hatte sich schon einiges Ansehen erworben. Doch irgendwie empfand ich so etwas wie Solidarität mit den Beiden.
Doch sie hatten sich nun getrennt. Ali sagte nur: ,,Yasin heiratet bald.“ Ah so, ich dachte mir nichts weiter dabei. Ich spürte nur, dass so etwas wie eine Melancholie auf ihm lag. Und konnte mir weiter nichts Schreckliches in dieser Richtung ausmalen. Bei uns verliebt man sich, verlobt man sich, und heiratet. Irgendwie vermutete ich, dass er um Sofia trauerte. Und wie sich ein gebrochenes Herz anfühlt, ja, das wusste ich auch nur zu gut. Yasin war eine Ausnahmeerscheinung. Zwar nicht groß gewachsen, aber in allem sehr zart strukturiert. Sehr feine Gesichtszüge und gelocktes Haar, ganz im Gegensatz zu den oft grob aussehenden Restosmanen, die ich so kannte. Seine Familie waren Geschäftsleute, und er fuhr einen cremefarbenen Mercedes.
So ganz anders lag dieser Fall als bei Ergün und mir. Wir zwei waren zusammen immer total arm gewesen, teilten uns von unserem knappen Budget oftmals nur eine Dose Cola…Und dann küsste er mich hinterher, und sagte, dass ich nun nach Kirsche oder Pirsich schmeckte…
In aller Öffentlichkeit, nein, wir haben uns nie versteckt. Wir hatten auch kein Auto, aber wir waren glücklich, wirklich glücklich.
An diesen einen Abend nun, wollte Ali mit uns seine Freundin in ihrer Stadtwohnung besuchen, und Yasin und ich kamen mit zu Besuch. Und es wurde sehr spät, und Ali fragte ob wir mit dort übernachten wollten. Nun Yasin und ich hatten nichts dagegen, und Alis Freundin fand für jeden von uns noch eine Zahnbürste. So bauten wir also ein Viererbett auf, Alis Freundin und er nebeneinander, dann Yasin und dann ich. Wir vier kuschelten uns alle neben einander, und ich nahm Yasin in den Arm, einmal weil ich es total mag, mich an einem anderen Menschen zu wärmen, und dann um ihn etwas zu trösten, denn ich spürte seine Traurigkeit, und wollte ihn in seinem Schmerz begleiten. Er sollte sich nicht allein fühlen in dieser Nacht. Ich mochte ihn, und es war für mich eine Ehrensache, mich für Sofia um ihn zu kümmern.
Und für Yasin war es dann wahrscheinlich auch Ehrensache allein später mich bei mir zu Hause zu besuchen. Er kam etwa fünf Mal zu mir. Ich freute mich darüber. Doch immer hatte ich das Gefühl, das er von seinem Schmerz nicht los kam, und zwei Straßen weiter wohnte ja schließlich Sofia.
Es gab damals zwischen uns so Etwas wie ein Gentleman Agreement, wir hielten in unserer Gruppe stillschweigend zusammen, und halfen uns gegenseitig in bestimmten Lebenslagen. Wir behandelten uns mit gegenseitigem Respekt und akzeptierten uns als Menschen, so wie wir waren. Jeder konnte frei über Alles sprechen, und das gab uns Sicherheit. Und auch Ali behandelte alle gleich, egal ob Grieche, Deutsche oder Türke. Es war schön Freunde zu haben, auf die man sich verlassen konnte, und vertrauen.
Im Grunde wollte er, Yasin, mit Sicherheit zu ihr, als er zu mir kam. Doch er konnte nicht mehr weiter. Und ich weiß auch nicht genau wie Alis auf die Idee kam, uns bekannt zu machen. Er dachte wohl, ich bin sozusagen als Ergüns „Witwe“, ebenfalls in Beziehungstrauer, geeignet, ihm Gesellschaft zu leisten. Aber egal, ich trank mit ihm Tee, redete mit