Die Todgeweihten grüßen dich. Friederike Kielisch

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Die Todgeweihten grüßen dich - Friederike Kielisch страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Die Todgeweihten grüßen dich - Friederike Kielisch

Скачать книгу

keinen Sinn.

      Mein Gefühl war zu stark, stärker, als meine Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, oder Selbstbetrug.

      So war ich, so bin ich.

      Ich hatte die Regeln missachtet.

      Und ich starb im tiefsten Innersten.

      Ich starb sehr langsam, es dauerte Jahre, bis ich etwa selbst 21 Jahre zählte.

      Es ging ein Graben danach durch unsere Trainingsgruppe.

      Die Deutschen und Griechen behandelten mich freundlich wie zuvor, und akzeptierten von nun an meine Distanz.

      Zum Training kam ich nicht mehr regelmäßig. Nur noch zu einigen besonderen Anlässen. So bemühte ich auch mich um andere Bekannte zu kümmern, die nicht zu diesem engen Kreis gehörten.

      Zum Glück hatte ich damals viele Kontakte, und so vermittelte mir eine Schulfreundin einen Job in einem Kaffeegarten, so dass ich die leere Zeit sinnvoll nutzen konnte, um etwas Geld neben der Schule her zu verdienen.

      Geld, eigentlich brauchte ich nicht viel Geld für mich Selbst, nun ja, ich verdiente nun mehr als ich im Alltag brauchte, davon ging ich aus, kaufte mir schöne Kleider und fing einfach mal an, zu sparen.

      So suchte ich mir neue, rationale Ziele, und wollte wie andere jungen Frauen das Leben genießen.

      Doch immer wenn mich Ergün sah, warnte er mich, und kritisierte mein Freizeitverhalten, denn er wusste, ich war auch abends, besonders an den Wochenenden, in Diskotheken unterwegs, allein. Es kam mir jedoch auf das Tanzen an, auf die Musik. Schon immer haben mich gewöhnliche Menschenansammlungen gelangweilt, ich stand am Rand und beobachtete nur das Treiben.

      Sicherlich hatte ich wie immer etliche Verehrer, aber wer sich mich anbot, entfachte nie mein Interesse. Hingezogen fühlte ich mich selten zu jemanden. Und wenn ich die Oberflächlichkeit nicht mehr aushielt, suchte ich nur noch Wärme und Geborgenheit.

      Und die fand ich bei Ali. Alis Bruder, der auch Ali hieß, war ein Trainings Kamerad. Da er auch nicht so ein hoher Kampfgrad hatte, ist er oft mein Übungspartner gewesen, und ich wusste, ihn konnte ich vertrauen. Daran merkt man es, wenn man mit jemanden trainiert, denn so etwas hat fast ausschließlich nur mit Vertrauen zu tun. Er sah mich allein in der Disko unserer Stadt, und als ein lieber Bekannter war er stolz, mir seinen älteren Bruder vorstellen zu können.

      Ali fing mich also einmal mit den Worten ab: „Schau mal Franziska, soll ich Dir mal meinem Bruder Ali vorstellen? Der ist draußen, und er hat einen weißen BMW!“

      Oh Ali, der Ältere, konnte grinsen wie ein Kobold, frech und verschmitzt, zugleich. Ganz stolz waren beide Brüder auf den schicken BMW, tiefer gelegt, mit Spoiler, den sie besaßen.

      Zwei warmherzige Brüder, ich spürte reine Freundlichkeit.

      Und na klar, ich durfte mitfahren, ganz vorne, während auf der Rückbank sich bis zu fünf türkische Kumpels quetschen mussten. Immer, wenn ich nicht wusste, wie ich nach Hause kommen sollte, war später Ali der Ältere für mich zur Stelle.

      Wir verbrachten nach Tanzabenden so manche Nacht zusammen, in der Form, das wir dann irgendwo mit den Kumpels Tee tranken, Lamacun aßen und wilde Türkenmusik hörten, oder einfach nur schwatzten. Unsere Liebling Themen waren: „Liebeskummer“, Religion und Zukunftsplanung.

      Es verwundert mich schon sehr, dass wir uns trotzdem so fremd geblieben sein sollen. Damals, in unserer Kleinstadt, kannte ich doch die Jungs aus dieser Generation. Keiner von denen war jemals frech und unhöflich zu mir. Weiß nicht, könnte es sein, das es an meinem Bekanntheitsgrad gelegen haben kann? Wohl eher nicht. Vielleicht war ich auch einfach nur ein Alien, hm, wohl eher auch nicht. Nein, ich hatte nie das Gefühl das sie mich nicht mochten, oder anzweifelten oder kritisierten. Die Jungs aus dieser Generation nahmen Deutschland einfach so hin wie es war, und sie lernten selbstverständlich deutsch. Dass ihre Eltern es oft schlechter konnten, erklärt sich von selbst. Und in diesem Moment entstanden Probleme. Die Kinder, draußen bei uns in der Welt, doch die Eltern schön gemütlich türkisch verrammelt, Zuhause. Einige Male bekam ich etwas von den persönlichen Schwierigkeiten mit, wenn ich mit meinen sog. Kumpels (Brüdern) nach der Disko nachts noch im Teesitzkreis saß, und hey, echt, ich aus dem Dorf war angewiesen auf sie, denn irgendjemand musste mich ja sicher ins Dorf nach Hause bringen. Irgendjemand mit ‘nem BMW. Nun, wir bildeten Sitzkreise, und jeder sagte das, was er dachte, oder ihn bewegte. Es gab Tee, es gab immer TEE. In diesen für Zwerge gedachten Tassen. Einer sagte: „Mein Vater möchte das ich zurück in die Türkei gehe, zur Schule, um dann Imam, oder so, zu werden!“ Er war traurig, doch hat niemals das Gebot seines Vaters angezweifelt. „Nun, warum denn das?“ fragte ich, doch er zuckte nur hilflos mit den Schultern. Er hatte einfach nicht gewusst, wo er ansetzen sollte, um es mir zu erklären. Nun, aber das doch absolute mit mir favorisierte Lieblings -Thema war: „Liebeskummer.“ Ha, da hatten sie doch mal live ein weibliches Wesen am Wickel! Türken sind absolute Profis im Bereich Liebeskummer! Damals jedenfalls. Nie hätte ich gedacht, dass sie so hochgradig emotional darüber sich ergehen konnten. Es so ernst nahmen, es so nahe an sich heran ließen. Ein deutscher Junge in dieser Altersgruppe harkte es kurz mit sich selber ab, besoff sich, und Ende. Schade eigentlich bis heute, das oft türkische Frauen dies nie mitbekamen. Viele denken immer noch bis heute, ihre Jungs sind eiskalt, hart und gruselig. Gruselig ist höchstens die verzerrte Sichtweise. Die Distanz zueinander. Leider kann ich es nicht beurteilen, ob sich dort etwas verändert hat, in all den Jahren. Und wenn, dann nicht genug, auf jeden Fall. Unsere deutschen Jungs waren auch verwirrt, wussten in dieser Zeit auch nicht, wie man am besten ein idealer Kerl wird. Zu viele Einflüsse kamen in dieser Zeit auf einmal auf alle von uns zu. Na ja, ich hatte es nicht so schwer, es gab für mich auch noch Griechenland, auf das ich sparte, weil ich unbedingt einmal nur dorthin reisen wollte, und andere Ziele. Wahrscheinlich bin auch nur ich wirklich frei gewesen, bis ich mich später entschloss, konkret sesshaft und verheiratet zu sein. Ich fand das gut und sinnvoll. Es war bei uns immer ein erstrebenswertes und positives Lebensziel gewesen. Für beide. Mit Sicherheit habe ich mich dafür relativ früh entschieden, denn es gab mir nichts…Diese Partyzeit ohne Ende, das wird mit der Zeit auch langweilig! Lustig ist es allerdings gewesen, das auch die türkischen Jungs das so sahen, und sich bemühten für mich, ihrer fast „Schwester“, nur die allerbesten Optionen mal so heraus zu kramen. Reich sollte ich dann sein, und gut versorgt, und einer der meine Gedichte liebte. Das wollten sie für mich. Ich lächelte nur darüber, und hörte mir die Vorschläge an. Das habe ich nie wirklich ernst genommen. Es war so gut gemeint…Das weiß ich heute. Aber ihr Lieben, das Freisein bedeutet auch dass man eigenverantwortlich und frei seinen Weg geht! Glücklich kann man nur sein, wenn man das für sich selber erreichen kann. Kein Prinz kommt angeritten! Sowas gibt es nur im Märchen. Es tut zwar weh dies zu erkennen, ist aber so. Meiner Meinung nach steckte viel Potenzial grade in dieser damaligen türkischen Generation. Das ist das Fazit. Umso verwunderter bin ich nun, was daraus geworden ist. Manchmal habe ich wirklich das Gefühl, das der heutigen Generationen der damaligen aus meiner Kleinstadt nicht das Wasser reichen kann… Sowas von primitiv und billig, unfassbar! Es ist schon fast ein Geschenk, wenn von denen überhaupt einer akzeptables sprachliches Level erreicht hat, geschweige ein gewisses geistiges Niveau! Ich sage nur: Ihr habt Euch zu sehr verrammelt! Ihr wart zu depressiv und in der Vergangenheit verhaftet, habt in einer Schublade gelebt, so, ihr habt zu wenig erreicht! Party ohne Ende…Ergüns Warnung. Regeln und Grenzen … Ach, wie wäre denn mal meine Alternative?

      Eigenverantwortung und Selbstdisziplin.

      Party ohne Ende, Konsumgüter und Ich-Bezogenheit, bringt unser Leben gemeinsam nicht weiter! Aber nächtliche gemeinsame Teesitzkreise eigentlich schon. Es ist schön, im Angesicht zu schwatzen, ich meine wirklich zu reden, sich zuhören. Keine lauten dröhnenden Orte. Keine Orte wo man sich präsentieren

Скачать книгу